Julius Carlebach (Kunsthändler)

deutsch-amerikanischer Ethnologe und Kunsthändler
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Julius Carlebach (jüd. Beiname: Joseph; hebräischer Familienname: Hirsch Zwi) (28. Juli 1909 in Lübeck13. Oktober 1964 in New York City) war ein deutsch-jüdischer Kunsthändler mit Sitz in Berlin, der 1937 in die USA emigrierte und mit der Gründung der Carlebach Gallery in New York zu einem der bedeutendsten New Yorker Galeristen der 1940er und 1950er Jahre aufstieg.

Herkunft und Familie

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Julius Carlebach war ein Sohn des Lübecker Bankiers Alexander Carlebach (1872–1926) und dessen aus Moskau stammenden Frau Sonja, geb. Persitz (1887 Moskau – 1955 Los Angeles)[1]. Die Carlebachs waren eine große und bekannte neo-orthodoxe Rabbinerfamilie. Rabbiner Salomon Carlebach und Esther Carlebach waren seine Großeltern väterlicherseits; fünf seiner Onkel, darunter Emanuel Carlebach, Ephraim Carlebach und Joseph Carlebach wurden ebenfalls Rabbiner, ebenso mehrere seiner Cousins, darunter Felix F. Carlebach, Julius Carlebach sowie die Zwillinge Eli Chaim Carlebach und Shlomo Carlebach. Ezriel Carlebach und Chaim Cohn waren ebenfalls Cousins.

Lübeck, Berlin, Hamburg und Wien

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Als Jugendlicher erwarb er durch Besuche in der Lübecker Völkerkundesammlung im Museum am Dom ein Interesse an völkerkundlichen Objekten.[2] Er studierte Kunstgeschichte und Völkerkunde an den Universitäten Berlin, Wien und Hamburg. Schon neben dem Studium und zu dessen Finanzierung handelte er mit Ethnografica und Judaica. 1931/1932 baute er eine jüdische Abteilung im Lübecker Völkerkundemuseum auf.[3] Diese Sammlung von über 100 Exponaten wurde, abgesehen von wenigen Bestandsobjekte aus der Sammlung des Museums, die bis auf die Sammlung des Bürgermeisters Lindenberg zurückzuführen sind, von ihm selbst beschafft. Die neue Abteilung sollte mit ihrer Mischung aus volks- und völkerkundlichen Aspekten einen Überblick über jüdische Religionsausübung und Bräuche im Haus und in der Synagoge bieten. Sein Ziel war, alle jüdischen Bräuche im Museum zu erklären, um dem Antisemitismus zu begegnen[4] und in seiner Heimatstadt Verständnis von jüdischer Kultur zu wecken. Die Sammlung, die als Dauerausstellung konzipiert war und die der Lübecker Rabbiner David Alexander Winter am 8. Mai 1932 mit einem Vortrag eröffnete,[5] wurde in Lübeck von Presse und Öffentlichkeit zunächst wenig beachtet.[6] Sie kam bald ins Museumsdepot und überlebte so die Zeit des Nationalsozialismus und den Luftangriff auf Lübeck 1942, bei dem das Museum zerstört wurde.

1933 zog Julius Carlebach von Hamburg nach Berlin und begründete dort eine Galerie. Er heiratete 1936 Josepha, geb. Silberstein (1901 Berlin – 2000 Huntington (New York)).[7]

New York

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1937 gelang ihm die Emigration in die Vereinigten Staaten. Zwei Gemälde aus seinem Bestand wurden im April 1937 in einer Auktion in Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus versteigert.[8] Carlebach ließ sich in New York City nieder und eröffnete 1939 in der Third Avenue ein Geschäft für Antiquitäten und Stammeskunst. Er war besonders bekannt für seine Objekte der pazifischen First Nations, die er in Zusammenarbeit mit George Gustav Heye vermarktete, dessen große Sammlung später den Kernbestand des National Museum of the American Indian begründete. Heye hatte 1929 von der Universität Hamburg den Ehrendoktor erhalten.

