Daniella Weiss

israelische Bürgermeisterin und Zionistin

Daniella Weiss (hebräisch דניאלה וייס), Geburtsname Daniella Mintz (דניאלה מינץ), geboren 1945 in Ramat Gan[1], ist eine führende Persönlichkeit der israelischen Siedlerbewegung. Sie war 1985–1988 Generalsekretärin von Gusch Emunim und 1996–2007 Bürgermeisterin der Siedlung Kedumim im Westjordanland. Weiss gründete 2007 die radikale Siedlerorganisation Nachala (נחלה „Erbbesitz“), welche die Annexion sowohl des Westjordanlands als auch des Gazastreifens durch den Staat Israel befürwortet.

Daniella Weiss (2016)

Biografie

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Jugend, Studium, Berufstätigkeit

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Daniella Mintz’ Vater stammte aus den Vereinigten Staaten. Ihre Mutter war in Warschau geboren, aber bereits als Kleinkind mit ihren Eltern ins britische Mandatsgebiet Palästina ausgewandert.[2] Rückblickend betonte Daniella Weiss, dass beide Eltern während der Mandatszeit aktive Mitglieder der paramilitärischen Organisation Lechi gewesen seien. Patriotismus sei ihr daher schon in der Kindheit vermittelt worden. Nach Gründung des Staates Israel besuchte Daniella Mintz die Elementar- und Oberschule von Bnei Berak, an denen mehrere Holocaust-Überlebende als Lehrer unterrichteten.[3]

Daniella Mintz und ihr späterer Mann Amnon Weiss kannten sich seit der Oberschule und gemeinsamen Unternehmungen im religiös-zionistischen Jugendverband Bnei Akiva. Sie heiratete ihn 22-jährig. Nach ihrem Militärdienst studierte sie Englische Literatur und Politikwissenschaft an der Bar-Ilan-Universität bis zum Bachelor-Grad. Sie stammte aus einer jüdisch-konservativen Familie und hatte sich während des Studiums dem ultraorthodoxen Judentum zugewandt.[4][5]

Einige Jahre arbeitete sie als Lehrerin.[6] Die israelischen Erfolge im Sechstagekrieg nahm Weiss als ein Wunder wahr. Die Möglichkeit, als Juden in einer biblischen Landschaft zu siedeln, faszinierte sie, doch ihr Mann war zunächst nicht daran interessiert, den Großraum Tel Aviv zu verlassen.[7]

 
Die neue Siedlung Kadum (1976)

Den Jom-Kippur-Krieg 1973 beschrieb Weiss rückblickend als biografische Wende. Sie interpretierte ihn als Mahnung Gottes und zog mit ihrer Familie von einem Tel Aviver Vorort ins Westjordanland, um sich an der jüdischen Besiedlung zu beteiligen.[8] Sie schloss sich der Gusch Emunim zugerechneten Gruppe Garim Elon Moreh um Beni Katzover an, welche nahe Nablus gegen den Willen der israelischen Regierung eine Siedlung aufzubauen versuchte, was im achten Versuch auf dem Gelände des Militärstützpunkts Kadum gelang. Dies war die Keimzelle der Siedlung Kedumim, wo Weiss mit ihren vier Kindern und dem als Geschäftsmann in Tel Aviv tätigen Ehemann seitdem wohnte. Seit 1979 engagierte sich Weiss für Techija und setzte sich politisch für die Verhinderung des israelischen Rückzugs von der Sinai-Halbinsel ein.[9]

Generalsekretärin von Gusch Emunim (1985–1988)

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Mosche Levinger (1978)

