Carl Quentin

preußischer Staatsbeamter, Politiker (Demokratische Bewegung), Reiseschriftsteller und Senator (Wisconsin)

Johann Christian Carl Quentin, auch Karl Quentin, als Deutschamerikaner Charles Quentin (* 8. Dezember 1810 in Bückeburg, Schaumburg-Lippe; † 9. Mai 1862 in Milwaukee, Wisconsin), war ein preußischer Staatsbeamter der Königlichen Regierung in Düsseldorf, Politiker der demokratischen Bewegung, Reiseschriftsteller, Immobilienunternehmer und Senator im Senat von Wisconsin.

Ausbildung, soziales Umfeld und Tätigkeit im preußischen Staatsdienst

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Quentin, Sohn des fürstlich lippischen Leibarztes Carl Quentin zu Bückeburg, studierte Rechtswissenschaft. In den 1840er Jahren war er Regierungsrat in der Königlichen Regierung zu Düsseldorf. Dort war er für das Gewerbewesen und in diesem Zusammenhang beispielsweise für die Gewährung von staatlichen Subventionen zuständig.[1] Über diese Aufgabe, aber auch über die Familie seiner Frau Charlotte Harkort (1819–1886), der Tochter des auf Gut Schede verstorbenen Frühindustriellen Peter II. Harkort (1786–1822) und Schwester des dort lebenden Industriellen Peter III. Harkort (1820–1888), die er am 8. Mai 1842 geheiratet hatte,[2] verfügte er über beste Kontakte ins rheinisch-westfälische Bürgertum, insbesondere zu Fabrikanten wie Gustav von Mevissen, Quirin Croon (1788–1854) und Friedrich von Diergardt. Im Berliner Finanzministerium galt er als einer der überragenden wirtschaftspolitischen Köpfe der Rheinprovinz.[3][4] Als Antwort auf den Pauperismus und die Soziale Frage unterstützte er zunächst paternalistische Konzepte der Sozialreform, so am 10. April 1841 die Gründung des Vereins zur Beförderung von Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Wohlstand und Sittlichkeit unter der arbeitenden Bevölkerung.

Als Akteur der Deutschen Revolution in Düsseldorf

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Im Zuge der Deutschen Revolution 1848/1849, bei der es anfangs sein Anliegen war, den Regierungsbezirk Düsseldorf durch Förderung reformerischer Ansätze aus der anschwellenden revolutionären Bewegung herauszuhalten,[5] gehörte Quentin zu den fast 2000 Mitgliedern des Vereins für demokratische Monarchie, der Frühform einer politischen Partei, die sich für Demokratie und Bürgerrechte, die Umwandlung Preußens und des Deutschen Bundes in konstitutionelle Monarchien sowie für die großdeutsche Lösung der Deutschen Frage einsetzte. In dieser politischen Bewegung gehörte Quentin neben Hugo Wesendonck, Anton Bloem, Lorenz Cantador, Eduard Hölterhoff und Moritz Seelig zum Führungspersonal.

Als der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im November 1848 die Preußische Nationalversammlung von Berlin nach Brandenburg an der Havel auswies und die Nationalversammlung ihrerseits zur Steuerverweigerung aufrief, erklärte sich in Düsseldorf, dem Parlamentssitz der Rheinprovinz, die von Lorenz Cantador geführte Bürgerwehr zum „bewaffneten Organ der Revolution“. Wenig später durchsuchte die Bürgerwehr auf Befehl Cantadors das Düsseldorfer Postamt nach Steuergeldern, woraufhin der Düsseldorfer Regierungspräsident Adolph von Spiegel-Borlinghausen, der Dienstvorgesetzte Quentins, und Divisionskommandeur Generalleutnant Otto von Drigalski am 22. November 1848 den Belagerungszustand verhängten und die Bürgerwehr verboten.

