Camsdorfer Brücke
Die Camsdorfer Brücke ist eine Brücke über die Saale und gilt als die älteste Steinbogenbrücke in Jena. Sie verbindet das Jenaer Stadtzentrum mit Wenigenjena.
Geschichte
BearbeitenAn der Stelle der ersten Brücke befand sich bis Mitte des 15. Jahrhunderts ein hölzerner Vorgängerbau. Im Jahr 1416 trug sie eine Klause, in der ein Mann um Almosen für die Brücke bitten sollte.[1] Die Steinbogenbrücke wurde um 1480 erbaut und bestand aus neun Bögen. Sie war ein wichtiger Übergang über die Saale, die zu dieser Zeit oftmals Hochwasser hatte, und stellte eine Verbindung zu den Siedlungen im Osten der Stadt her. Die Steine des Bauwerkes stammten unter anderem aus den 1304 zerstörten Burgen des Hausberges.
Auf der alten Camsdorfer Brücke, die unter dem Namen Pons zu den sieben Stadtwundern gehört, befand sich eine eigene Kapelle, und in der Mitte stand bis 1842 ein Stein- oder Holzkreuz als Grenzmarkierung zwischen dem Stadtgebiet und Camsdorf. Im an der Brücke gelegenen Wirtshaus Zur Tanne soll Goethe der Überlieferung nach den Erlkönig geschrieben haben, was aber als widerlegt gelten kann.[2]
Nach dem Bau der Brücke wurden 1575 noch zwei zusätzliche Bögen auf der Camsdorfer Seite ergänzt. Die Geschichte der Brücke kennt auch tragische Ereignisse:
- Während des Dreißigjährigen Krieges gegen Ende Januar 1637 waren schwedische Truppen unter Stålhandske in Jena einmarschiert und hatten die Stadt bereits in ihrer Gewalt, als nachsetzende kaiserliche Truppen unter Graf Götz gesichtet wurden.[3] Ein Bogen der Brücke wurde durch Sprengung zerstört, um den Vormarsch der Feinde zu vereiteln. Bei der Sprengung kamen bis zu 36 Arbeiter und Soldaten zu Tode. Der gesprengte Brückenbogen wurde erst 1655 durch den Baumeister Moritz Richter auf Anordnung des Herzogs Wilhelm IV. von Sachsen repariert; bis dann überspannte ein hölzernes Provisorium die Lücke.[4][1]
- 1716 sprang ein erschrecktes Reitpferd unverhofft über das Brückengeländer und riss den unglücklichen Reiter mit in den Tod.
- 1823 ertrank eine vom langen Weg ermüdete Bäuerin in der Saale; sie hatte sich, ohne die schwere Trage vom Rücken abzuschnallen, an die Brüstungsmauer gelehnt und verlor den Halt.
Die Notwendigkeit des Brückenneubaus wurde schon im 19. Jahrhundert erkannt, als die Industrialisierung der Stadt zunahm. Die Mehrheit der damaligen Bevölkerung sah in der alten Brücke ein wertvolles Baudenkmal und forderte dessen Erhalt.[5]
Um dem stärker werdenden Verkehr gerecht zu werden, musste die Camsdorfer Brücke ab Juli 1912 abgetragen werden. Der Neubau wurde bis November 1913 bewältigt. Auf dem Südwestpfeiler der Brücke wurde ein kleiner Pavillon errichtet, der eine Statue des Erzengels Sankt Michael als Schutzpatron der Stadt Jena trug.[6]
Über die neue Brücke wurde 1913 auch eine Straßenbahnlinie geführt.[7] Die Brücke wurde 1945 wiederum Opfer einer Sprengung, diesmal vorgenommen durch deutsche Pioniere. Auch diese Sprengung war militärisch sinnlos, da die Amerikaner die Saale bereits an anderen Stellen überquert hatten. In den ersten Nachkriegswochen wurden die Schäden an der Brücke untersucht, und die Brücke wurde ab 1946 mit Hilfe sowjetischer Streitkräfte wieder aufgebaut. Sie trug daher den Namen „Brücke der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“. Es war das erste Bauwerk Jenas, das nach dem Krieg wiedererbaut wurde. Lange Zeit war die Camsdorfer Brücke der einzige im Schwerlastverkehr befahrbare Übergang im Jenaer Stadtgebiet.
