Das Consistoire Straßburg (seit 1919 wieder Consistoire Israélite du Bas-Rhin; CIBR), mit Sitz in der französischen Stadt Straßburg, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (établissement public du culte), die als staatlich anerkannte Dachorganisation der jüdischen Gemeinden im Département Bas-Rhin fungiert.[1] Das Konsistorium wurde wie das Consistoire central israélite und weitere zwölf regionale Konsistorien von Napoleon durch ein kaiserliches Dekret vom 15. März 1808 geschaffen. Seit 1871 untersteht es nicht mehr dem Consistoire central.

Aufgaben

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Die Konsistorien, die einen halbstaatlichen Status erhielten, sollten nach protestantischem Vorbild die inneren Angelegenheiten der jüdischen Glaubensgemeinschaft regeln. In der dreistufigen hierarchischen Struktur stand oben das Consistoire central israélite (Zentrales Konsistorium) in Paris, dem die regionalen Konsistorien (Consistoires régionaux) unterstanden, und diesen waren die einzelnen jüdischen Gemeinden (communautés juives) untergeordnet. Das Konsistorium Straßburg hat die Aufgabe, die Religionsausübung innerhalb der staatlichen Gesetze zu überwachen und die Steuern festzulegen und einzuziehen, damit die Organe der jüdischen Konfession ihre Ausgaben bestreiten können.[1]

Mitglieder

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Dem Konsistorium beigeordnet ist ein Großrabbiner und -rabbinat (grand-rabbin[at]), der geborenes Mitglied des Konsistoriums ist.[2] Dem Konsistorium gehören sechs Laienmitglieder an.[3] Sie wurden ursprünglich von jüdischen Notabeln der angeschlossenen Gemeinden gewählt. Heute wählen die Vertretungsorgane der jüdischen Gemeinden im Konsistorialbezirk die Mitglieder des Konsistoriums, die wiederum den Konsistorialpräsidenten wählen.[1][2] Die Gewählten bedürfen der Bestätigung und Ernennung durch den französischen Premierminister.[1] Den Vorsitz führt derzeit Konsistorialpräsident Francis Lévy.[2]

Zuständigkeit

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Laut dem Annuaire israélite für 1855/56 war das Konsistorium von Straßburg ausschließlich für das Département Bas-Rhin zuständig. Die angeschlossenen jüdischen Gemeinden hatten insgesamt 22.800 Mitglieder.

1871 bis 1918

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Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und der Annexion von Elsass-Lothringen durch das Deutsche Reich wurden die nun auf deutschem Gebiet liegenden regionalen Konsistorien Colmar, Metz und Straßburg beibehalten. Sie unterstanden nicht mehr dem Consistoire central in Paris, sondern regelten nach bisheriger Gewohnheit und vom deutschen Staat überwacht ihre Angelegenheiten. Wie auch Vertreter der ihrer zentralen Leitung ebenfalls verlustig gegangenen reformierten Konsistorialbezirke, mühten sich Vertreter der israelitischen Konsistorien in Elsass-Lothringen darum, eine neue zentrale Leitung für ganz Elsass-Lothringen zu bilden.[4] Im Jahr 1872 lehnte Oberpräsident Eduard von Moeller beide Ansinnen ab, da er vor der Etablierung elsass-lothringischer legislativer Organe so wenig wie möglich die bestehende Rechtslage verändern wollte.[5] Zu einem Dachverband kam es zwar nicht, aber die drei israelitischen Konsistorien galten als anerkannte Religionsgemeinschaft. Gemäß der neuen Verfassung Elsass-Lothringens von 1911 entsandten sie einen Vertreter als Mitglied der ersten Kammer des Landtags Elsass-Lothringens.[6] Bis 1915 saß Adolf Ury für die israelitischen Konsistorien im Landtag, danach bis 1919 Nathan Netter.

Nach 1918

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Als 1919 das Elsass wieder an Frankreich kam, hatten dort bereits seit 1905 im Rahmen der Trennung von Kirche und Staat die Konsistorien ihren öffentlich-rechtlichen Status verloren. Seither bestehen diese israelitischen Konsistorien als rein privatrechtliche Organe der freiwilligen Verwaltungszusammenarbeit der einzelnen jüdischen Gemeinden, organisiert nach Konsistorialbezirken, die meist mehrere Départements umfassen.

