Bunsen-Reaktion

chemische Reaktion

Die Bunsen-Reaktion ist eine chemische Reaktion, bei der Schwefeldioxid, Wasser und Iod miteinander reagieren, wobei Schwefelsäure und Iodwasserstoff entstehen:

Es handelt sich um eine Gleichgewichtsreaktion, man kann also aus konzentrierter Schwefelsäure und Iodwasserstoff Iod erhalten.[1][2] Obwohl die Reaktion an sich schon früher bekannt war, wurde sie nach Robert Bunsen benannt, der sie 1853 im Zusammenhang der Volumetrie (Titration) beschrieb.[1]

Energetik

Bearbeiten

Die Bunsen-Reaktion ist exotherm:[3]

 

Anwendungen bei der thermischen Darstellung von Wasserstoff

Bearbeiten

Schwefelsäure-Iod-Verfahren

Bearbeiten

Die Bunsen-Reaktion ist ein wichtiger und zentraler Schritt des Schwefelsäure-Iod-Verfahrens, das zur großtechnischen thermischen Gewinnung von Wasserstoff vorgeschlagen wurde.[4][5] Sie wird dabei bevorzugt bei 120 °C ausgeführt, also knapp oberhalb des Schmelzpunktes von Iod, der bei 113,7 °C liegt.[6] So lässt sich das Iod leichter aus dem Reaktionsgefäß abziehen.[6] Durch einen Überschuss von Wasser wird das Gleichgewicht im Bezug auf einen möglichst vollständigen Umsatz von Schwefeldioxid SO2 nach rechts verschoben. Die Reaktionsgleichung, die schematisch die eingesetzten Mengenverhältnisse verdeutlicht, lautet dann:[5][6]

 

Durch den Iodüberschuss entstehen zwei Phasen, die voneinander getrennt und weiter verarbeitet werden können.[6]

Elektrochemische Bunsen-Reaktion

Bearbeiten

In einer elektrochemischen Zelle, die durch eine Polymermembran (beispielsweise aus Nafion) in zwei Halbzellen getrennt ist, kann die Bunsenreaktion in zwei Teilschritte zerlegt werden:[5]

An der Anode (Pluspol) wird Schwefeldioxid zu Schwefelsäure oxidiert; die Gesamtreaktion dort lautet:[3]

 

An der Kathode (Minuspol) wird Iod zu Iodid reduziert:[3]

 

Die Zellreaktion ist dann die Gesamtreaktion:

 

Deutliche Vorteile dieses Verfahren sind, dass die für die obengenannte Reaktionsführung benötigten Überschussmengen an Iod und Wasser entfallen, dass es bei Raumtemperatur ausgeführt werden kann und dass Schwefelsäure und Iodwasserstoffsäure getrennt voneinander erhalten werden, was die nachfolgende Weiterverarbeitung erheblich vereinfacht.[3]

Schwefelsäure-Brom-Verfahren

Bearbeiten

Auch die analoge Reaktion mit Brom Br2 wurde als Bunsen-Reaktion bezeichnet:[7]

 .

Diese Reaktion ist ebenfalls eine Gleichgewichtsreaktion: Bromwasserstoff HBr und konzentrierter Schwefelsäure reagieren teilweise zu Brom.[8] Durch hohe Partialdrücke an Br2 und SO2 kann man hohe Konzentrationen an Schwefelsäure H2SO4 erhalten.[7] Auch diese Variante der Bunsen-Reaktion wurde für ein Verfahren zur Gewinnung von Wasserstoff vorgeschlagen (dem sogenannten Mark-13-Zyklus).[7] Es ist weitgehend analog zum Schwefelsäure-Iod-Verfahren; da sich Bromwasserstoff aber nicht rein thermisch zerlegen lässt, muss HBr elektrolytisch in Wasserstoff H2 und Br2 gespalten werden. Diese Elektrolyse erfordert aber eine wesentlich geringere Spannung als die Wasserelektrolyse.

Anwendungen in der quantitativen Analytik mittels Iodometrie

Bearbeiten

Bestimmung von Schwefeldioxid

Bearbeiten

Die Bunsen-Reaktion wurde und wird zur Bestimmung von Schwefeldioxidgehalten in geschwefelten Lebensmitteln genutzt, beispielsweise zur Bestimmung von SO2 in geschwefelten Weinen. Eine genaue Ausarbeitung zu einem solchen Bestimmungsverfahren wurde 1892 von Maximilian Ripper veröffentlicht,[9] weshalb man auch vom Ripper-Verfahren oder der Ripper-Methode spricht. Es ist allerdings anfällig für systematische Fehler.[10] Dennoch ist es wegen seiner kurzen Analysenzeit und Einfachheit das in der Weinkellerei am häufigsten benutzte Analysenverfahren.[11]

Bestimmung von Wasser

Bearbeiten

Bei der Karl-Fischer-Titration zur Bestimmung von Wassergehalten nutzt man in nichtwässriger Lösung eine Reaktion, die der Bunsen-Reaktion entspricht und die nach demselben Mechanismus verläuft.[2] Dabei nutzt man aus, dass Iod und Schwefeldioxid nicht miteinander reagieren, wenn kein Wasser zugegen ist. Die Titration wird immer in Gegenwart einer Base ausgeführt, beispielsweise Pyridin (Py) oder Imidazol, so dass keine freier Iodwasserstoff entsteht, sondern das entsprechende Salz, etwa das Pyridiniumiodid. In der Regel wird die Reaktion in alkoholischer Lösung ausgeführt, zumeist in Methanol. Dann entsteht nicht die Schwefelsäure, sondern ein Methylester, und das Verhältnis der Reaktanden Wasser, Schwefeldioxid und Iod ist nicht 2:1:1 wie in der Gleichung ganz oben, sondern 1:1:1:[2]

 

Anwendung der Rückreaktion

Bearbeiten

Die Umkehrung der Bunsen-Reaktion, die Umsetzung von Iodid durch Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure, kann zum qualitativen Nachweis von Iodid verwendet werden, das dann durch die violetten Ioddämpfe nachgewiesen wird.