Weiss, die eine bekanntermaßen gute Beziehung zu Rabbiner Mosche Levinger hatte, wurde 1985 zur Generalsekretärin von Gusch Emunim ernannt.[10] Ende 1986 führten ihre radikalen Positionen aber zu Kontroversen innerhalb der Organisation. Sie setzte sich nämlich für die Amnestie verurteilter Mitglieder des terroristischen Jüdischen Untergrunds (hebräisch המחתרת היהודית HaMachteret haJehudit)[11] ein und stellte die Verdienste von Kibbuzim der Arbeiterbewegung öffentlich in Abrede. Dies veranlasste um die Jahreswende prominente Rabbiner wie Yoel Bin-Nun und Menachem Frumin, sich von Gusch Emunim zu distanzieren. Im Mai 1987 gelang eine Kompromisslösung, bei der Levinger für die ideologische Ausrichtung verantwortlich wurde, Weiss Generalsekretärin blieb und Ben-Nun im Sekretariat mitarbeitete.[12]

Am 6. Mai 1987 leitete Daniella Weiss persönlich Hunderte von Siedlern, die randalierend durch die palästinensische Stadt Qalqiliya zogen, um die Einwohner einzuschüchtern; dies war als Strafaktion für einen brutalen Brandbombenanschlag im April 1987 gemeint, dem eine junge Mutter zum Opfer gefallen war.[13][14]

Bürgermeisterin von Kedumim (1996–2007)

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Die Siedlung Kedumim erhielt 1992 den Status einer Kommune, und seit 1996 amtierte Daniella Weiss als Bürgermeisterin.[15]

Naama, einer Tochter der Eheleute Weiss, war verheiratet mit Avraham Gavish, einem Major der Eliteeinheit Sajeret Matkal; er wurde im Frühjahr 2002 bei einem Familienbesuch über Pessach in der Siedlung Elon Moreh mit weiteren Familienmitgliedern von einem palästinensischen Selbstmordattentäter getötet; Naama Gavish und die zweijährige Tochter überlebten.[16]

Als entschiedene Gegnerin des einseitigen Abkoppelungsplans der Regierung Scharon rief Daniella Weiss Militärangehörige dazu auf, Befehle zur Evakuierung illegaler jüdischer Siedlungen nicht zu befolgen. Einer ihrer Schwiegersöhne war Kompaniechef an einer Schule für Truppenkommandeure und hatte sich an Evakuierungsaktionen beteiligt. Er geriet dann aber in seinem familiären Umfeld so unter Druck, dass er seinen Vorgesetzten erklärte, Evakuierungsbefehle nicht mehr zu befolgen und als höchstrangiger Verweigerer im August 2005 von seinen Pflichten entbunden wurde.[17]

Als ein illegaler Außenposten der Siedlung Kedumim im Oktober 2005 von der Polizei geräumt wurde, leistete Weiss als Bürgermeisterin zusammen mit anderen Siedlern dagegen Widerstand, indem sie Polizeibeamte angriffen und Straßen blockierten. Dafür wurden Weiss und zwei weitere Aktivistinnen am 31. Oktober vom Amtsgericht Kfar Sava verurteilt; Weiss wurde fünf Tage unter Hausarrest gestellt.[18]

Im Herbst 2007 kandidierte Weiss nicht mehr zur Wiederwahl in Kedumim; ihr Amtsnachfolger wurde Chananel Durani.[19]

Gründerin und Direktorin von Nachala (seit 2007)

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Die von Weiss gegründete und geleitete Siedlerorganisation Nachala widmet sich dem Fundraising für geplante illegale Outposts. Da Nachala nicht als gemeinnützig anerkannt ist, gründete Weiss 2018 die Crowdfunding-Plattform Geula Titnu LaAretz (גאולה תתנו לארץ „ihr sollt Vorsorge treffen für die Erlösung des Landes“[20]).[21]