Bei der Überführung der Rechtsverhältnisse der drei (Départements Bas-Rhin, Haut-Rhin, und Moselle), die das Gebiet des ehemaligen Elsass-Lothringens bilden, verfuhr die französische Republik nach dem Grundsatz, dass alle deutschen Regelungen als regionale Besonderheiten fortbestehen, die als vorteilhafter angesehen wurden, als die entsprechende Regeln im übrigen Frankreich. So blieben in den drei Départements unter anderem die Bismarcksche Sozialversicherung – im restlichen Frankreich entstand erst später etwas Vergleichbares – sowie die bestehenden Verbindungen zwischen Staat und Religion erhalten, so z. B. auch der 26. Dezember und Karfreitag als gesetzliche Feiertage. Die vom übrigen Frankreich abweichenden Rechtsverhältnisse gelten als Droit local en Alsace et en Moselle.

Daher erheben die Religionsgemeinschaften in den drei Départements (neben den jüdischen auch die katholischen, lutherischen und reformierten Gemeinden) auch weiterhin die Gemeinde- bzw. Kirchensteuer, die von den staatlichen Finanzämtern im Direktabzug mit der Einkommensteuer eingezogen wird. Zudem haben die drei israelitischen Konsistorien im Elsass (Bas-Rhin, Haut-Rhin) und in Lothringen (Moselle) weiterhin den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts und werden daher – im Unterschied zu den rein privatrechtlichen Konsistorien im übrigen Frankreich – als consistoires concordataires bezeichnet, da ihr Status – in Analogie zum Konkordat von 1801 mit dem Heiligen Stuhl – zwischen der Republik und der jüdischen Religionsgemeinschaft im Elsass und in Lothringen geregelt ist, wie bis 1905 auch im übrigen Frankreich.

Im Jahr 1939 wurden Konsistorium und Großrabbinat nach Westen und dann in die freie Zone Frankreichs evakuiert. Das Konsistorium nahm seinen Sitz in Périgueux.[7] Das Rabbinerseminar bestand, zusammen mit dem Pariser Rabbinerseminar, bis 1943 in Limoges.[7] Großrabbiner René Hirschler amtierte ab 1940 für die exilierten Juden des Bas-Rhin von Marseille aus, bis er im Dezember 1943 verhaftet und deportiert wurde.[8] Im Jahr 1945 kehrten überlebende Gemeindemitglieder und Funktionäre ins Elsass zurück.

Bis heute bewirkt die strenge Trennung zwischen Staat und Religion im übrigen Frankreich, dass die drei konkordatären israelitischen Konsistorien nicht dem seit 1905 privatrechtlichen geregelten Consistoire central unterstehen dürfen. Jede direkte Finanzierung religiöser Gemeinschaften aus staatlich erhobener Gemeindesteuer ist im übrigen Frankreich illegal. Daher können die konkordatären Konsistorien nicht zur Finanzierung der privatrechtlichen jüdischen Dachorganisation im übrigen Frankreich beitragen und sind folglich auch nur assoziiert und in Fachfragen beratend beteiligt. Die drei arbeiten aber zusammen und beschließen und finanzieren alles für ihre Konsistorialbezirke eigenständig.[9]

Gemeinden

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Die angeschlossenen jüdischen Gemeinden und ihre Mitgliederzahl im Jahr 1855 (wohl Annäherungswerte und keine exakte Angaben laut Annuaire). Die nicht mehr bestehenden Gemeinden sind entsprechend ausgewiesen:

Großrabbiner

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Liste und Anmerkungen gemäß Quelle (siehe Fußnote[10]).

