Chephren-Pyramide

Zweithöchste der Pyramiden von Gizeh

Die altägyptische Chephren-Pyramide ist die zweithöchste der Pyramiden von Gizeh und zugleich die zweithöchste aller ägyptischen Pyramiden. Trotzdem erscheint sie höher als die Cheops-Pyramide, was an dem steileren Neigungswinkel und dem etwas höheren Untergrund liegt. Wie alle Pyramiden von Gizeh wurde sie in der 4. Dynastie um 2550 v. Chr. erbaut und erhielt den Namen Wer Chaefre (‚Chaefre ist groß‘).

Chephren-Pyramide
Ägyptischer Name
raxaf
wrO24
Wer Chaefre
Wr Ḫˁi=f-Rˁ(w)
Chephren ist groß / Größe / Großartigkeit Chephrens[1]
(mit Determinativ für Pyramide)
Daten
Ort Gizeh
Erbauer Chephren
Bauzeit 4. Dynastie
Basismaß 215 m
Höhe (ursprünglich) 143,5 m
Höhe (heute) 136,4 m
Volumen 2.211.096 m³
Neigung 53° 10′
Kultpyramide ja
Königinnenpyramiden keine

Pharao Chephren (auch Chaefre), der hier bestattet wurde, war der Halbbruder seines Vorgängers Radjedef (alternative Lesung Djedefre) und Sohn von Pharao Cheops (auch Chufu), der ebenfalls in Gizeh begraben wurde. Auf dem Ostfriedhof in Gizeh findet man eine große Doppelmastaba (Nr. G7130-40), die nach Stadelmann dem Königssohn Chaefchufu zuzuordnen ist. Dieser Chaefchufu änderte nach dem Tode seiner Halbbrüder Kawab und Djedefre sowie seiner Machtübernahme den Namen in Chaefre („Er erscheint wie Re“).

  • ursprüngliche Höhe: 143,87 m (275 Königsellen); 143,87/275 = 0,523 m pro Elle
  • Seitenlänge: 215,29 m (410 Königsellen); 215,29/410 = 0,525
  • gebaute Neigung:   (Ägyptische Zahlschrift), oder altägyptisches Maß = 5 Hände plus 1 Finger (Winkel in Seked.); beziehungsweise Rücksprung 21 Finger auf eine Elle[2]

Die Daten der Pyramide (ursprüngliche und heutige Höhe, Seitenlänge, Böschungswinkel) sind Angaben von Flinders Petrie aus dem Jahr 1880.

Die Pyramide

Bearbeiten

Die Chephren-Pyramide liegt südwestlich derjenigen seines Vaters und damit in der Mitte der drei Pyramiden von Gizeh auf einer Terrasse. Die Stufen der Nordwestecke der Basis sind etwa 10 m in den Felsen eingehauen, die gegenüber liegende Südostecke wurde massiv hochgemauert, um das leichte Gefälle der Terrasse auszugleichen. Der Steinbruch für das Baumaterial liegt unmittelbar vor Ort. Die waagerecht verlegten Steinlagen sind grob behauen, die Fugen sehr breit, und oft fehlt der Mörtel; der Pyramidenkern ist handwerklich deutlich schlechter ausgeführt als bei der Cheops-Pyramide.

Die Verkleidung der beiden unteren Lagen bestand aus Granit, die weitere Verkleidung aus Kalkstein.

An der Spitze der Chephren-Pyramide sind noch Reste der Verkleidung vorhanden, das Pyramidion existiert nicht mehr.

Aufgrund der fortschreitenden Erosion wurde die erhaltene Kalksteinverkleidung von italienischen Fachleuten untersucht. Bei dieser Gelegenheit wurden starke Verschiebungen der Eckkanten registriert und mittels Computersimulation auch Erdbeben als Ursache ermittelt.

Bereits in der 19. Dynastie hat Ramses II. mit dem Steinraub begonnen. Er verwendete die Kalksteinverkleidung für den Bau eines Tempels in Heliopolis (Felsinschriften des Vorstehers der Tempelarbeiten Maj).

Zwischen den Jahren 1356 und 1362 entfernte man weitere Teile der Verkleidung für den Bau der Sultan-Hasan-Moschee in Kairo.

Die Substruktur

Bearbeiten
 
Querschnitt durch die Chephren-Pyramide

Die Pyramide besitzt zwei absteigende Zugänge im Norden. Beide liegen übereinander, der obere beginnt 11,5 m über der Grundfläche. Das untere Gangsystem zu den Kammern beginnt außerhalb der Basis in einer horizontalen Entfernung von über 8 m zur Nordkante.[3] Die untere Passage mündet in einen horizontalen Stollen, von dem eine Nebenkammer abzweigt (10,41 m × 3,12 m, 2,61 m hoch). Es wird vermutet, dass diese Kammer die gleiche Funktion wie die sogenannte Königinnenkammer der Cheops-Pyramide hatte. Hinter dem horizontalen Stollen steigt die Passage wieder an und trifft knapp unter Bodenniveau auf den von oben kommenden zweiten Zugang. Der Gang verläuft nunmehr waagerecht zur Grabkammer im Zentrum des Bauwerks.

