Cerambycinae
Die Cerambycinae sind eine Unterfamilie der Bockkäfer (Cerambycidae). Mit mehr als 11.000 Arten aus über 1.700 Gattungen ist es nach den Weberböcken (Lamiinae) die zweitartenreichste Unterfamilie. Die Cerambycinae sind weltweit verbreitet.
Cerambycinae | ||||||||||||
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Echter Widderbock (Clytus arietis) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Cerambycinae | ||||||||||||
Latreille, 1802 |
Merkmale
BearbeitenDie imaginalen Käfer können nicht an eindeutigen Merkmalen von Arten anderer Unterfamilien unterschieden werden. Typisch ist aber die Morphologie der Larven.
Imagines
BearbeitenCerambycinae[1][2] sind überwiegend langgestreckte, schlanke Käfer. Sie sind in der Körpergröße extrem variabel, mit Körperlänge zwischen 2,5 und 90 Millimeter.
Der Kopf ist vorgestreckt (prognath) bis mehr oder weniger stark geneigt. Hinter den Komplexaugen kann er abrupt verschmälert oder in längere Schläfen verlängert sein. Eine rüsselförmige Verlängerung des Vorderkopfs (wie bei vielen Lepturinae) oder eine halsförmige Abschnürung des Hinterkopf nach den Schläfen sind nur selten ausgeprägt. Die Komplexaugen sind variabel manchmal oval, meist aber nierenförmig, aber nur selten ganz geteilt. Die Antennen inserieren ebenfalls variabel, aber nur selten stark genähert zur Einlenkung der Mandibeln, oft ist diese mit der Fühlerbasis durch eine markante Leiste oder Kante verbunden. Die Antennen sind in der Regel, wie typisch für die Bockkäfer, elfgliedrig, es kommen aber Arten mit mehr Fühlersegmenten vor. Sie sind in der Regel sehr lang, aber ihr zweites Glied fast immer verkürzt. Der vordere Abschnitt des Clypeus (Anteclypeus) ist fast immer kurz, das Labrum frei, aber schmal, oft in der Mitte eingebuchtet. Die Mandibeln sind von normaler Länge, mit oder ohne eine Haarleiste entlang der Schneidekante, eine Reibefläche (Molarregion) fehlt immer. Die Spitze beider Tasterpaare (Palpen) ist fast immer an der Spitze (Apex) abgestumpft, gelegentlich stark verbreitert.
Das Pronotum kann an den Seiten Zähnchen oder Höcker tragen, selten besitzt es (bei stark abgeflachten Arten) eine seitliche Kante (wie typisch für Prioninae und Parandrinae). Die Vorderhüften (Procoxae) sind verschieden, oft kugelig, nur selten quer oder zapfenförmig verlängert. Die Füße (Tarsen) sind fast immer „pseudotetramer“, d. h. scheinbar viergliedrig, indem das vierte Glied stark verkleinert und in einen Aussparung des großen zweilappigen dritten Glieds verborgen ist. Das dritte Glied, meist auch die übrigen außer dem vierten, tragen in der Regel Haftpolster zum Festhalten an glatten Oberflächen. Der Ovipositor der Weibchen ist in der Regel verlängert, aber nur schwach sklerotisiert, mit zwei Anhängen (Styli) im apikalen Teil. Fast alle Arten sind flugfähig mit vollständig ausgebildeten Hinterflügeln, bei einigen Gattungen sind aber die Flügeldecken (Elytren) mehr oder weniger stark verkürzt, so dass die Hinterflügel teilweise frei liegen.