Im März 2008 stellte das Amtsgericht von Kfar Sava Daniella Weiss und eine Einwohnerin Kedumims namens Shoshana Shilo unter Hausarrest. Vorausgegangen war ein Polizeieinsatz wegen Brandstiftung in einem palästinensischen Olivenhain nahe Kedumim. Die Tatverdächtigen flohen und ließen ihr Fahrzeug zurück, in dem die Spurensicherung Fingerabdrücke feststellen wollte, als Daniella Weiss erschien und alles anfasste in dem offensichtlichen Versuch, Spuren zu verwischen. Weiss und Shilo, die ihr zur Hilfe eilte, wurden wegen Behinderung der Polizei festgenommen.[22]

Nach dem Beginn der israelischen Militäroperation „Eiserne Schwerter“ befürwortete Weiss die ethnische Säuberung des Gazastreifens. In einem BBC-Interview erklärte sie dazu im März 2024: „Die Welt ist weit. Afrika ist groß. Kanada ist groß. Die Welt wird die Bevölkerung von Gaza absorbieren. Wie machen wir das? Wir ermutigen dazu. Palästinenser in Gaza – die Guten – erhalten dazu die Möglichkeit. Ich sage nicht, sie werden gezwungen, ich sage ermöglichen, denn sie wollen ja gehen.“[23]

Im Juni 2024 verhängte die Regierung Kanadas Sanktionen gegen fünf israelische Organisationen (entities) und sieben Einzelpersonen, darunter Daniella Weiss, „wegen ihrer Rolle bei der Erleichterung, Unterstützung oder finanziellen Beteiligung an Gewaltakten, die von extremistischen israelischen Siedlern gegen palästinensische Zivilisten und ihr Eigentum verübt werden.“[24]

Im Oktober 2024 veranstaltete die Siedlerbewegung Nachala nahe der Grenze zum Gazastreifen eine Konferenz, die die israelische Wiederbesiedlung des Gazastreifens vorbereiten sollte. Weiss als Direktorin von Nachala hielt dabei mehrere Reden, in denen sie ankündigte, dass Juden nach Gaza ziehen und Araber von dort verschwinden würden; binnen eines Jahres, so versprach sie ihrem Publikum, würde diese Vision Realität. Aber nicht nur Gaza und das Westjordanland sollten annektiert werden; die Grenzen des biblischen Großisrael seien die Flüsse Euphrat und Nil.[25] Am 16. November erklärte Weiss in einem Interview des israelischen Fernsehsenders Channel 12, sie habe mit einigen Gleichgesinnten mögliche Siedlungsorte im Gazastreifen erkundet, und auf Nachfrage, sie seien in Begleitung ihnen persönlich bekannter Soldaten im Netzarim-Korridor unterwegs gewesen. Dazu hätten sie einen inoffiziellen Grenzübergang genutzt. Weiss ließ anklingen, dass Siedlungen im Westjordanland mehrfach im Schatten militärischer Stützpunkte hatten Fuß fassen können. Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte stellten daraufhin klar, dass es keine Genehmigung zum Betreten eines geschlossenen Militärbezirks gegeben habe und der Vorfall untersucht werde.[26][27]

