Strecktensoren oder Deformationstensoren sind einheitenfreie Tensoren (bestimmte mathematische Objekte der linearen Algebra) zweiter Stufe, die lokale Distanzänderungen von Materieelementen bei einer Deformation eines Körpers bemessen. Distanzänderungen von Materieelementen entsprechen der Streckung bzw. Stauchung der materiellen Linien, die die betrachteten Materieelemente verbinden. Diese Änderungen der inneren Anordnung korrespondieren mit einer Änderung der äußeren Gestalt des Festkörpers und werden beispielsweise als Dehnung oder Stauchung sichtbar.

Die Strecktensoren sind eine wesentliche Größe in der Beschreibung der Kinematik der Deformation und in der Kontinuumsmechanik werden eine Reihe von verschiedenen Strecktensoren definiert, die ihrerseits der Definition von Verzerrungstensoren dienen. In einigen Materialmodellen der Hyperelastizität werden Strecktensoren direkt eingesetzt.

Streckung von Linienelementen

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Streckung und Scherung der Tangenten (rot und blau) an materielle Linien (schwarz) im Zuge einer Deformation

Bei der quantitativen Beurteilung einer Deformation eines Körpers werden materielle Linien des Körpers vor und nach Deformation miteinander verglichen. In der Praxis können dazu Dehnungsmessstreifen (DMS) auf dem Körper aufgeklebt werden. Die Richtung des DMS wird mathematisch mit einem materiellen Linienelement   in der undeformierten Ausgangskonfiguration und   in der deformierten Momentankonfiguration beschrieben, siehe Abbildung rechts. Diese Linienelemente stehen in linearer Näherung über den Deformationsgradient   in Beziehung:

 

Die Streckung   eines Linienelementes in der Richtung

 

ist das Verhältnis

 

Der Strecktensor

 

heißt rechter Cauchy-Green Tensor und ist demnach ein Maß für die Streckung von Linienelementen. Das Superskript „ “ steht für die Transposition. In Richtung der Eigenvektoren von   sind die Streckungen extremal. In der deformierten Lage berechnet sich die Streckung aus

 

Der Cauchysche Strecktensor

 

ist also ein räumliches Maß für die Streckung von Linienelementen.

Streckung von Normalvektoren

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Streckung und Scherung der Normalen (rot und blau) an materielle Flächen (grau) im Zuge einer Deformation

Mit Strecktensoren kann auch die Streckung von Normalvektoren ermittelt werden. Eine Familie von Flächen kann durch eine skalare Funktion

 

und einen Flächenparameter   definiert werden.

Die Normalenvektoren an diese Flächen sind die Gradienten

 

Diese hängen mit der Normale in der Referenzkonfiguration wie folgt zusammen:

 

Das Rechenzeichen   bezeichnet das dyadische Produkt. Die Streckung der Normalvektoren in der deformierten und undeformierten Lage in einem materiellen Punkt   führt auf den Finger-Tensor

 

der also ein Maß für die Streckung der materiellen Flächennormalen ist. Der Finger-Tensor operiert in der Ausgangskonfiguration.

Sein Gegenstück in der Momentankonfiguration ist der linke Cauchy-Green Tensor

 

für den

 

abgeleitet werden kann.

Hauptinvarianten des rechten Cauchy-Green Tensors

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Bei einer Deformation werden die materiellen Linien-, Flächen- und Volumenelemente mit dem Deformationsgradient von der Ausgangskonfiguration in die Momentankonfiguration transformiert

 

Der Kofaktor des Deformationsgradienten ist seine transponierte Adjunkte:

 

Es zeigt sich, dass die Hauptinvarianten des rechten Cauchy-Green Tensors Maße für die Änderung der Linien-, Flächen- und Volumenelemente sind:

 

Die Frobeniusnorm   wird mit dem Frobenius-Skalarprodukt „:“ von Tensoren definiert:

 

Physikalische Interpretation

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Der Zusammenhang zwischen dem rechten Cauchy-Green Tensor und der Änderung der Linien-, Flächen- und Volumenelemente macht sich makroskopisch bemerkbar.

Sei

 

die Bewegungsfunktion der Partikel eines materiellen Körpers. Die materiellen Koordinaten   nehmen die Partikel zu einer bestimmten Zeit   ein, zu der der Körper in seiner undeformierten Ausgangslage vorliegt. Der zeitabhängige Vektor   bezeichnet die räumlichen Koordinaten, die die Partikel bei ihrer Bewegung – inklusive Deformation – zur Zeit t einnehmen.

Längen von Linien

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Wenn im undeformierten Ausgangszustand eine materielle Linie   mit dem Kurvenparameter   markiert wird, ergibt sich die Länge der Linie zu

 

Darin ist   der Einheitstensor. In der deformierten Lage verändert sich diese Länge zu

 

Die Änderung der Länge der markierten Linie wird also vom Strecktensor   bestimmt.

Flächeninhalte

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Wenn in gleicher Weise im undeformierten Ausgangszustand eine materielle Fläche   mit den Flächenparametern   bezeichnet wird, ergibt sich der Inhalt der Fläche zu

 

In der deformierten Lage verändert sich diese Fläche zu

 

Die Inhaltsänderung der markierten Fläche wird also vom Kofaktor des Strecktensors   bestimmt.