In dieser Konfliktsituation stellten sich sechs Regierungsräte, unter ihnen Quentin, der örtliche Polizeiinspektor Zeller sowie der Gemeinderat Düsseldorfs auf die Seite der Revolution. Diese Gehorsamsverweigerung hatte zur Folge, dass Zeller von seinem Amt suspendiert wurde und gegen Quentin und andere Beamte Disziplinarverfahren eingeleitet wurden. Als Folge des gegen ihn gerichteten Verfahrens und der drohenden Strafversetzung verließ Quentin den Staatsdienst. Als er sich – wie andere Forty-Eighters – zur Emigration entschloss, erhielt er von der Düsseldorfer Stadtverwaltung ein Ehrengeschenk und ein Dankschreiben.[6]

Auswanderung und Karriere in den Vereinigten Staaten

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Im Mai 1850 reiste er über Bremen in die Vereinigten Staaten aus. Dort bereiste er in Begleitung seiner Frau für etwa ein halbes Jahr New York, Illinois, Wisconsin, Ohio, Missouri und Michigan sowie neuenglische Staaten, insbesondere die Städte Chicago, Milwaukee, St. Louis and Cincinnati. Seine Eindrücke fasste er in dem Reisebericht Reisebilder und Studien aus dem Norden der Vereinigten Staaten von Amerika zusammen. Das Werk erschien 1851 im Verlag von H. F. Grote in Arnsberg.[7] Mit seiner Frau Charlotte ließ sich Quentin 1851 in Milwaukee nieder, wo seine drei Kinder geboren wurden.

In seiner neuen Heimat, wo er am 15. Oktober 1853 in der Nähe des Milwaukee River das Anwesen von Garrett Vliet (1790–1877) erwarb,[8] es in eine später Quentin’s Park (danach Schlitz Park, heute Lapham Park) genannte Gartenanlage verwandelte[9] und ein damals modisches amerikanisches Oktogonhaus bewohnte,[10] gelangen ihm als Inhaber der Immobiliengesellschaft Charles Quentin & Co. vorteilhafte Grundstücksgeschäfte[11] und eine politische Karriere als Parlamentarier.[12] 1860 wurde er für die Jahre 1861/1862 zum Senator für den Milwaukee County in den Senat von Wisconsin gewählt.[13] 1861 wurde er neben Alexander Mitchell und Joshua Hathaway zum commissioner of the Public Debt für die von einem Bankrott bedrohte Stadt Milwaukee berufen.[14][15] Nach seinem Tod kehrten seine Frau und die Kinder nach Deutschland zurück; seine Witwe, Charlotte Quentin, verstarb am 15. April 1886 in Bonn.

Außer dem Quentin’s Park war in Milwaukee nach Quentin eine mittlerweile geschlossene Schule benannt.[16]

Schriften

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  • Ein Wort zur Zeit der Arbeiter-Koalitionen. J. H. C. Schreiner, Düsseldorf 1840; abgedruckt in: MCV, Band 1, Berlin 1848/1849 (Reprint: Hagen 1980, S. 84 ff.)
  • Reisebilder und Studien aus dem Norden der Vereinigten Staaten von Amerika. Zwei Teile in einem Band, Druck und Verlag H. F. Grote, Arnsberg 1851, 209 S. mit Abbildungen von verschiedenen Orten (Digitalisat)

Literatur

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  • Jürgen Reulecke: Die Anfänge der organisierten Sozialreform in Deutschland. In: Rüdiger vom Bruch (Hrsg.): „Weder Kommunismus noch Kapitalismus“. Bürgerliche Sozialreform in Deutschland vom Vormärz bis zur Ära Adenauer. Verlag C. H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30882-1, S. 36.