Viele Künstler des Surrealismus, die in New York eine neue Heimat gefunden hatten wie Max Ernst, André Breton und Robert Lebel, erwarben bei ihm Masken und andere Kunstgegenstände.[9] Für Claude Lévi-Strauss war Carlebachs Laden vergleichbar mit der Schatzkammer in der Höhle Ali Babas (caverne d'Ali Baba)[10], und Peggy Guggenheim berichtet, wie Carlebach Max Ernst auf Kredit zu dessen Sammlung verhalf, aus der sie Einzelstücke 1942 in ihrer Ausstellung Art of This Century zeigte.[11] Von den frühen 1940er Jahren bis Anfang der 1960er Jahre war Carlebach der einflussreichste New Yorker Galerist auf dem Gebiet indianischer Kunst[12] und ethnographischer Objekte aus aller Welt.

„I happened to visit the Carlebach Gallery in New York and found it full of beautifully carved objects, which were strong, expressive, and aesthetically satisfying. It was as though a whole new world of art had opened to me, and I became convinced that art from the Melanesian islands was of the highest quality and should be ranked with that of the other great art producing areas of the world.“

Kunstsammler Morton D. May: Vorwort zu einem Ausstellungskatalog nach einem Besuch 1960[13]

Daneben handelte Carlebach mit fränkischen Fibeln[14], antiken Schach-Sets und förderte junge Künstler durch Ausstellungen. Vom 30. April bis 12. Mai 1951 hatte Roy Lichtenstein seine erste Einzelausstellung in der Carlebach Gallery in der 937 Third Avenue.[15] Gezeigt wurde das Frühwerk des Künstlers: Lithografien und Radierungen, sowie Fundstücke und Objekte aus Holz und Metall, daneben halbabstrakte Gemälde in mauve, blau und rosa.[16] Die Ausstellung erfuhr beim New Yorker Publikum große Aufmerksamkeit, der Kritiker der Art news Lawrence Cambell sprach den Werken der Ausstellung ein „... completely ingenious way of looking at thinks“ zu.[17] Allerdings war es Carlebachs letzte Ausstellung mit moderner amerikanischer Kunst. Er konzentrierte sich fortan wieder auf sein angestammtes Sammelgebiet sowie indianische Kunst.[18]

1958 zog die Galerie in größere Geschäftsräume in 1040 Madison Avenue an der Ecke zur 79. Straße.

Carlebach starb im Alter von 55 Jahren an einem Herzinfarkt – eine Woche nach dem Diebstahl einer wertvollen Statue des 17. Jahrhunderts aus Benin aus seiner Galerie.[19] Die Trauerfeier fand in der Riverside Memorial Chapel an der Upper West Side statt. Seine Ehefrau und Geschäftspartnerin Josepha Carlebach führte das Unternehmen noch für einige Zeit fort. Sie verstarb im Alter von 99 Jahren am 15. August 2000 in Huntington auf Long Island.

Nachwirkung

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Figur der Fang, 1951 erworben über die Carlebach Gallery vom Brooklyn Museum

Kunstwerke mit Provenienz aus seinem Handel finden sich heute in vielen Sammlungen und Museen weltweit, darunter im Pariser Musée de l’Homme[20], in der National Gallery of Australia in Canberra aus dem Nachlass Ernst, im Reichsmuseum für Völkerkunde, im Jüdischen Museum der Schweiz und in den USA im Brooklyn Museum und im Metropolitan Museum of Art[21] in New York, Walters Art Museum in Baltimore, Fenimore Art Museum in Cooperstown (New York)[12], Los Angeles County Museum of Art und im Saint Louis Art Museum.[22] Carlebach ermutigte seine Kunden, Objekte Museen, insbesondere solchen an Universitäten, zu stiften. Dazu gehörten das Museum of Art and Archaeology der University of Missouri in Columbia (Missouri)[23], das Museum der University of Pennsylvania, dem er ein Geschenk von Helena Rubinstein vermittelte[24] sowie die University of Delaware.[25]