Volumina

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Im undeformierten Ausgangszustand wird ein materielles Volumen   mit den Ortsparametern   markiert. Das Volumen berechnet sich dann zu

 

In der deformierten Lage verändert sich dieses Volumen zu

 

worin der Determinantenproduktsatz ausgenutzt wurde. Die Volumenänderung kann also wie bei den materiellen Linien und Flächen mit dem Strecktensor ausgedrückt werden.

Linker und rechter Strecktensor und Drehungen

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Bei Nicht-Deformation sind die Strecktensoren gleich dem Einheitstensor und das unabhängig von eventuell auftretenden Drehungen des Körpers. Der Grund hierfür liegt in der Polarzerlegung des Deformationsgradienten

 

die die Deformation lokal in eine Drehung, vermittelt durch den orthogonalen Rotationstensor   (mit   und der Determinante  ), und eine reine Streckung, vermittelt durch die symmetrischen positiv definiten rechten bzw. linken Strecktensoren   bzw.  , aufspaltet. Durch die Multiplikation des Deformationsgradienten mit seiner transponierten heben sich die Drehungen   und „Rückdrehungen“   gegenseitig auf:

 

was natürlich auch für die Inversen des rechten und linken Cauchy-Green-Tensors zutrifft. Der rechte und linke Cauchy-Green-Tensor und ihre Inversen sind daher von Drehungen des Körpers unbeeinflusst.

Hauptachsentransformationen

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Der rechte und linke Strecktensor ebenso wie der rechte und linke Cauchy-Green-Tensor sind also ähnlich, weswegen sie dieselben Eigenwerte und daher auch dieselben Hauptinvarianten besitzen. Die Eigenwerte der Strecktensoren werden Hauptstreckungen genannt. Sämtliche Strecktensoren sind symmetrisch positiv definit und daher sind alle drei Eigenwerte positiv und die drei Eigenvektoren sind paarweise zueinander senkrecht (oder orthogonalisierbar), so dass sie eine Orthonormalbasis bilden. Seien   die Eigenvektoren von  ,   die Eigenvektoren von   und   dessen Eigenwerte. Dann lauten die Hauptachsentransformationen:

 

Aus   folgt:

 

und weiter:

 
 
 
 
 

Ableitung der Streckungen

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Manche Materialmodelle der Hyperelastizität beinhalten Funktionen der Eigenwerte   des linken Strecktensors   und die Spannungen ergeben sich aus der Ableitung dieser Funktionen nach dem linken Cauchy-Green-Tensor  . Deshalb lohnt es sich, die Ableitung der Eigenwerte   nach dem Strecktensor   bereitzustellen[1]. Es ergibt sich

 

Entsprechend berechnet sich

 
Beweis
Betrachtet werden zunächst die Eigenwerte   des linken Cauchy-Green-Tensors. Die Eigenwerte   lösen das charakteristische Polynom des linken Cauchy-Green-Tensors:

 
Die Koeffizienten dieses Polynoms sind die drei Hauptinvarianten des linken Cauchy-Green-Tensors. Implizite Differentiation des charakteristischen Polynoms unter Benutzung der Kettenregel und der Ableitungen der Hauptinvarianten bei symmetrischen Tensoren
 
liefert
 
Einsetzen der Formeln von Vieta
 
der Hauptachsentransformation des linken Cauchy-Green-Tensors
 
mit seinen auf Betrag eins normierten, paarweise orthogonalen Eigenvektoren   die mit den Eigenvektoren des linken Strecktensors übereinstimmen, und der Form   des Einheitstensors ergibt beispielsweise für i=1:
 
Für i=2 und i=3 berechnet sich entsprechendes, womit
 
feststeht. Die gesuchte Ableitung der Eigenwerte des linken Strecktensors nach dem linken-Cauchy-Green Tensor ermittelt sich schließlich aus
 

Beispiel

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Ein Quadrat (schwarz) mit eingeschriebenem Kreis (rot) wird zu einem Rechteck (blau) mit eingeschriebener Ellipse (lila) verformt

Ein Quadrat der Seitenlänge eins wird zu einem Rechteck mit Breite   und Höhe   gestreckt und um einen Winkel   verdreht, siehe die Abbildung rechts. Das Quadrat sei im Ursprung eines kartesischen Koordinatensystems positioniert, so dass für die Punkte des Quadrates

 

gilt. Im deformierten Zustand ist dann

 

Damit berechnen sich der Deformationsgradient und die Strecktensoren zu

 

In der Mitte des Quadrates wird eine gerade Linie der Länge ½ in einem Winkel   zur x-Achse markiert, siehe Abbildung. Die Punkte auf der Linie haben in der Ausgangslage dann für   die Koordinaten:

 

Die Länge der Linie ist definitionsgemäß unabhängig von deren Richtung:

 

In der deformierten Lage haben die Punkte die Koordinaten

 
 
Länge   der Linien im deformierten Quadrat in Abhängigkeit vom Winkel  .

weswegen sich die Länge der Linie zu

 

verändert. Das Ergebnis ist wiederum unabhängig vom Drehwinkel  . Bei Flächengleichheit des Quadrates und des Rechtecks ist

 

und die Längen der deformierten Linie bilden in einem Polardiagramm eine Kurve wie in der Abbildung rechts. Dort ist  .

Siehe auch

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Mechanik:

Mathematik:

Einzelnachweise

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  1. Die Fréchet-Ableitung einer skalaren Funktion   nach einem Tensor   ist der Tensor   für den - sofern er existiert - gilt:
     
    Darin ist   und ":" das Frobenius-Skalarprodukt. Dann wird auch
     
    geschrieben.

Literatur

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