Der letzte Zivilist

Exilroman von Ernst Glaeser

Der letzte Zivilist ist ein Exilroman von Ernst Glaeser, welcher die letzten Jahre der Weimarer Republik bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten thematisiert (August 1927 bis Mai 1933).

Der letzte Zivilist
Land Deutschland
Genre Epik/Prosa
Autor Ernst Glaeser
Verlag Humanitas Verlag
Erstpublikation 1935

Hauptort der Handlung ist die kleine fiktive Stadt „Siebenwasser“, welche württembergische Züge trägt. Der Roman erschien 1935 zeitgleich in Zürich und Paris.

Handlung

Bearbeiten

Johann Caspar Bäuerle lebt mit seiner Familie in Siebenwasser, sein stark antipreußisch und frankophil veranlagter Vater arbeitet als Tischler. Die Familie wandert gemeinsam nach Amerika aus. Dort stirbt der Vater, jedoch schafft es Johann mit einer Erfindung zu Wohlstand und dadurch zu einer Fabrik. Nach dem Erreichen seines sechzigsten Lebensjahres und dem Tod seiner Frau bei der Geburt seiner Tochter beschließt er, als Pensionär mit seiner Tochter in die ehemalige Heimat Siebenwasser zurückzukehren. Dort erwirbt er für diesen Zweck ein altes Landgut, welches er modernisiert.

Zwischenzeitlich beginnt der politische Aufstieg der Nationalsozialisten auch Siebenwasser zu erreichen, wodurch es zu verschiedenen Intrigen kommt. Diese gipfeln in einem Theaterskandal, inszeniert von Dr. Kalahne, dem Sekretär des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters. Dr. Kalahne arbeitet zunächst verdeckt, jedoch stetig unverblümter für die Bewegung der Nationalsozialisten. Dabei erlangt das Netzwerk der Rechten immer mehr Einfluss und Anhänger in der Stadt.

Beispielsweise der Schüler Hanns Diefenbach lässt sich von propagandistischen Zeitungsartikeln, geschrieben von Dr. Kalahne, beeinflussen und stört gemeinsam mit Gesinnungsfreunden eine Theateraufführung. Die Folge ist, dass Diefenbach die Schule verlassen muss und in die örtliche SA-Organisation gerät. Zwischen ihm und dem SA-Organisator kommt es zu einer homoerotischen Beziehung.

Als sich Diefenbach auf Bäuerles Landgut bewirbt, verliebt er sich in dessen Tochter Irene. Das führt dazu, dass er sich von der SA und seinem Freund entfernt. Seine Mutter hingegen lernte derweil einen hohen NS-Beamten namens Dern kennen, welcher später Gauleiter wird. Während einer Schlägerei bekennt sich Diefenbach gegen die SA und seine Mutter stellt sich im Anschluss gegen ihn, weshalb Diefenbach aus der SA-Organisation geworfen wird. Gleichzeitig wird bekannt, dass Irene ein Kind von Diefenbach erwartet.

Dern wird daraufhin ein Missbrauch von Parteigeldern vorgeworfen, was eine Untersuchung durch den ehemaligen SA-Freund Diefenbachs veranlasst. Der schafft es jedoch durch einen Trick, einen durch deren Beziehung beschämenden Briefwechsel von Diefenbach und seinem ehemaligen SA-Freund zu veröffentlichen. Diefenbach erschießt sich in Folge auf Bäuerles Landgut, da er diese Bloßstellung nicht ertragen kann.

Der alte Bäuerle, der immer in der Öffentlichkeit für liberales und humanistisches Gedankengut kämpfte, verzweifelt an der Situation und der politischen Entwicklung Deutschlands. Deshalb beschließt er, mit Irene und seinem neugeborenen Enkel nach Amerika zurückzukehren.[1]

Historische Vorbilder einiger Figuren

Bearbeiten

Manche Figuren der Handlung kann man als bekannte Figuren des Nationalsozialismus wiedererkennen.

Beispielsweise erinnert Dr. Kalahne mit seiner Propaganda an Joseph Goebbels. Es wirkt nicht weit hergeholt, in Gauleiter Dern den Antisemiten Julius Streicher, den Gauleiter von Franken, wiederzuerkennen, da dieser wie Dern ebenfalls Gauleiter war und eine Untersuchung innerhalb der Partei aufgrund von Korruption erfuhr (siehe Artikel Julius Streicher).

Die Erschießung eines jungen SA-Mitglieds im Haus einer Prostituierten erinnert außerdem an den Mord an dem SA-Mann Horst Wessel.