Die Grabkammer misst 14,15 m × 5 m und hat eine Höhe von 6,83 m. Die Decke besteht aus mächtigen, schräg liegenden Kalksteinbalken, die Wände bestehen bereits aus gewachsenem Fels. Bis auf Belzonis Graffito ist die Kammer unbeschriftet und enthält nur noch den Sarkophag aus Granit, der halb in den Boden eingelassen ist. Der an einer Ecke angebrochene Schiebedeckel lag in der Kammer[4][5], aufgefundene Knochen stammten von Stieren. Ein kleiner Schacht im Boden barg wahrscheinlich die Kanopen. Es ist anzunehmen, dass die Pyramide bereits erstmals in der Ersten Zwischenzeit beraubt wurde. Der Historiker Ibn Abd as-Salam vermerkt eine weitere Öffnung der Pyramide im Jahr 774 nach islamischer Zeitrechnung (= 1372 n. Chr.), doch wurde der Zugang anscheinend wieder verschlossen.

Am 2. März 1818 wurde die Grabkammer von Belzoni wiederentdeckt. Gegenüber dem prächtigen Kammersystem des Cheops wirkt die bislang entdeckte Struktur des Chephren jedoch eher einfach.

Der Pyramidenbezirk

Bearbeiten
 
Die Sphinx vor der Chephren-Pyramide
 
Statue des Königs Chephren (JE 10062)

Die Pyramide wurde von einer massiven Umfassungsmauer umgeben, die allseits einen über 10 m breiten gepflasterten Hof bildete. Weiter nördlich, westlich und südlich lokalisierte man Wallreste, die wohl die Abgrenzung des ganzen Komplexes bildeten. Auf der Südseite, außerhalb der Umfassungsmauer, liegen die Reste einer Nebenpyramide (Nr. G2a). Es ist strittig, ob es sich bei dieser Pyramide um eine Kultpyramide oder das Grab einer Gemahlin des Chephren handelt.

Wie seit Snofru üblich, besitzt auch die Chephren-Pyramide die Dreiteilung Taltempel, Aufweg und Totentempel. Der Totentempel ist östlich der Pyramide vorgelagert. Der König hat hier erstmals ein neues Baumuster eingeführt, das alle folgenden Totentempel aufweisen:

  • Eine Eingangshalle,
  • einen offenen Säulenhof,
  • fünf Nischen für Königsstatuen (Statuenkapellen),
  • fünf Kammern als Magazine,
  • das Allerheiligste mit Scheintüre und/oder Stelenpaar.

Der Tempel war aus örtlichem Kalkstein errichtet, im Inneren mit Granit ausgekleidet und mit farbigen Reliefdekorationen versehen. Die Pfeiler des Hofes bestanden ebenfalls aus Granit. Bruchstücke beweisen, dass der Tempel mit zahlreichen Statuen des Königs versehen war, von denen einige 3,75 m hoch gewesen sein sollen.

Der 495 m lange Aufweg zwischen Tal- und Totentempel ist nur noch in Resten erhalten. Er bestand wahrscheinlich aus einem gedeckten Korridor aus Kalksteinen, außen mit Granit verkleidet und im Inneren mit Reliefs verziert. Der Aufweg verläuft nicht gerade auf der Ost-West-Achse, sondern ist leicht verschoben, um nicht mit der Sphinx in Konflikt zu geraten. Einige Ägyptologen sehen darin den Nachweis, dass die Sphinx bereits vor der Regierungszeit des Chephren geschaffen wurde.

Der Taltempel der Chephren-Pyramide liegt unmittelbar neben dem Sphinx-Tempel am ehemaligen, antiken Hafenkai des Pyramidenbezirks. Der bauliche Zustand ist heute noch ausgezeichnet. Errichtet wurde er aus großen Kalksteinblöcken, die mit polierten Granitplatten verkleidet wurden.