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Peter Schöttler: Aufstieg und Fall eines Fabrikgerichtspräsidenten: Die Karriere des Johann Caspar van der Beek 1803–1861. In: Archiv für Sozialgeschichte 31, 1991, S. 41 (PDF (Memento des Originals vom 28. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/library.fes.de)
  2. Charlotte Harkort, genealogisches Datenblatt im Portal gedbas.genealogy.net, abgerufen am 28. Mai 2016
  3. Lothar Dittmer: Beamtenkonservatismus und Modernisierung. Untersuchungen zur Vorgeschichte der Konservativen Partei in Preussen 1810–1848/49. Studien zur modernen Geschichte, Band 44, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 978-3-515-06045-5, S. 373, Fußnote 583 (Google Books)
  4. Friedrich Zunkel: Der Rheinisch-Westfälische Unternehmer 1834–1879. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert. Dortmunder Schriften zur Sozialforschung, Band 19, Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen 1962, Springer Fachmedien, Wiesbaden 1962, ISBN 978-3-322-96166-2, S. 138 (Google Books)
  5. Rudolf Boch: Preußische Reformen und regionale Identität: das Bergische Land 1814–1890, Vortragsmanuskript vom 28. Februar 2015 in der Tagung Selbstverortungen. Reformgeschichte und Geschichtskultur im 19. und 20. Jahrhundert, abgerufen am 28. Mai 2016 im Portal tu-chemnitz.de
  6. Düsseldorf während der Revolutionsjahre 1848/49 (Memento des Originals vom 28. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jaegercorps1844.de, Webseite im Portal jaegercorps1844.de mit geschichtlicher Abhandlung (Quelle: www.historisches-zentrum-wuppertal.de), abgerufen am 28. Mai 2016
  7. Karl Quentin („K. preuß. Regierungsrath a. D.“): Reisebilder und Studien aus dem Norden der Vereinigten Staaten von Amerika. Zwei Teile in einem Band, Druck und Verlag H. F. Grote, Arnsberg 1851, 209 S. mit Abbildungen von verschiedenen Orten (Digitalisat (Memento des Originals vom 28. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/gdz.sub.uni-goettingen.de)
  8. Charlie House: House on the Street: Walnut St. In: The Milwaukee Journal, Ausgabe vom 13. Dezember 1965, S. 3 (Google News (Memento des Originals vom 28. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/news.google.com)
  9. John D. Buenker (Hrsg.): Milwaukee in the 1930s. A Federal Writers Project City Guide. State Historical Society of Wisconsin, Milwaukee 2016, ISBN 978-0-87020-742-6, Kapitel Area Seven: The „Wooden Shoe“ District
  10. Historic Designation Study Report: Octagon House (Revised August, 1998), S. 2, PDF im Portal city.milwaukee.gov, abgerufen am 28. Mai 2016
  11. Rudolph A. Koss: Milwaukee. Schnellpressen-Druck des „Herold“, Milwaukee/Wisconsin 1871, S. 315 (Google Books, Digitalisat)
  12. Jürgen Reulecke: Die Anfänge der organisierten Sozialreform in Deutschland. In: Rüdiger vom Bruch (Hrsg.): „Weder Kommunismus noch Kapitalismus“. Bürgerliche Sozialreform in Deutschland vom Vormärz bis zur Ära Adenauer. Verlag C. H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30882-1, S. 36
  13. The Wisconsin Blue Book. Democrat Printing Co., Madison 1913, S. 461 (Google Books)
  14. The late Hon. Charles Quentin. Biografie (S. 120) in: PDF im Portal images.library.wisc.edu, abgerufen am 28. Mai 2016
  15. Jerome A. Watrous (Hrsg.): Memoirs of Milwaukee County: From the earliest historical times down to the present, including a genealogical and biographical record of representative families in Milwaukee County. Madison/Wisconsin 1909, Vol. 1, S. 144 (Digitalisat 1, Digitalisat 2)
  16. Robert Tanzilo: Historic Milwaukee Public Schoolhouses. The History Press, Charleston/SC 2012, ISBN 978-1-61423-712-9 (Google Books)