Eine formale Besonderheit des Werkes ist, wie der Handlungsablauf oft durch einen Wechsel der Erzählhaltung sowie häufige Rückblenden durchbrochen wird. Außerdem fällt auf, dass einige Kapitel sehr konstruiert wirken und viele Stimmungsbilder als konventionell bezeichnet werden können.[1]

Man kann zudem sagen, dass es nicht wirklich um individuelle Schicksale geht, sondern die Figuren und Einwohner dieser fiktiven Stadt modellhaft auf die damalige deutsche Bevölkerung übertragen werden können. Zudem lassen sich ausgewählte Situationen als Parabel verstehen.[2]

Wirkungsgeschichte

Bearbeiten

Der Roman wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Dazu gehören Französisch[3], Japanisch[4], Schwedisch[5], Dänisch[6], Englisch[7], Spanisch[8] und Niederländisch[9].

Verfilmung

Bearbeiten

Es fand eine gleichnamige deutsch-französische TV-Verfilmung des Romans durch Laurent Heynemann (Regie) und Claude Veillot (Drehbuch) statt. Produziert wurde der Film von TV 60 Filmproduktion GmbH (München) und Progéfi S.A. (Paris) im Auftrag des ZDF (Mainz) und der T.F.1 Films Production (Paris). Der französische Titel des Films lautet „Le dernier civil

Der Film wurde im November 1984 erstmals im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Die Filmlänge beträgt zwei Mal 90 Minuten.[10]

Die Hauptdarsteller des Films sind unter anderem:[11]

Max von Sydow als Gérard Bauerle
Thomas Schücke als Hans Dieffenbach
Pascale Rocard als Irène Bauerle
Günther Maria Halmer als Kalahne
Michael Horst als Kern

Ausgaben

Bearbeiten

Das Werk „Der letzte Zivilist“ wurde zum ersten Mal 1935 im Humanitas Verlag in Zürich und im Europäischen Merkur in Paris veröffentlicht. Das Werk umfasst 406 Seiten.[12][13]

Des Weiteren erschien eine zweite Auflage 1946 im Freiheit-Verlag in Heidelberg. Diese Version umfasst 413 Seiten.[14]

Eine französische Übersetzung erschien unter dem Namen Le dernier civil: roman 1937 in Paris im Verlag B. Grasset.[3] Die DNB führt zu dem Werk insgesamt zehn fremdsprachige Titel auf.

2017 wurde das Werk mit dem Titelzusatz „Ein Szenario“ im Verlag Autonomie und Chaos in Berlin veröffentlicht. Der Herausgeber ist Mondrian Graf von Lüttichau, von welchem auch ein Nachwort enthalten ist. Diese Fassung besteht aus 302 Seiten und ist kostenfrei zugänglich.[15]

Literatur

Bearbeiten
  • Geoffrey P. G. Butler: Glaesers Cobwebbed Gallery. ›Der letzte Zivilist‹ as Reminder, in: Aliens – Uneingebürgerte. German and Austrian Writers in Exile, Hg. I. Wallace, 1994, 135–144
  • Martin Lindner: Leben in der Krise. Zeitromane der Neuen Sachlichkeit und die intellektuelle Mentalität der klassischen Moderne. Mit einer exemplarischen Analyse des Romanwerks von Arnolt Bronnen, Ernst Glaeser, Ernst von Salomon und Ernst Erich Noth, 1994.
  • Der letzte Zivilist, Neuveröffentlichung 2017, Verlag Autonomie und Chaos, ISBN 978-3-945980-17-0.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Ronald Rathert: Glaeser, Ernst - Der letzte Zivilist. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Band 3. Metzler, Stuttgart/Weimar 2009, ISBN 978-3-476-04000-8.
  2. Textauszug Nachwort Neuausgabe „Der letzte Zivilist“. In: Verlag Autonomie und Chaos. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  3. a b Daten Französische Übersetzung „Der letzte Zivilist“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  4. Daten Japanische Übersetzung „最後の市民 / Saigo no shimin“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  5. Daten Schwedische Übersetzung „Den siste utan uniform“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  6. Daten Dänische Übersetzung „Den sidste civilist“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  7. Daten Englische Übersetzung „The last civilian“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  8. Daten Spanische Übersetzung „El ultimo civil“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  9. Daten Niederländische Übersetzung „De laatste man in burger“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  10. Der letzte Zivilist. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 22. Januar 2021.
  11. Der letzte Zivilist bei crew united, abgerufen am 18. März 2021.
  12. Daten Erstausgabe „Der letzte Zivilist“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  13. Daten Erstausgabe „Der letzte Zivilist“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  14. Daten Zweite Auflage „Der letzte Zivilist“. Abgerufen am 22. Januar 2021.
  15. Ernst Glaeser: Der letzte Zivilist - Ein Szenario. Hrsg.: Mondrian Graf von Lüttichau. Autonomie und Chaos, Berlin 2017, ISBN 978-3-945980-17-0.