Kataloge und Ausstellungen

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  • The First Communication, Julius Carlebach Gallery, 1947
  • [Peter] Busa : March 22 thru April 10., Carlebach Gallery, 1948
  • Carl Podszus, Carlebach Gallery, 1948
  • Charles Seliger : recent paintings and drawings : April 26th to May 6th, Carlebach Gallery, 1948
  • Popular Artists of Haiti: Haitian Art Center of New York : October 9th-23rd, at Carlebach's Haitian Art Center of New York, Carlebach Gallery, 1948
  • Markowitz, Carlebach Gallery, 1949
  • Hilde Weingarten, Carlebach Gallery, 1949
  • Hazel McKinley, Carlebach Gallery, 1949
  • Seong Moy, Carlebach Gallery, 1949
  • Meichel Pressman, Carlebach Gallery, 1949
  • Sidney Rifkin., Carlebach Gallery, [1949]
  • Joachim H. Themal, Carlebach Gallery, 1949
  • Angelo di Benedetto., Carlebach Gallery, 1950
  • Albert Freudenberg, Carlebach Gallery, 1950
  • Thomas Hughes Ingle, Carlebach Gallery, 1950
  • Lee Porzio, Carlebach Gallery, 1950
  • Warner Prins, Carlebach Gallery, 1950
  • Schames, a Monument to Hitler's Infamy: Feb. 28-Mar. 18, Carlebach Gallery, 1950
  • Streeter Blair: California Primitive, Oct. 23-Nov. 11, Carlebach Gallery, 1950
  • Lichtenstein, Carlebach Gallery, 1951
  • The Carlebach Gallery of New York Presents an Exhibition of Rare and Beautiful Chess Sets: In Conjunction with the First Canadian „open“ Chess Championship Tournament, Montreal 1956 at the Montreal Museum of Fine Arts ...., Montreal Museum of Fine Arts, Montreal 1956

Abwicklungskataloge dritter Häuser (unvollständig)

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  • Rudolph Lepke: Gemälde alter und neuerer Meister: Antiquitäten und Kunstgewerbe; 9. und 10. April 1937, Berlin 1937 (Digitalisat)
  • Parke-Bernet: Pre-Columbian and North-American Indian Art - Property of the Carlebach Gallery - Public Auction Saturday May 17 1969, Paperback, New York 1969

Schriften

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  • Museum “Co-Ops” in: Curator: The Museum Journal. Volume 1, Issue 3, Summer 1958, S. 67–69 (Digitalisat)

Literatur

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  • Sören Groß: Die Guckkastenbildersammlung des Deutschen Optischen Museums Sammlungsgenese – Erwerbungsrekonstruktion – Objektidentifizierung. In: Ron Hellfritzsch, Sören Groß, Timo Mappes (Hg.): Technisches Kulturgut, Band 1: Zirkulation, Ansammlungen und Dokumente des Entzugs zwischen 1933 und 1945. Sandstein Verlag, Dresden 2022, S. 50–79.
  • Sören Groß: Handel aus dem Untergrund. Der jüdische Kunsthändler Julius Carlebach als Schlüsselfigur zur Erforschung des verdeckten Handels mit historischen optischen Instrumenten im Nationalsozialismus. In: Ron Hellfritzsch, Sören Groß, Timo Mappes (Hg.): Technisches Kulturgut, Band 2: Provenienzforschung zu Handel und Entzug. Sandstein Verlag, Dresden 2024, S. 121–165.
  • Sandra Mühlenberend: Julius Carlebach (1909–1964). Optikhandel als Fluchthilfe. In: transfer. Zeitschrift für Provenienzforschung und Sammlungsgeschichte | Journal for Provenance Research and the History of Collection. Bd. 1 (2022), S. 181–191 (online: https://doi.org/10.48640/tf.2022.1.91526).
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Commons: Julius Carlebach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

