Christoph Meiners
Christoph Meiners (* 31. Juli 1747 in Warstade; † 1. Mai 1810 in Göttingen) war Philosoph, Ethnograph, Professor der Weltweisheit in Göttingen und ein Vertreter der Popularphilosophie.
Leben
BearbeitenEr wurde als Sohn eines Postmeisters geboren. Am Gymnasium in Bremen war er bei seinen Mitschülern wegen seines erzählerischen Talents beliebt. Von 1767 bis 1770 war er an der Göttinger Universität immatrikuliert, wo er seine Arbeiten vorwiegend im Selbststudium betrieb. Manisches Lesen und besessenes Exzerpieren waren ihm zeitlebens die liebsten Beschäftigungen. Er betrachtete die Psychologie als Grundlage der Philosophie.
1772 veröffentlichte er anonym die Schrift Revision der Philosophie, in der er die „esoterische Philosophie“ (verkörpert durch Pythagoras) von der exoterischen Philosophie unterschied, die sich an die politischen Verhältnisse anpassen müsse. Gleichwohl fühle sich auch der esoterische Philosoph der Aufklärung verpflichtet: „Die Sonne erwärmt den Erdkreis auch dann, wann sie hinter den Wolken verborgen ist: ebenso kann die Art zu denken und zu urteilen das Publicum aufklären, wenn der Esoteriker gleich die ersten Principia, auf welchen er gründet, nicht sehen lässt.“
Trotz aller Sonderlichkeit wurde er 1772 in Göttingen zum außerordentlichen Professor und 1775 zum ordentlichen Professor der Philosophie ernannt. Er vermittelte Reichs- und europäische Staatengeschichte.
In seinem Grundriß der Geschichte der Menschheit von 1785 übernahm und popularisierte er die von dem Anthropologen Johann Friedrich Blumenbach eingeführte, rassentheoretische Unterscheidung, dass „das gegenwärtige Menschengeschlecht aus zween Hauptstämmen bestehe, dem (…) Kaukasischen, und dem Mongolischen Stamm: daß der letztere nicht nur viel schwächer von Cörper und Geist, sondern auch viel übel gearteter und tugendleerer (…) sey“.[1]
Sein Widersacher war der Naturforscher Georg Forster.
1788 wurde er, zum Missfallen seines Kollegen Georg Christoph Lichtenberg, in den Rang eines Hofrats erhoben. Seit 1808 war er auswärtiges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Von 1788 bis 1791 gab er zusammen mit Johann Georg Heinrich Feder die Philosophische Bibliothek heraus.
Ferner gab er von Januar 1787 bis August 1791 zusammen mit Ludwig Timotheus Spittler das Göttingische Historische Magazin heraus. Nach Beginn der Französischen Revolution 1789 setzte er sich über Freiheitsrechte von „Negern“ jenseits und Juden diesseits des Atlantik auseinander.
Sein Werk Über die Verfassung, und Verwaltung teutscher Universitäten (Göttingen 1801–1802) diente als Vorbild der Statuten der russischen Universitäten Dorpat (Tartu), Moskau, Charkow und Kasan. Meiners' 1801 veröffentlichte Kurze Geschichte und Beschreibung der Stadt Göttingen[2] galt lange als ernsthafte Schilderung eines „Göttinger Historikers“, bis sie von Sabine Kastner 1988 in Teilen in Frage gestellt werden konnte: Meiners zeichnete für die (selbst nicht erlebte) Zeit vor 1734 ein Negativbild der Stadt, um insbesondere die vorteilhaften Folgen der Universitätsgründung herauszustellen.[3]
Ab 1803 war Meiners als Berufungsagent des Kurators der Moskauer Universität, Michail Murawjow tätig. Meiners vermittelte eine Reihe von Göttinger Wissenschaftlern an die Moskauer Universität, so 1803 den Mathematiker Ide, den Philosophen Reinhard, den Statistiker Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann. Es folgten der Philologe Johann Gottlieb Buhle (1763–1821), der Chemiker Reuss (oder Reiss), der Botaniker Hoffmann, der Jurist Christian Steltzer sowie der Mediziner und Naturforscher Gotthelf Fischer von Waldheim.