Die mitteleuropäischen Arten können an der Kombination folgender Merkmale unterschieden werden: Pseudotetramere Tarsen (unterscheidet von den meisten Spondylidinae und Parandrinae), Kopf vorgestreckt oder geneigt, nie senkrecht, letztes Glied der Kiefertaster abgestutzt (unterscheidet von Lamiinae), Seitenrand des Halsschilds ungekielt, Vorderhüften nicht quer, meist kugelig (unterscheidet von Prioninae), zweites Fühlerglied weniger als halb so lang wie das dritte, meist nur ringförmig (unterscheidet von den übrigen Spondylidinae).[3]
Larven
BearbeitenDie Larven der Cerambycinae[1] sind im Querschnitt zylindrisch bis wenig abgeflacht. Stark abgeflachte Formen (typisch für Arten, die unter der Rinde leben) kommen nicht vor. Ihr Kopf ist tief in den Rumpfabschnitt zurückgezogen und im hinteren Teil hell gefärbt, gelegentlich mit dunklen Flecken. Sein Clypeus ist nach vorn hin meist abrupt stark verschmälert, so dass bei Blick von oben die Mandibeln frei liegen. Larvenaugen (Stemmata) können vorhanden sein oder fehlen. Die Antennen sind fast immer dreigliedrig (selten sind Glieder miteinander verschmolzen) und in der Regel mäßig lang. Charakteristisch ist der Bau der Mandibeln. Diese sind vorn abgerundet, ohne Zähne, innen ausgehöhlt mit einer messerscharfen oberen Kante, die untere Schneidekante ist hingegen rückgebildet. Die Maxillen und das Labium sind zu einem Labiomaxillarkomplex verwachsen, der Cardo der Maxillen meist beweglich und vergrößert. Die Maxillarpalpen sind drei-, selten zweigliedrig.
Biologie und Lebensweise
BearbeitenDie Larven der Cerambycinae sind überwiegend spezialisiert auf das Leben in hartem, trockenem Totholz, nahezu alle Bockkäfer mit dieser Lebensweise gehören dieser Unterfamilie an. Andere Arten kommen aber auch in lebenden Bäumen vor, nur wenige auch in krautigen Arten. Arten, die in stark zersetztem, totfaulen Totholz oder im Boden leben würden, fehlen ganz.
Die Lebensweise der adulten, imaginalen Käfer ist extrem divers. Es kommen sowohl nacht- wie tagaktive Arten vor, diese oft auffallend gefärbt. Viele Arten sind als Blütenbesucher bekannt. Viele Arten nehmen als Imagines gar keine Nahrung mehr auf.[4] Imaginale Käfer leben, je nachdem ob sie Nahrung aufnehmen, von etwa einer Woche bis hin zu einigen Monaten.[2]
Bei vielen Arten der Cerambycinae wurden Pheromone nachgewiesen, mit denen die Männchen Weibchen anlocken. Die Paarung findet auf dem Nährsubstrat der Larven (Holz) oder demjenigen der Käfer, oft Blüten, statt. Für die Eiablage wählen die Weibchen oft nicht nur besondere Baumarten, sondern auch Holz bestimmten Alters und nach anderen Faktoren gezielt aus. Die Eiablage erfolgt auf die Oberfläche oder in Löcher und Spalten bzw. unter abgelöste Rinde. Jedes Weibchen kann Dutzende bis Hunderte Eier ablegen. Die Entwicklungsdauer der Larven reicht von ein bis vier Jahre.[2]
Ökonomische Bedeutung
BearbeitenDa die Larven vieler Arten festes, trockenes Holz bevorzugen, finden sich in der Unterfamilie viele Materialschädlinge. Bedeutendste schädliche Art der Cerambycinae in Mitteleuropa ist der Hausbock (Hylotrupes bajulus), der sich in totem Nadelholz entwickelt und dabei auch verbautes Holz, etwa in Dachstühlen, gern annimmt. Andere Arten, die sich in lebenden Bäumen entwickeln, gelten als Forstschädlinge.
Phylogenie und Systematik
BearbeitenInnerhalb der Bockkäfer nächstverwandt und vermutliche Schwestergruppe sind die Dorcasominae.[1] In einer phylogenomischen Untersuchung 2018[5] konnte die enge Beziehung zu den Dorcasominae bestätigt werden (getestet nur Gattung Dorcasomus), die Monophylie war aber nicht gesichert.