Der Zugang erfolgte vom Kai her über zwei Pforten, die früher mit riesigen Türen aus Zedernholz verschlossen waren. Beide Eingänge münden in eine Querhalle, von der ein zentraler Gang in eine große, T-förmige Pfeilerhalle führt. Die 16 Säulen bestehen aus Granitmonolithen und trugen das Dach. Die Beleuchtung erfolgte durch schmale Schlitze im oberen Teil der Wände. Der Fußboden bestand aus weißem Alabaster. In dieser Halle waren an den Seiten 23 oder 24 Königsstatuen aufgestellt. Eine dieser Statuen besteht aus Diorit und wurde in sehr gut erhaltenem Zustand von Auguste Mariette gefunden und ist heute im Ägyptischen Museum von Kairo zu sehen. Die übrigen Statuen waren mehr oder weniger zerstört. Von ihnen befindet sich der Kopf einer Statue im Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim.

Der Aufweg zum Totentempel beginnt ebenfalls in der Pfeilerhalle.

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
Allgemeines
  • Miroslav Verner: Die Pyramiden (= rororo-Sachbuch. Band 60890). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60890-1, S. 254–264.
  • Mark Lehner: Geheimnis der Pyramiden. Econ, Berlin 1997, ISBN 3-572-01261-9, S. 122–132.
  • Zahi Hawass: Giza, Khafre pyramid complex. In: Kathryn A. Bard (Hrsg.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 342–45.
  • Zahi Hawass: Die Schätze der Pyramiden. Weltbild-Verlag, Augsburg 2003, ISBN 3-8289-0809-8, S. 130–133.
  • Uvo Hölscher, Georg Steindorff: Die Ausgrabung des Totentempels der Chephrenpyramide durch die Sieglin-Expedition 1909. In: Georg Steindorff (Hrsg.): Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde. Band 46. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1909, S. 1–12 (Digitalisat [abgerufen am 12. April 2016]).
  • Uvo Hölscher: Das Grabdenkmal des Königs Chepren (= Veröffentlichungen der Ernst von Sieglin Expedition in Ägypten. Band I). Leipzig 1912 (Onlineversion).
  • Frank Müller-Römer: Der Bau der Pyramiden im alten Ägypten. Utz, München 2011, ISBN 978-3-8316-4069-0.
  • Rainer Stadelmann: Die ägyptischen Pyramiden. Vom Ziegelbau zum Weltwunder (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Band 30). 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, von Zabern, Mainz 1991, ISBN 3-8053-1142-7, S. 130–140.
  • Rainer Stadelmann: Die großen Pyramiden von Giza. Akademische Druck- u. Verlagsanstalt, Graz 1990, S. 1, 76–191.
  • Giovanni Battista Belzoni: Narrative of the operations and recent discoveries within the pyramids, temples, tombs and excavations, in Egypt and Nubia ... : With plates. London 1820 OCLC 186860178, S. 271 (online im Internet Archive.).
Detailfragen
  • Dieter Arnold: Zur Zerstörungsgeschichte der Pyramiden: Ein Vortrag. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo. (MDAIK) Band 47, 1991, S. 21–27.
  • Jürgen Becker: Der Bau der Chephren-Pyramide. In: Sokar. Nr. 10, 2005, S. 24–37.
  • Jürgen Becker: Die Chephren-Pyramide. Ihre Baugeschichte von der topographischen Situation am Standort vor Baubeginn bis zum Plan des Kammersystems. In: Sokar. Nr. 9, 2004, S. 18–27.
  • Jürgen Becker: Die Chephren-Pyramide. Planänderung des Baukörpers und ihre Auswirkung auf das Kammersystem. In: Sokar. Nr. 8, 2004, S. 8–17.
  • John A. R. Legon: The Design of the Pyramid of Khaefre. In: Göttinger Miszellen. (GM) Band 110, 1989, S. 27–34.
Bearbeiten
Commons: Chephren-Pyramide – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Roman Gundacker: Zur Struktur der Pyramidennamen der 4. Dynastie. In: Sokar. Nr. 18, 2009, S. 26–30.
  2. F. Müller-Römer: Der Bau der Pyramiden im alten Ägypten. Utz, München 2011, ISBN 978-3-8316-4069-0, S. 183.
  3. Jürgen Becker: Die Chephren-Pyramide. In: Sokar. Nr. 8, 2004, S. 7.
  4. Die Pyramide des Chephren. Reisebericht von Giovanni Belzoni In: Peter A. Clayton: Das wiederentdeckte Alte Ägypten in Reiseberichten u. Gemälden d. 19. Jh. Gondrom, Bindlach 1987, ISBN 3-8112-0554-4. (Memento vom 1. Juli 2007 im Internet Archive)
  5. Giovanni Belzoni: Narrative of the operations and recent discoveries within the pyramids, temples, tombs and excavations, in Egypt and Nubia ... London 1820, Abschnitt: RESEARCHES AND OPERATIONS IN EGYPT, NUBIA, &c SECOND JOURNEY. S. 271 (online im Internet Archive.)

Koordinaten: 29° 58′ 33,1″ N, 31° 7′ 49,3″ O