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  1. The Joel-Adler-Carlebach Families. Jerusalem 1996, S. 138
  2. Ausstellung über jüdisches Leben - Sammlung Julius Carlebach, Pressemitteilung der Hansestadt Lübeck vom 8. November 2011, abgerufen am 1. Juni 2015
  3. Von der Rolle Bad Segeberg: Gemeinde erhält Sefer Tora aus dem Museum zurück in: Jüdische Allgemeine vom 17. Mai 2007
  4. luebeck-tourismus.de: Welten entdecken – ab 26. Juni 2011 in der Kunsthalle St. Annen (Memento vom 11. Juni 2015 im Internet Archive)
  5. Davis Alexander Winter: Jüdischer Kultus in Familie und Gottesdienst - mit Lichtbildern, Vortrag
  6. Nur dem Hamburger Fremdenblatt war sie einen Bericht wert.
  7. The Joel-Adler-Carlebach Families. Jerusalem 1996, S. 138
  8. Liste der von Julius Carlebach eingereichten Objekte bei der Lost Art-Datenbank; Lepke Katalog 2112: Gemälde alter und neuerer Meister: Antiquitäten und Kunstgewerbe; 9. und 10. April 1937 (Digitalisat)
  9. zu Ernst siehe: Christine Dixon: Max Ernst, artist and collector, in: Susan Cochrane, Max Quanchi (Hrsg.): Hunting the Collectors: Pacific Collections in Australian Museums, Art Galleries and Archives. 2. Auflage, Newcastle upon Thyme: Cambridge Scholars Publishing 2013, ISBN 978-1-4438-4828-2, S. 267–280, hier S. 269; Werner Spies: Vox Angelica - Max Ernst und die Surrealisten in Amerika. Hanser, München 2014
  10. Michel Izard: Claude Lévi-Strauss. Paris: Editions de l’Herne 2004, ISBN 978-2-85197-096-1, S. 114, vgl. auch Kunst des hohen Nordens, Der Standard vom 23. August 2007, abgerufen am 1. Juni 2015; vermutlich bezieht sich das Zitat von der Caverne, aus der Carlebach mit seinen Schätzen auftauchte, ursprünglich eher auf das Lagerhaus der Sammlung Heyes in der Bronx
  11. Peggy Guggenheim: Out of this Century: The Informal Memoirs of Peggy Guggenheim. New York 1946, S. 305
  12. a b fenimoreartmuseum.org: Kachina Doll (Memento vom 26. August 2015 im Internet Archive): „From the 1940s to the early 1960s, Carlebach was the most influential New York gallery owner specializing in American Indian art.“
  13. Lee A. Parsons: Ritual Arts of the South Seas: The Morton D. May Collection, Saint Louis Art Museum, Saint Louis (Missouri) 1975
  14. Siehe die Beispiele in der Commons-Kategorie unter Weblinks
  15. Lichtenstein, Carlebach Gallery, New York 1951 (Katalog)
  16. Eric Shakes: Pop Art – Art of century collection, Parkstone International, 2009, ISBN 978-1-84484-619-1, S. 84
  17. Ernst A. Busche: Roy Lichtenstein – Das Frühwerk 1942–1960, Gebr. Mann, Berlin, 1988, ISBN 978-3-7861-1488-8, S. 19
  18. lichtensteinfoundation.org: Chronology – 1951 (Memento vom 6. Juni 2013 im Internet Archive) (englisch)
  19. Julius Carlebach, of Gallery Featuring Primitives, Is Dead, New York Times vom 14. Oktober 1964, abgerufen am 1. Juni 2015
  20. Sculptures, Africa, Asia, Oceania, Americas: Musée de Louvre, Pavillon des Sessions (Ausstellungskatalog) Paris 2001, ISBN 978-2-7118-4234-6, S. 31
  21. Pendant: Figure
  22. slam.org: Shoulder Mask (d’mba) (Memento vom 2. Juni 2015 im Webarchiv archive.today) (englisch)
  23. Two early supporters, Julius Carlebach and Samuel Eilenberg, played major roles in this development. Carlebach was a New York art dealer who encouraged his clients to donate to the Museum.
  24. More on Madame Rubinstein mit einem Foto ihrer bei Carlebach erworbenen Stammeskunst-Sammlung
  25. John Stephens Crawford (Hrsg.): Ancient Art at the University of Delaware: An Exhibition at the University Gallery, February 12-March 31, 1987. University of Delaware 1987, S. 7f