Die Cerambycinae umfassen mit mehr als 11.000 Arten schon etwa ein Drittel aller Bockkäfer, zusammen mit den noch artenreicheren Lamiinae sind es etwa neunzig Prozent aller Arten. Artenreichste Gattung ist die ostasiatische Gattung Demonax (Clytini) mit etwa 380 Arten.[6]
Triben
BearbeitenDie folgende Auflistung der Triben folgt dem Katalog von Yves Bousquet und Kollegen.[7] Die Abgrenzung der Triben ist zum Teil noch umstritten, so dass einige Autoren mehr, oder weniger, Triben anerkennen als hier gelistet. Zusätzlich sind mit dem Kürzel EU diejenigen Triben markiert, die nach der Checkliste von Mikhail L. Danilevsky[8] europäische Arten enthalten.
- Achrysonini Lacordaire, 1868 EU
- Agallissini Leconte, 1873
- Alanizini di Iorio, 2003
- Anaglyptini Lacordaire, 1868 EU
- Aphanasiini Lacordaire, 1868
- Aphneopini Lacordaire, 1868
- Auxesini Lepesme and Breuning, 1952
- Basipterini Fragoso et al., 1987
- Bimiini Lacordaire, 1868
- Bothriospilini Lane, 1950
- Brachypteromini Sama, 2008 EU
- Callichromatini Swainson and Shuckard, 1840 EU
- Callidiini Kirby, 1837 EU
- Callidiopini Lacordaire, 1868 EU
- Cerambycini Latreille, 1802 EU
- Certallini Fairmaire, 1864 EU
- Chlidonini Waterhouse, 1879
- Clytini Mulsant, 1839 EU
- Compsocerini Thomson, 1864
- Coptommatini Lacordaire, 1869
- Curiini Leconte, 1873
- Deilini Fairmaire, 1864 EU
- Dejanirini Lacordaire, 1868
- Diorini Lane, 1950
- Distichocerini Pascoe, 1868
- Dodecosini Aurivillius, 1912
- Dryobiini Arnett, 1962
- Eburiini Blanchard, 1845
- Ectenessini Martins, 1998
- Elaphidiini Thomson, 1864
- Eligmodermini Lacordaire, 1868
- Erlandiini Aurivillius, 1912
- Eroschemini Lacordaire, 1868
- Eumichthini Linsley, 1940
- Gahaniini Quentin and Villiers, 1969
- Glaucytini Lacordaire, 1868
- Graciliini Mulsant, 1839 EU
- Hesperophanini Mulsant, 1839 EU
- Hesthesini Pascoe, 1868
- Heteropsini Lacordaire, 1869 EU
- Holopleurini Chemsak and Linsley, 1974
- Holopterini Lacordaire, 1868
- Hyboderini Linsley, 1940
- Hylotrupini Zagajkevich, 1991 EU
- Ibidionini Thomson, 1861
- Ideratini Martins and Napp, 2009
- Lissonotini Swainson and Shuckard, 1840
- Lygrini Sama, 2008
- Macronini Lacordaire, 1868
- Megacoelini Quentin and Villiers, 1969
- Methiini Thomson, 1860
- Molorchini Gistel, 1848 EU
- Mythodini Lacordaire, 1868
- Necydalopsini Lacordaire, 1868
- Neostenini Lacordaire, 1868
- Obriini Mulsant, 1839 EU
- Ochyrini Pascoe, 1871
- Oedenoderini Aurivillius, 1912
- Oemini Lacordaire, 1868
- Opsimini Leconte, 1873
- Paraholopterini Martins, 1997
- Phalotini Lacordaire, 1868
- Phlyctaenodini Lacordaire, 1868
- Phoracanthini Newman, 1840 EU
- Phyllarthriini Lepesme and Breuning, 1956
- Piesarthriini Mckeown, 1947
- Piezocerini Lacordaire, 1868
- Platyarthrini Bates, 1870
- Plectogastrini Quentin and Villiers, 1969
- Plectromerini Nearns and Branham, 2008
- Pleiarthrocerini Lane, 1950
