Chinguetti
Chinguetti (arabisch شنقيط, DMG Šinqīṭ), auch Changuit, Schinguete, Singuyty, ist ein historischer Handelsposten und nach der Volkszählung des Jahres 2000 ein Ort mit 4711 Einwohnern.[1] in der Region Adrar im Nordwesten von Mauretanien. Er befindet sich auf dem Adrar-Plateau etwa 70 Kilometer östlich von Atar. Chinguetti ist Hauptort des gleichnamigen Départements.
Chinguetti شنقيط | ||
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Staat: | Mauretanien | |
Region: | Region Adrar | |
Koordinaten: | 20° 27′ N, 12° 22′ W | |
Einwohner: | 4.370 | |
Zeitzone: | GMT (UTC±0) | |
Überblick
BearbeitenDie gut erhaltenen Ruinen des Handelspostens (arabisch Ksar) sind seit 1996 zusammen mit Ouadane, Tichitt and Oualata eine Stätte des UNESCO-Weltkulturerbes.[2] Das einstige Zentrum mehrerer durch die Sahara verlaufender Handelsrouten zieht Touristen und weiterhin Islamgelehrte an, die ihre Architektur und die alten Bibliotheken bewundern.
Die ortsübliche Architektur der älteren Stadtteile besteht aus Häusern aus Stein und Lehm mit Patios, die sich an schmalen Gassen jeweils um eine Moschee mit Minarett drängen.
Sehenswert sind unter anderem die Freitagsmoschee, eine ehemalige Festung der französischen Fremdenlegion – ein nationales Symbol Mauretaniens – und ein Wasserturm. In der Altstadt befinden sich fünf alte Bibliotheken mit wissenschaftlichen und Korantexten, viele von ihnen aus dem Spätmittelalter.
Geschichte
BearbeitenDie Region Chinguetti ist bereits seit Jahrtausenden bewohnt. Früher war sie Savanne. Höhlenmalereien am nahe gelegenen Amoghar-Pass zeigen Bilder von Giraffen, Kühen und Menschen in einer grünen Landschaft, die sich stark von der heutigen Wüstenlandschaft unterscheidet.
Die Stadt wurde möglicherweise im 11. Jahrhundert von einer berberischen Stammesgruppe der Sanhadscha gegründet.[3] Bald nach der Besiedelung von Chinguetti traten nach der Legende die Sanhadscha mit den Almorawiden in Verbindung und verschmolzen schließlich mit ihnen. Die Almorawiden waren Gründer des Maurenreiches, das sich vom heutigen Senegal bis Spanien erstreckte. Die nüchterne, schnörkellose Architektur der Stadt reflektiert den strengen, malikitischen Islam der Almorawiden.
Nach zwei Jahrhunderten des Niedergangs wurde die Stadt faktisch neu gegründet, dieses Mal als befestigtes Zentrum des Transsaharahandels zwischen dem Mittelmeer und dem Inneren Afrikas. Gehandelt wurde u. a. mit in der Nähe gewonnenem Salz. Obwohl die Festungsmauern bereits seit Jahrhunderten verschwunden sind, datieren viele Gebäude noch aus dieser Zeit.
Chinguetti wird manchmal als die siebtheiligste Stadt des Islams bezeichnet. In jedem Fall ist die Stadt eine der bedeutendsten Städte der Geschichte des Islams wie auch Westafrikas. Über Jahrhunderte war die Stadt der wichtigste Sammelplatz der Mekka-Pilger aus dem Maghreb und wurde mit der Zeit selbst eine heilige Stadt, besonders für diejenigen, die den langen Weg zur arabischen Halbinsel selbst nicht antreten konnten. Auch wurde sie ein Zentrum der islamischen, religiösen und wissenschaftlichen Gelehrsamkeit. Zusätzlich zur religiösen Ausbildung wurde an den Schulen Rhetorik, Recht, Astronomie, Mathematik und Medizin gelehrt. Für viele Jahrhunderte war ganz Mauretanien in der arabischen Welt als „Bilad Shinqit“, „Das Land von Chinguetti“ bekannt.
Die Entvölkerung der Stadt beschleunigte sich durch Abwanderung in die Bergbauregion Zouérat–F’dérik sowie durch den Westsaharakonflikt in den 1970er-Jahren. Seit den 1980er-Jahren begannen erste Restaurierungsarbeiten. Heute weitgehend der Wüste überlassen, besitzt die Stadt einige der wichtigsten mittelalterlichen Manuskriptbüchereien Westafrikas, die sich überwiegend in Privatbesitz befinden.[4][5] Das Gebiet um die Rue des Savants war einstmals bekannt als Versammlungsplatz der Gelehrten, die die feineren Details des islamischen Rechts diskutierten. Heute zeigen die verlassenen Straßen die städtische und religiöse Architektur des Mittelalters.
Das neu entdeckte Offshore-Ölfeld Mauretaniens wurde zu Ehren der Stadt Chinguetti genannt.
Söhne und Töchter der Stadt
Bearbeiten- Ahmad ibn Al-Amin Al-Shinqiti (1863–1913), einer der berühmtesten Schriftsteller Mauretaniens
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Anthony G. Pazzanita: Historical Dictionary of Mauritania. 3. Auflage. The Scarecrow Press, Lanham (Maryland), Toronto, Plymouth 2008, S. 110f
Weblinks
Bearbeiten- Eintrag auf der Website des Welterbezentrums der UNESCO (englisch und französisch).
- Mauritania Today – Chinguetti (englisch)
- Mauritania’s Manuscripts. Saudi Aramco World, November/Dezember 2003 (englisch)
- Palatin’s Travels – Chinguetti (englisch)
- UNESCO-Weltkulturerbe (englisch)
- Stephan Ehlert: Die Wüste frisst ein Kulturerbe. Deutschlandradio Kultur, 26. Juli 2010
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Anthony G. Pazzanita, 2008, S. 111
- ↑ UNESCO World Heritage Centre: Ancient Ksour of Ouadane, Chinguetti, Tichitt and Oualata. Abgerufen am 21. August 2017 (englisch).
- ↑ Chinguetti. ArchNet
- ↑ Stefan Ehlert Wüstensand bedroht Jahrhunderte alte Schriften. ( vom 7. Juli 2010 im Internet Archive) tagesschau.de, 4. Juli 2010.
- ↑ Ulrich Rebstock, Rainer Osswald, A. Wuld ʿAbdalqadir: Katalog der arabischen Handschriften in Mauretanien (= Beiruter Texte und Studien Bd. 30). Beirut 1988 (in Kommission bei Franz Steiner Verlag Wiesbaden–Stuttgart).