Als Zuträger berichtete er in der Franzosenzeit verdeckt an Johannes von Müller, bei der Regierung in Kassel Staatsminister und 1808/09 Direktor des öffentlichen Unterrichts im Königreich Westphalen unter König Jérôme, über die Aktivitäten der Landsmannschaften unter den Göttinger Studenten und andere „Missstände“ an der Georgia-Augusta.[4] Dabei machte er auch vor Berichten über den in studentischen Fragen gemäßigten amtierenden Prorektor, den Professor Johann Gottfried Eichhorn, nicht halt.[5] Auch Eichhorns Nachfolger Karl Friedrich Stäudlin wird als Gegenstand der Berichterstattung eingehend kommentiert.[6]
Schriften (Auswahl)
Bearbeiten- Revision der Philosophie. 1772, anonym.
- Versuch über die Religionsgeschichte der ältesten Völker, besonders der Egyptier. Göttingen 1775.
- Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom 1781, 2 Bände.
- Geschichte des Luxus der Athenienser von den ältesten Zeiten an bis auf den Tod Philipps von Makedonien. 1782.
- Grundriß der Geschichte der Menschheit. 1785 (Digitalisat)
- 2. Auflage. 1793 (Digitalisat)
- Beschreibung Alter Denkmäler in Allen Theilen Der Erde. 1786.
- Grundriß der Geschichte der Weltweisheit. Verlag der Meyerschen Buchhandlung, Lemgo 1786.
- Grundriß der Theorie und Geschichte der schönen Wissenschafften. 1787 (Digitalisat)
- Nachrichten über die neuesten Verbesserungen des Julius-Hospitals in Würzburg. In: Göttingisches Historisches Magazin. Band 1, 1787, S. 441–469.
- Ueber den thierischen Magnetismus. 1788.
- Geschichte des weiblichen Geschlechts. 1788–1800. (Digitalisat: Band 1)
- Anweisungen für Jünglinge zum eigenen Arbeiten[,] besonders zum Lesen, Excerpiren, und Schreiben. Helwing, Hannover 1789.
- Ueber die Natur der afrikanischen Neger (und die davon abhängige Befreyung, oder Einschränkung der Schwarzen). 1790. (Nachdruck hrsg. und mit einem Nachwort von Frank Schäfer: Werhahn Verlag, Hannover 2000, ISBN 3-932324-02-1).
- Aus Briefen über die Schweiz. Reisen im Sommer 1782 und 1788. 1791.
- Historische Vergleichung der Sitten, und Verfassungen, der Gesetze, und Gewerbe, des Handels, und der Religion, Wissenschaften, und Lehranstalten des Mittelalters mit denen unseres Jahrhunderts in Rücksicht auf die Vortheile, und Nachtheile der Aufklärung. 3 Bd., Helwing, Hannover 1793–1794.
- Leben Ulrichs von Hutten. 1797.
- Lebensbeschreibungen berühmter Männer aus den Zeiten der Wiederherstellung der Wissenschaften. 1797, 3 Bände.
- Allgemeine kritische Geschichte der ältern und neuern Ethik oder Lebenswissenschaft nebst einer Untersuchung der Fragen: Gibt es dann auch wirklich eine Wissenschaft des Lebens? Wie sollte ihr Inhalt, wie ihre Methode beschaffen seyn? 2 Bände. Dieterich, Göttingen 1800–1801 (2. Band unter dem Titel: Allgemeine kritische Geschichte der Ethik oder Lebenswissenschaft; (Digitalisat)
- Kurze Geschichte, und Beschreibung der Stadt Göttingen, und der umliegenden Gegend. Haude und Spencer, Berlin 1801. (Digitalisat)
- Über die Verfassung, und Verwaltung teutscher Universitäten. 2 Bände, Johann Friedrich Röwer, Göttingen 1801–1802. (Digitalisat Band 1) – Nachdruck: Scientia-Verlag, Aalen 1970, ISBN 3-511-00650-3.