Gegenwärtige Situation
BearbeitenDie Brücke musste auf Grund schwerwiegender Schäden in den Jahren 2004 und 2005 komplett saniert werden; als zeitweiliger Ersatz für den Fußverkehr wurde eine Bailey-Brücke etwa 100 m nördlich der Baustelle gebaut. Bei der Sanierung wurde die Straßenbahntrasse auch von einer einspurigen auf eine zweispurige ausgebaut. Zur Wiedereröffnung im Sommer 2005 wurde erstmals ein Brückenfest auf der Brücke veranstaltet.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Carl Christian Schramm: Historischer Schauplatz, in welchem die Merkwürdigsten Brücken aus allen vier Theilen der Welt, Insonderheit aber Die in den vollkommensten Stand versetzte Dreßdner Elb-Brücke, In saubern Prospecten, Münzen und andern Kupferstichen, vorgestellet und beschrieben werden: Durch brauchbare Anmerkungen und besondere Urkunden erläutert, Auch mit nöthigen Registern versehen. Leipzig, 1735 S. 139–142 (Vogelschau-Ansicht der Brücke (um 1700) Digitalisat. Das Original befindet sich in der Universitätsbibliothek Heidelberg.)
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b J.C. Zenker: Historisch-topographisches Taschenbuch von Jena und seiner Umgebung, Friedrich Frommann-Verlag Jena 1836
- ↑ Heinz Voigt: Schrieb Goethe in der „Tanne“ in Jena den Erlkönig? In: Ostthüringer Zeitung. 14. September 2013, abgerufen am 27. Oktober 2018.
- ↑ Arndt Schreiber, Alexander Zirr, Andreas Herz, Antoine Odier: Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: 1637. (PDF; 2 MB) 29. April 2019, S. 361v, abgerufen am 13. Januar 2021.
- ↑ Die erste Zerstörung (1637): Details zur Sprengung der Brücke finden sich bei Jena im dreißigjährigen Kriege : aus handschriftlichen Nachrichten. In: Christian August Vulpius (Hrsg.): Curiositäten der physikalisch-literarisch-artistisch-historischen Vor- und Mitwelt. Band I, Nr. IV. Weimar 1811, S. 373–375. : (20. Januar 1637) ... kam der schwedische General Stahlhantsch hier an, er wurde von den Kaiserlichen (General Goetz) verfolgt, und kam den Steiger herunter. Dieser General ließ am 3. Februar den letzten Bogen der Saalbrücke, nach Kamsdorf zu, abwerfen, wobei 23 Menschen theils von Steinen erschlagen wurden, theils im Wasser umkamen. Damit aber sein (Kriegs-)Volk den Strom passieren könnte, ließ er von Fässern und Brettern eine Laufbrücke anlegen. Mittlerweile fielen die Kaiserlichen Vortruppen den Schweden in den Nacken, und da setzte es, am 4. Februar, bei der Pforte und dort herum, blutige Scharmützel. In der Nacht darauf ließen die Schweden die hölzerne Laufbrücke abbrechen, ... Die Saalbrücke aber blieb ein ganzes Jahr ruiniert und musste man sich mit Fischerkähnen über den Fluss setzen lassen.
- ↑ Thüringer Vereinigung für Heimatpflege (Hrsg.): Jahrbuch 1912. Selbstverlag, Erfurt 1913, Die Camsdorfer Brücke, S. 86–87.
- ↑ Seit einigen Jahren verfolgt ein Verein engagierter Bürger das Ziel der Wiedererrichtung dieses Pavillons.
- ↑ Inzwischen verkehren die Straßenbahn-Linien 2 und 3 aus Lobeda über die Brücke.
Koordinaten: 50° 55′ 42,4″ N, 11° 35′ 45,8″ O