Dan Bar-On
Dan Bar-On (hebräisch דן בר-און; * 3. Oktober 1938 in Haifa; † 4. September 2008 in Tel Aviv) war ein israelischer Psychologe, Therapeut, Holocaust- und Friedensforscher.
Biographie
BearbeitenBar-On wurde 1938 in der Hafenstadt Haifa im damals britischen Mandatsgebiet Palästina als Sohn deutsch-jüdischer Eltern aus Hamburg geboren. Er lebte 25 Jahre im Kibbuz Revivim im Negev, unter anderem als Landwirt und Pädagoge.
Er studierte zunächst Landwirtschaft, später dann Psychologie und erhielt 1975 den Master of Arts in Psychologie. Anschließend arbeitete er im Kibbuz-Krankenhaus, wo er sich auf Therapie und Holocaustforschung spezialisierte und Kinder von Holocaust-Überlebenden interviewte. 1981 schloss er seine Promotion an der Hebräischen Universität in Jerusalem ab, 1983 ging er als Post-Doktorand mit einem Fulbright-Stipendium an das Massachusetts Institute of Technology (MIT).
1985 reiste er nach Deutschland und sprach mit den Kindern von Nazi-Tätern. Daraus entstand das 1989 auf Englisch erschienene Buch Legacy of Silence: Encounters with Children of the Third Reich, das 1993 auf Deutsch als Die Last des Schweigens erschien und auch ins Hebräische, Französische und Japanische übersetzt wurde. 1992 initiierte Bar-On den Gesprächskreis „To Reflect and Trust“[1] zwischen Täter- und Opferkindern des Holocaust, dem auch Martin Bormann junior angehörte.
Er veröffentlichte mehrere Bücher zum Thema Dialog in Konfliktsituationen und arbeitete für Verständigung im israelisch-palästinensischen Konflikt.
2006 bis 2008 leitete er mit Unterstützung der Körber-Stiftung das „Dan Bar-On Dialogue Training – Storytelling in Conflict“, um Mediatoren im Bereich der interkulturellen Dialogarbeit in verschiedenen Teilen der Welt auszubilden. Bar-On war bis 2007 Professor für Psychologie an der Ben-Gurion-Universität des Negev in Be’er Scheva. 1998 und 2002/3 hatte er den Ida E. Chair for Holocaust and Genocide Studies am Stockton College in New Jersey inne, wo er 1999 den Ehrendoktortitel verliehen bekam. 1996 erhielt er den David Lopatie Chair for Post-Holocaust Psychological Studies.
Mit dem palästinensischen Pädagogen und Soziologen Sami Adwan gründete und leitete Dan Bar-On ab 1998 PRIME, das Peace Research Institute in the Middle East[2] mit Sitz in Bait Dschala. Bar-On und Adwan erarbeiteten mit je sechs israelischen und palästinensischen Lehrern ein Geschichtsbuch, das die israelisch-palästinensische Geschichte für beide Seiten annehmbar darstellen sollte, so dass voneinander gelernt werden konnte, indem in einer Spalte die israelische und in einer anderen Spalte die palästinensische Sicht der Geschehen dargestellt wurde.
Für das US-amerikanische Frühlingssemester 2007 erhielt Bar-On, gemeinsam mit Sami Adwan, ein Fulbright-Stipendium an der Monmouth-Universität in New Jersey.[3]
Bar-On starb am 4. September 2008 im Alter von 69 Jahren infolge einer schweren Krebserkrankung in Tel Aviv.[4]
Bar-On war verheiratet und wurde Vater von vier Kindern.
Auszeichnungen
Bearbeiten- Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, für sein Engagement für Frieden und Verständigung (7. September 2001)[5]
- 2001: Internationaler Alexander Langer Preis (mit Sami Adwan)
- 2003: Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis (mit Mahmud Darwisch)
- 2005: Victor-Goldberg-Preis für Frieden im Nahen Osten mit Sami Adwan
Werke (Auswahl)
Bearbeiten- Dan Bar-On und Julia Chaitin: Parenthood and the Holocaust, Wallstein Verlag 2008
- Dan Bar-On, Léon Wurmser, Micha Hilgers und Maria Spychiger: Scham – Beschämung – Anerkennung. Erinnern und Lernen. Texte zur Menschenrechtspädagogik 3, Lit Verlag 2007
- Christiane Walesch-Schneller, Dan Bar-On, Friedel Scheer-Nahor und Elaine Wolff: Closer than is appears / Näher als es scheint. Tänze für das Blaue Haus, Modo Verlag 2007
- Erzähl dein Leben! Meine Wege zur Dialogarbeit und politischen Verständigung, Edition Körber-Stiftung 2004
- Die Last des Schweigens. Gespräche mit Kindern von NS-Tätern, 2003 (erstmals dt. 1993 im Campus-Verlag)
- Sami Adwan, Dan Bar-On, Adnan Musallam und Eyal Naveh: Das Historische Narrativ des Anderen kennen lernen – Palästinenser und Israelis – Eine Schulbuchinitiative als Beitrag zur Verständigung in Israel und Palästina, PRIME Peace Research Institute in the Middle East, 2003 / Berghof Conflict Research, Deutsche Übersetzung 2009, als PDF auf der Website des Berghof Conflict Research Institutes
- Die „Anderen“ in uns. Dialog als Modell der interkulturellen Konfliktbewältigung, 2. Auflage, Edition Körber-Stiftung 2003
- Den Abgrund überbrücken, Edition Körber-Stiftung 2002
- Tell your Life Story. Creating Dialogue among Jews and Germans, Israelis and Palestinians, Central European University Press 2006
- Susanne Kutz, Dirk Wegner und Dan Bar-On: Bridging the Gap: Storytelling as a Way to Work through Political and Collective Hostilities, Körber-Stiftung 2000
- Furcht und Hoffnung. Von den Überlebenden zu den Enkeln – drei Generationen des Holocaust, Europäische Verlagsanstalt 1997
- Dan Bar-On, Konrad Brendler und A. Paul Hare: Da ist etwas kaputtgegangen an den Wurzeln… Identitätsformation deutscher und israelischer Jugendlicher im Schatten des Holocaust, Campus Verlag 1997
- The Indescribable and the Undiscussable. Reconstructing Human Discourse after Trauma, Central European University Press 1999
Weiterführende Literatur
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Elisabeth Gruendler: Dialog mit dem Feind / Dialogue with the Enemy. In: AG Friedensforschung. 5. Oktober 2001, abgerufen am 16. Februar 2024.
- ↑ Peace Research Institute in the Middle East. Abgerufen am 16. Februar 2024.
- ↑ Monmouth University receives Fulbright Scholarship to host Israeli and Palestinian scholars ( vom 1. Juni 2007 im Internet Archive) (engl.; abgerufen 29. November 2008)
- ↑ Psychologe und Autor Dan Bar-On gestorben. In: Deutsche Welle. 5. September 2008, abgerufen am 16. Februar 2024.
- ↑ Auskunft des Bundespräsidialamtes
Personendaten | |
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NAME | Bar-On, Dan |
KURZBESCHREIBUNG | israelischer Autor, Psychologe sowie Holocaust- und Friedensforscher |
GEBURTSDATUM | 3. Oktober 1938 |
GEBURTSORT | Haifa, Israel |
STERBEDATUM | 4. September 2008 |
STERBEORT | Tel Aviv, Israel |