Anwendung bei der Iodgewinnung

Bearbeiten

Zur Gewinnung von Iod aus Salzsolen wird das Iodid darin mit Chlor zu Iod oxidiert, das mit Luft ausgeblasen wird. Die Absorbertürme, in denen es aufgenommen und als Iodid wieder in Lösung gebracht wird, nutzen Schwefeldioxid als preisgünstiges Reduktionsmittel. Dabei läuft die Bunsen-Reaktion ab.[12][13]

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Robert Bunsen: Ueber eine volumetrische Methode von sehr allgemeiner Anwendbarkeit. In: Friedrich Wöhler, Justus Liebig, Hermann Kopp (Hrsg.): Justus Liebigs Annalen der Chemie und Pharmacie. Band 86, Nr. 3. C. F. Winter, Januar 1853, ISSN 0075-4617, S. 265–291, doi:10.1002/jlac.18530860302 (online in der HathiTrust Digital Library).
  2. a b c Wolfgang Fischer, Stefanie Beil, Karl-Dieter Krenn: Zum Mechanismus von Karl-Fischer- und Bunsen-Reaktion. In: Analytica Chimica Acta. Band 257, Nr. 1, Februar 1992, S. 165–171, doi:10.1016/0003-2670(92)80166-5.
  3. a b c d Vicktor Immanuel, K.U. Gokul, Anupam Shukla: Membrane electrolysis of Bunsen reaction in the iodine–sulphur process for hydrogen production. In: International Journal of Hydrogen Energy. Band 37, Nr. 4, Februar 2012, S. 3595–3601, doi:10.1016/j.ijhydene.2011.04.156 (elsevier.com).
  4. J.H. Norman, G.E. Besenbruch, L.C. Brown, D.R. O'Keefe, C.L. Allen: Thermochemical water-splitting cycle, bench-scale investigations, and process engineering. Final report, February 1977-December 31, 1981. DOE/ET/26225-1, GA-A-16713, 5063416, 1. Mai 1982, doi:10.2172/5063416 (osti.gov).
  5. a b c Ke Zhang, Weiren Bao, Liping Chang, Hui Wang: A review of recent researches on Bunsen reaction for hydrogen production via S–I water and H2S splitting cycles. In: Journal of Energy Chemistry. Band 33. Elsevier, Juni 2019, S. 46–58, doi:10.1016/j.jechem.2018.08.015 (elsevier.com).
  6. a b c d Marie L. Taylor, Rachael H. Elder, Ray W.K. Allen: Improved solvation routes for the Bunsen reaction in the sulphur iodine thermochemical cycle: Part III–Bunsen reaction in molecular solvents. In: International Journal of Hydrogen Energy. Band 38, Nr. 4, Februar 2013, S. 1784–1794, doi:10.1016/j.ijhydene.2012.11.099 (elsevier.com).
  7. a b c Daniel van Velzen, H, Langenkamp, G. Schütz, D. Lalonde, J. Flamm, Peter Fiebelmann: Development and design of a continuous laboratory-scale plant for hydrogen production by the Mark-13 cycle. In: International Journal of Hydrogen Energy. Band 5, Nr. 2. Pergamon Press, 1980, S. 131–139, doi:10.1016/0360-3199(80)90090-7 (elsevier.com).
  8. A. F. Holleman, N. Wiberg: Anorganische Chemie. 103. Auflage. 1. Band: Grundlagen und Hauptgruppenelemente. Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2016, ISBN 978-3-11-049585-0, S. 503 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Maximilian Ripper: Die schweflige Säure im Weine und deren Bestimmung. (Mitteilungen aus Schmitt's Laboratorium, [Untersuchungs‐ Amt, chemische Versuchsstation und hygienisches Institut] zu Wiesbaden.). In: Journal für Praktische Chemie. Band 46, Nr. 1, 10. Dezember 1892, ISSN 0021-8383, S. 428–473, doi:10.1002/prac.18920460131 (wiley.com).
  10. J. M. Vahl, J. E. Converse: Ripper procedure for determining sulfur dioxide in wine: collaborative study. In: Journal - Association of Official Analytical Chemists. Band 63, Nr. 2, März 1980, ISSN 0004-5756, S. 194–199, PMID 7430025 (nih.gov).
  11. Pablo Giménez-Gómez, Manuel Gutiérrez-Capitán, Anna Puig-Pujol, Fina Capdevila, Sergio Muñoz, Andreu Tobeña, Antoni Miró, Cecilia Jiménez-Jorquera: Analysis of free and total sulfur dioxide in wine by using a gas-diffusion analytical system with pH detection. In: Food Chemistry. Band 228, August 2017, S. 518–525, doi:10.1016/j.foodchem.2017.02.026 (elsevier.com).
  12. Jessica Elzea Kogel, Nikhil C. Trivedi, James M. Barker, Stanley T. Krukowski (Hrsg.): Industrial minerals & rocks: commodities, markets, and uses. 7th ed Auflage. Society for Mining, Metallurgy, and Exploration, Littleton, Colorado 2006, ISBN 978-0-87335-233-8, S. 547.
  13. Armin Lauterbach, Gustavo Uber: Iodine and Iodine Compounds. In: Kirk-Othmer Encyclopedia of Chemical Technology. 1. Auflage. John Wiley & Sons, 2011, ISBN 978-0-471-48494-3, S. 11–13, doi:10.1002/0471238961.0915040912012120.a01.pub3 (wiley.com).