- Beschreibung einer Reise nach Stuttgart und Strasburg im Herbste 1801. 1803.
- Allgemeine und kritische Geschichte der Religionen. 2 Bände. Hannover 1806–1807.
- Untersuchungen über die Verschiedenheiten der Menschennaturen. 3 Bände. Cotta, Tübingen 1811–1815 (Digitalisate: Band 1, Band 2, Band 3).
Literatur
Bearbeiten- Carl von Prantl: Meiners, Christoph. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 21, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 224–226.
- Alexander Ihle: Christoph Meiners und die Völkerkunde (= Vorarbeiten zur Geschichte der Göttinger Universität und Bibliothek. Band 9). Göttingen 1931.
- Friedrich Lotter: Christoph Meiners und die Lehre von der unterschiedlichen Wertigkeit der Menschenrassen. In: Hartmut Boockmann, Hermann Wellenreuther (Hrsg.): Geschichtswissenschaft in Göttingen. (= Göttinger Universitätsschriften. A 2), Göttingen 1987, S. 30–75.
- Sabine Vetter: Wissenschaftlicher Reduktionismus und die Rassentheorie von Christoph Meiners: Ein Beitrag zur Geschichte der verlorenen Metaphysik in der Anthropologie. Mainz 1996.
- Britta Rupp-Eisenreich: Christoph Meiners’ ‚New Science‘ (1747–1810). In: Nicolas Bancel, Thomas David, Dominic Thomas (Hrsg.): The Invention of Race; Scientific and Popular Representations. London/ New York 2014, S. 68–83.
- Morgan Golf-French: Bourgeois Modernity Versus the Historical Aristocracy in Christoph Meiners’s Political Thought. In: The Historical Journal. Band 62, Nr. 4, 2018, S. 1–24. (Abschrift)
- Udo Roth: Briefe aus der Schweiz oder »Briefe über die Schweiz«? Christoph Meiners’ Briefwechsel mit Michael Hißmann im Sommer 1782. In: Karsten Engel (Hrsg.): Wissenschaft in Korrespondenzen. Göttinger Wissensgeschichte in Briefen. Göttingen 2019, S. 157–179.
- Stefan Klingner, Gideon Stiening (Hrsg.): Christoph Meiners (1747–1810). Anthropologie und Geschichtsphilosophie in der Spätaufklärung (= Werkprofile. Bd. 22). De Gruyter, Berlin / Boston 2023, ISBN 978-3-11-079488-5. (Digitalisat)
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Christoph Meiners: Grundriß der Geschichte der Menschheit. Verlag Meyersche Buchhandlung. Lemgo 1785, Vorrede, S. XXI [Original ohne Paginierung].
- ↑ Christoph Meiners: Kurze Geschichte, und Beschreibung der Stadt Göttingen, und der umliegenden Gegend. Haude und Spencer, Berlin 1801. (Digitalisat)
- ↑ Sabine Kastner: Bürgerliches Wohnen und Bauen in Göttingen. In: Hermann Wellenreuther (Hrsg.): Göttingen 1690–1755. Studien zur Sozialgeschichte einer Stadt. (= Göttinger Universitätsschriften, Serie A: Schriften. Bd. 9). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1988, ISBN 3-525-35839-3, S. 175–251, hier S. 196, 202 und 231.
- ↑ Auszugsweise bei Otto Deneke: Alte Göttinger Landsmannschaften. Göttingen 1937, S. 57 ff.
- ↑ So z. B. das Zitat bei Otto Deneke: Alte Göttinger Landsmannschaften. Göttingen 1937, S. 58 ff.
- ↑ Zitat bei Otto Deneke: Alte Göttinger Landsmannschaften. Göttingen 1937, S. 67 ff.
Personendaten | |
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NAME | Meiners, Christoph |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Philosoph |
GEBURTSDATUM | 31. Juli 1747 |
GEBURTSORT | Warstade |
STERBEDATUM | 1. Mai 1810 |
STERBEORT | Göttingen |