Die Chapelloise ist ein traditioneller Volkstanz mit Partnerwechsel (sogenannter Mixer), der zum Standardrepertoire im Bal Folk gehört.

Der französische Name, unter dem dieser Tanz auch in Deutschland bekannt ist, wird auf den Ort Chapelle-des-Bois zurückgeführt. Wie Guilcher 1998[1] berichtet, soll dort in den 1970er Jahren dieser Tanz von André Dufresne unterrichtet worden sein, und da sich dieser nicht mehr an den ursprünglichen Namen des Tanzes erinnern konnte, wurde der Tanz nach dem Veranstaltungsort bei Lausanne benannt.[2]

Vielfach wird behauptet, dieser Tanz, der in Frankreich zuerst in den 1930er Jahren von der Britin Alick-Maud Pledge eingeführt wurde, sei schwedischen Ursprungs oder hieße im Original „Aleman's marsj“ (so von einigen Autoren, die zuerst den Versuch gestartet haben, der Frage der Herkunft des Tanzes nachzugehen wie z. B. Guilcher 1998[3], Oosterveen 2002[4], und ihnen nachfolgend wie Largeaud 2011[5]). Jedoch ist die Schreibweise „marsj“ nicht schwedisch, sondern norwegisch und der Tanz wird sowohl in schwedischen[6] als auch in dänischen[7] als auch in norwegischen[8] Tanzsammlungen stets als „All American Promenade“ geführt; ein Name, den auch Oosterveen 2002[9] nennt und eine skandinavische Herkunft erwähnt.

Sowohl dieser Titel, als auch die Ähnlichkeit der Figuren dieses Tanzes mit anderen britischen/amerikanischen Mixern, als auch die Unähnlichkeit mit den in Schweden üblichen Volkstänzen[10] lassen eine nicht schwedische Provenienz des Tanzes vermuten. Wobei man auch vermuten kann, dass die Mode der partnerwechselnden Figurentänze im bürgerlichen Tanzmilieu Skandinaviens (Schwedens?) mit dieser Choreographie einen Beleg haben könnte. Der Hinweis darauf, dass die Schreibweise „marsj“ nicht schwedisch ist, erscheint hier am plausibelsten.

Weitere Belege zur Frage der Herkunft und zur Namensgebung: In Dänemark wird der Tanz gelegentlich auch als „Gärdeby Gånglåt“[11] bezeichnet, da er häufig zur Marschmelodie desselben Namens getanzt wird, die von Anders Olsson (1865–1952) komponiert wurde. Die norwegische Volkstanzsammlerin Hulda Garborg (1862–1934) soll den Tanz in den USA kennengelernt haben, jedoch taucht die Tanzbeschreibung in norwegischer Tanzliteratur erst viel später auf[12]. In Belgien wird derselbe Volkstanz „Aapje“ genannt (eine Abkürzung für „All American Promenade“), oder auch einfach nur „Jig“ bzw. „Gigue“ nach der zum Tanz gespielten Musik[13]. In deutschen Tanzsammlungen kann der Tanz gleichfalls unter „All American Promenade“ gefunden werden.

Gelegentlich wird angeführt, der Tanz sei in den 1960er Jahren vom Amerikaner Jim Arkness choreographiert worden[14]; in den USA wurde jedoch eine Beschreibung dieses Tanzes bereits 1953 publiziert[15]. In England und Schottland gibt es einen ähnlichen Tanz namens „Gay Gordons“, der bereits 1907 erwähnt wurde[16], 1950 allen lokalen Tänzern in Aberdeen geläufig war[17] und 1959 beschrieben wurde[18]. Die ersten acht Takte dieses Tanzes sind mit der Chapelloise identisch, doch fehlt im „Gay Gordons“ der für die Chapelloise typische Partnerwechsel im B-Teil. So ist er auch als „Progressive Gay Gordons“ benannt worden. Man kann auch vermuten, dass diese Figuren für neue Choreographien eingesetzt und/oder variiert wurden und somit ein eigener Tanz entstand, der dem „Gay Gordons“ ähnlich ist, aber dennoch neu komponiert und neu benannt.

Es bleiben also weiterhin einige Fragen offen.

Einzelnachweise

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  1. Yvon Guilcher (1998): La danse traditionnelle en France d'une ancienne civilisation paysanne à un loisir revivaliste. Librairie de la Danse, FAMDT, Courlay.
  2. Fiches de danse folk – Chapelloise (Aleman’s marsj). In: cancoillottefolk.com. Archiviert vom Original am 22. August 2012; abgerufen am 1. Oktober 2023 (französisch).
  3. Yvon Guilcher (1998): La danse traditionnelle en France d'une ancienne civilisation paysanne à un loisir revivaliste. Librairie de la Danse, FAMDT, Courlay.
  4. Corinna Oosterveen (2002): La Chapelloise oder der Aleman's Marsj und seine 13 Namen. In: Marianne Bröcker (Hrsg.): Die Dimension der Bewegung in traditioneller Musik. Tagungsband 11 des International Council for Traditional Music. UNESCO 16./17. Februar 2001. Universität Bamberg
  5. Jacques Largeaud (2011): Manuel du professeur de danses. Books on Demand GmbH, Norderstedt. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  6. All American promenade. In: folkdansaren.se. Abgerufen am 15. Januar 2015.
  7. Hanna Rasmussen, Rickey Holden (1979): Kom og dans. Edition Egtved. Seite 9.
  8. Liv Ingrid Grov: HSH – Danseglede. In: ans.hsh.no. Archiviert vom Original am 1. Juli 2012; abgerufen am 1. Oktober 2023 (norwegisch).
  9. Corinna Oosterveen (2002): La Chapelloise oder der Aleman's Marsj und seine 13 Namen. In: Marianne Bröcker (Hrsg.): Die Dimension der Bewegung in traditioneller Musik. Tagungsband 11 des International Council for Traditional Music. UNESCO 16./17. Februar 2001. Universität Bamberg
  10. Svenska ungdomsringen för bygdekultur (1981): Svenska folkdanser. Stockholm, 2001 Beskrivning av svenska folkdanser / Beskrivning av svenska folkdanser. In: runeberg.org. Abgerufen am 15. Januar 2015 (schwedisch).
  11. Dance description, Gärdeby gånglåt, Denmark. In: lavigne.dk. Abgerufen am 15. Januar 2015.
  12. Klara Semb (1991): Norske folkedansar. Turdansar. Norges boklag/Det norske samlaget, Oslo.
  13. Source: Waarom dansen wij het Aapje op een jig? In: folkroddels.be. Abgerufen am 15. Januar 2015.
  14. Rolf Groeneveld (2006): Dansen van het bal folk (8): de jig. In: New Folk Sounds 103, Februar/März 2006.
  15. The Physical Educator of Phi Epsilon Kappa Fraternity. 1953: S. 57–60 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  16. Christine Martin (2002): Traditional Scottish Fiddling. Taigh na Teud Music Publishers, 13 Upper Breakish, Isle Of Skye.
  17. The Scots Magazine. A Monthly Miscellany of Scottish Life and Letters. Saint Andrew Society, Glasgow, Strathclyde. 1950, p.464.
  18. Douglas Neil Kennedy, Helen Kennedy (1959): Handing on. A Guide to Country Dancing for Popular Use. English Folk Dance and Song Society, London