- Protaxini Gahan, 1906
- Prothemini Lacordaire, 1868
- Psebiini Lacordaire, 1868 EU
- Pseudocephalini Aurivillius, 1912 (1861)
- Psilomorphini Lacordaire, 1868
- Pteroplatini Thomson, 1861
- Pyrestini Lacordaire, 1868
- Rhagiomorphini Newman, 1841
- Rhinotragini Thomson, 1861
- Rhopalophorini Blanchard, 1845
- Rosaliini Fairmaire, 1864 EU
- Sestyrini Lacordaire, 1868
- Smodicini Lacordaire, 1869
- Spintheriini Lacordaire, 1869
- Stenhomalini Miroshnikov, 1989 EU
- Stenoderini Pascoe, 1867
- Stenopterini Gistel, 1848 EU
- Strongylurini Lacordaire, 1868
- Tessarommatini Lacordaire, 1868
- Thraniini Gahan, 1906
- Thyrsiini Marinoni and Papp, 1984
- Tillomorphini Pascoe, 1869
- Torneutini Thomson, 1861
- Trachyderini Dupont, 1836
- Tragocerini Pascoe, 1868
- Trichomesiini Aurivillius, 1912
- Tropocalymmatini Lacordaire, 1868
- Typhocesini Lacordaire, 1868
- Unxiini Napp, 2007
- Uracanthini Blanchard, 1853
- Vesperellini Sama, 2008
- Xystrocerini Blanchard, 1845
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c Petr Svacha and John F. Lawrence: Cerambycidae. In Niels P. Kristensen & Rolf G. Beutel (editors): Handbook of Zoology. Arthropoda: Insecta, Coleoptera, Beetles. Volume 3: Morphology and Systematics (Phytophaga). Walter de Gruyter, Berlin und Boston 2014. ISBN 978-3-11-027370-0. Cerambycinae S. 144–147.
- ↑ a b c Marcela L. Monné and Miguel A. Monné: General Morphology, Classification, and Biology of Cerambycidae. Chapter 1 in Qiao Wang (editor): Cerambycidae of the world : biology and pest management. Boca Raton 2017, ISBN 978-1-315-31324-5.
- ↑ Karl Wilhelm Harde: 87. Fam. Cerambycidae. In: H. Freude, K. W. Harde, G. A. Lohse (Herausgeber): Die Käfer Mitteleuropas, Band 9. Goecke & Evers Verlag, Krefeld 1966.
- ↑ Robert A. Haack: Feeding Biology of Cerambycids. Chapter 3 in Qiao Wang (editor): Cerambycidae of the world : biology and pest management. Boca Raton 2017, ISBN 978-1-315-31324-5.
- ↑ Stephanie Haddad, Seunggwan Shin, Alan R. Lemmon, Emily Moriarty Lemmon, Petr Svacha, Brian Farell, Adam Ślipiński, Donald M. Windsor, Duane D. Mckenna: Anchored hybrid enrichment provides new insights into the phylogeny and evolution of longhorned beetles (Cerambycidae). Systematic Entomology 43 1, 2018, S. 68–89. doi:10.1111/syen.12257
- ↑ R. Rossa & J. Goczał (2021): Global diversity and distribution of longhorn beetles (Coleoptera: Cerambycidae). European Zoological Journal 88 (1): 289–302. doi:10.1080/24750263.2021.1883129
- ↑ Yves Bousquet, Daniel J. Heffern, Patrice Bouchard, Eugenio H. Nearns (2009): Catalogue of family-group names in Cerambycidae (Coleoptera). Zootaxa 2321: 1–80. doi:10.11646/zootaxa.2321.1.1
- ↑ Mikhail L. Danilevsky: A check-list of Longicorn Beetles (Coleoptera, Cerambycoidea) of Europe. updated 02.03.2021. 39 Seiten pdf download bei http://www.cerambycidae.net, by Mikhail Leontievitch Danilevsky.