Literatur

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Anmerkungen

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  1. Daniella Weiss. In: The Guardian. 5. Juni 2007, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 24. November 2024]).
  2. Isaac Chotiner: The Extreme Ambitions of West Bank Settlers. In: The New Yorker. 11. November 2023, ISSN 0028-792X (newyorker.com [abgerufen am 24. November 2024]).
  3. Chagit Rotenberg: יוצאת אל הגבעות. In: Arutz Sheva, 29. November 2007.
  4. Daniella Weiss. In: The Guardian. 5. Juni 2007, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 24. November 2024]).
  5. Chagit Rotenberg: יוצאת אל הגבעות. In: Arutz Sheva, 29. November 2007.
  6. Carsten Kühntopp: In den Fußstapfen der Vorväter. In: Deutschlandfunk, 23. September 2003.
  7. Isaac Chotiner: The Extreme Ambitions of West Bank Settlers. In: The New Yorker. 11. November 2023, ISSN 0028-792X (newyorker.com [abgerufen am 24. November 2024]).
  8. Carsten Kühntopp: In den Fußstapfen der Vorväter. In: Deutschlandfunk, 23. September 2003.
  9. Ian S. Lustigk: For the Land and the Lord: Jewish Fundamentalism in Israel, New York 1988, S. 195.
  10. Ian S. Lustigk: For the Land and the Lord: Jewish Fundamentalism in Israel, New York 1988, S. 64 und 195.
  11. Diese Terrorzelle, die bereits mehrere Morde an Palästinensern verübt hatte, wurde im April 1984 aufgedeckt und verhaftet bei dem Versuch, fünf palästinensische Busse in Ostjerusalem zu verminen; die Ermittlungen und der nachfolgende Prozess zeigten, dass die Gruppe plante, den Felsendom in die Luft zu sprengen, um den Friedensprozess unmöglich zu machen. Das Bezirksgericht Jerusalem verurteilte drei dieser Terrroristen zu lebenslangen Haftstrafen, weitere erhielten Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren. Vgl. Joseph Croitoru: Al-Aqsa oder Tempelberg. Der ewige Kampf um Jerusalems heilige Stätten. Beck Verlag, München 2021, S. 227–229.
  12. Ian S. Lustigk: For the Land and the Lord: Jewish Fundamentalism in Israel, New York 1988, S. 174 f.
  13. Ralph Mandel: Israel. In: The American Jewish Year Book, Band 89 (1989), S. 366–432, hier S. 375.
  14. Ian S. Lustigk: For the Land and the Lord: Jewish Fundamentalism in Israel, New York 1988, S. 134.
  15. Hillel Fendel: Elections in Beitar, Beit El and Kedumim. In: Arutz Sheva, 31. Oktober 2007.
  16. Mazal Tov: Daughter of 2002 terror attack victim celebrates wedding. In: Arutz Sheva, 20. Oktober 2022.
  17. Amos Harel: Army Agrees to Relieve Anti-pullout Captain of His Duties. In: Haaretz, 17. August 2005.
  18. Itim: Daniella Weiss Indicted for Attacking Police Officer. In: Haaretz, 1. November 2005.
  19. Hillel Fendel: Elections in Beitar, Beit El and Kedumim. In: Arutz Sheva, 31. Oktober 2007.
  20. וּבְכֹ֖ל אֶ֣רֶץ אֲחֻזַּתְכֶ֑ם גְּאֻלָּ֖ה תִּתְּנ֥וּ וּבְכֹ֖ל אֶ֣רֶץ אֲחֻזַּתְכֶ֑ם גְּאֻלָּ֖ה תִּתְּנ֥וּ לָאָֽרֶץ׃ Lev 25,24 EU
  21. Hagar Shezav: How a Jewish Settler Group Raised Millions to Set Up Illegal Outposts. In: Haaretz, 20. Juli 2022.
  22. Raanan Ben-Zur: Settler leader charged with assaulting police officers. In: Ynetnews. 3. Oktober 2008 (ynetnews.com [abgerufen am 24. November 2024]).
  23. Orla Guerin: Jewish settlers set their sights on Gaza beachfront. In: BBC, 25. März 2024.
  24. Global Affairs Canada: Canada imposes second round of sanctions on perpetrators of extremist settler violence against civilians in West Bank. 27. Juni 2024, abgerufen am 24. November 2024.
  25. Rachel Fink: “Conquer, Kick Out, Resettle”: At the “Preparing to Resettle Gaza” Conference, Wishful Thinking Made Way to Concrete Plans. In: Haaretz, 21. Oktober 2024.
  26. Rachel Fink: Israeli Settler Leader Claims She Scouted Location for Settlements Inside Northern Gaza. In: Haaretz, 17. November 2024.
  27. TOI Staff: Troops smuggled settler leader into Gaza to survey settlement options – report. In: The Times of Israel, 22. November 2024.