  • 1808–1812: David Sinzheim, auch Nassi (Präsident) des Großen Synhedrions
  • 1812–1830: Jacob Meyer, schon ab 1809 stellvertretend für den meist in Paris weilenden Sinzheim, zudem Konsistorialpräsident
  • 1830–1834: Seligmann Goudchaux, danach Großrabbiner beim Consistoire du Haut-Rhin in Colmar
  • 1834–1890: Arnaud Aron, zudem Konsistorialpräsident
  • 1890–1899: Isaac Weil, zuvor ab 1886 Großrabbiner beim Konsistorium Metz
  • 1899–1915: Adolf Ury, zuvor ab 1890 Großrabbiner beim Konsistorium Metz
  • 1915–1919: Émile Lévy, zugleich Feldrabbiner im kaiserlichen deutschen Heer.[11]
  • 1920–1939: Isaïe Schwartz, danach Großrabbiner Frankreichs bis 1952
  • 1939–1943: René Hirschler, mobilisiert als Feldrabbiner im August 1939, ab 1940 in Marseille, 1943 deportiert und 1945 an Typhus verstorben in Ebensee.[7]
  • 1943–1947: Vakanz
  • 1947–1970: Abraham Deutsch, ab 1944 kommissarisch für den seinerzeit noch lebend gehofften Hirschler
  • 1970–1987: Max Warschawski, ab 1961 bereits stellvertretender Großrabbiner beim Consistoire du Bas-Rhin
  • 1987–2017: René Gutman
  • ab 2017: Abraham Weill[12]

Literatur

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  • Annuaire pour l'an du monde 5616 du 13 septembre 1855 au 29 septembre 1856 à l'usage des israélites. 6. Jg., Paris (Librairie israélite) 1855.
  • Calendrier à l'usage des israélites pour l'année 5636 de la création du monde (1875/76), Paris 1875.
  • Jean-Philippe Chaumont, Monique Lévy (Hrsg.): Dictionnaire biographique des rabbins et autres ministres du culte israélite. France et Algérie, du Grand Sanhédrin (1807) à la loi de Séparation (1905). Berg International Éditeurs, Paris 2007, ISBN 978-2-911289-97-2, S. 14–22.
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Einzelnachweise

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  1. a b c d "Specificité du Consistoire", auf: Consistoire israélite du Bas-Rhein, abgerufen am 3. September 2011.
  2. a b c "Composition actuelle et domiciliation", auf: Consistoire israélite du Bas-Rhein, abgerufen am 3. September 2011.
  3. Robert Weyl, "La communauté juive de Strasbourg entre le libéralisme et la tradition (1808-1988)", suite 4, auf: Consistoire israélite du Bas-Rhein, abgerufen am 3. September 2011.
  4. Anthony Steinhoff, The gods of the city: Protestantism and religious culture in Strasbourg, 1870-1914, Leiden und Boston: Brill, 2008, S. 80. ISBN 9789004164055.
  5. Anthony Steinhoff, The gods of the city: Protestantism and religious culture in Strasbourg, 1870-1914, Leiden and Boston: Brill, 2008, S. 81. ISBN 9789004164055.
  6. Volltext (§ 6 II)
  7. a b c Robert Weyl, "La communauté juive de Strasbourg entre le libéralisme et la tradition (1808-1988)", suite 5, auf: Consistoire israélite du Bas-Rhein, abgerufen am 3. September 2011.
  8. "René Hirschler 1905 - 1945", auf: Consistoire israélite du Bas-Rhein, abgerufen am 3. September 2011.
  9. Das Gleiche gilt für die exempten Bistümer Metz und Straßburg, sowie die lutherische Landeskirche (EPCAAL, mit dem lutherischen Oberkonsistorium in Straßburg) und die reformierte EPRAL (mit dem reformierten Konsistorium), die ebenfalls juristisch streng getrennt sind von der konfessionsgleichen Kirchen im übrigen Frankreich.
  10. Max Warschawski, "Le Grand Rabbinat de Strasbourg et du Bas-Rhin", auf: Consistoire israélite du Bas-Rhein, abgerufen am 3. September 2011.
  11. Obschon aus dem Elsass gebürtig trat er auf Betreiben frankophiler Gemeindemitglieder hin zurück. Er emigrierte zunächst nach Deutschland und Mitte der 1930er Jahre nach Tel Aviv, wo er 1953 starb. Vgl. Robert Weyl, "La communauté juive de Strasbourg entre le libéralisme et la tradition (1808-1988)", suite 5, auf: Consistoire israélite du Bas-Rhein, abgerufen am 3. September 2011.
  12. Elise Descamps, « Harold Weill, le jeune grand-rabbin de Strasbourg », La Croix, 16 mai 2017.