Deutsche Volksgemeinschaft in Lothringen
Die Deutsche Volksgemeinschaft in Lothringen (D.V.G.) war eine Nebenorganisation der NSDAP im französischen Département Moselle, die von 1940 bis 1945 bestand.
Aufbau
BearbeitenDer organisatorische Aufbau der D.V.G. folgte wie die NSDAP dem Führerprinzip. An der Spitze stand als Landesleiter Josef Bürckel, Chef der deutschen Zivilverwaltung in Lothringen, sein Stellvertreter war der französische Kollaborateur Eugène Foulé. Darunter folgten Kreis- und Ortsgruppenleiter bis hinunter zum Zellen- und Blockleiter. Die D.V.G. betrieb im gesamten Département insgesamt 284 Ortsgruppen.[1] Das Mitgliedsabzeichen der D.V.G. war dem der NSDAP nachempfunden und unterschied sich lediglich durch die Aufschrift[2] und die Farbwahl (rotes Hakenkreuz in schwarzem Ring statt umgekehrt).
Sitz der Landesleitung
BearbeitenDer Sitz der Landesleitung befand sich in Metz im Präfekturgebäude am Place de la Préfecture (Regierungsplatz).[3] Die Landesleitung gab in regelmäßigen Abständen das Mitteilungsblatt der Deutschen Volksgemeinschaft in Lothringen heraus.
Mitgliederzahl
BearbeitenIm September 1940 soll die Mitgliederzahl bereits 217.300 betragen haben.[4] 1942 sollen dann 98 % der von den Besatzungsbehörden als Volksdeutsche eingestuften Lothringer in der D.V.G. organisiert gewesen sein.[5]
Finanzen
BearbeitenDie D.V.G. unterstand der Finanzhoheit des NSDAP-Schatzmeisters Franz Xaver Schwarz.[6]
Geschichte
BearbeitenDie D.V.G. wurde im August 1940 als Ersatz- und Stellvertreterorganisation der NSDAP im besetzten Lothringen per Verordnung Bürckels geschaffen, der selbst die Landesleitung übernahm. Laut Organisationsplan der D.V.G. vom 1. Februar 1941 waren die Kreisleiter sämtlich aus dem angrenzenden NSDAP-Gau Saarpfalz abgeordnet, von den 17 hauptamtlichen Funktionären der Landesleitung waren 12 Deutsche und nur 5 einheimische Lothringer.[7] Aufnahmescheine wurden von den Besatzungsbehörden sofort an sämtliche Haushalte im Département verteilt.[8]
Bei den ethnischen Säuberungen französischsprachiger Lothringer, die die deutschen Besatzer im August/September 1940[9] und im November 1940[10] durchführten, halfen D.V.G.-Funktionäre bei der Auswahl der zu vertreibenden Personengruppen.[11] Der deutsche Geheimdienst meldete im Oktober 1940 zur Eintrittswelle in die D.V.G.: „Sachkenner sind der Meinung, daß ein Teil der Bevölkerung hierdurch einer eventuellen zukünftigen Evakuierung entgehen möchte.“[8] 1942 wurden Mitglieder sowie deren Familien von Vertreibungs- und Umsiedlungsmaßnahmen ausdrücklich ausgenommen.[12]
Ab August 1942 mussten alle Mitglieder der D.V.G. samt Ehegatten und minderjährigen Kindern zusätzlich zur französischen die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf annehmen.[13] Grundlage war eine Verordnung des deutschen Innenministers,[14] die eine ganz bewusste Verletzung[15] internationalen Rechts darstellte und nach dem Kriege für „von Anfang an nichtig und rechtsunwirksam“ erklärt wurde.[16]
Nach der deutschen Niederlage in Stalingrad 1943 begann eine deutliche Absetzbewegung der mittleren und unteren Funktionärsschicht der D.V.G. und der Versuch, unter Vorwänden von Ämtern zurückzutreten.[17] Parallel zur D.V.G. wurde im März 1943 dann auch die NSDAP im CdZ-Gebiet Lothringen gegründet und sämtliche D.V.G.-Funktionäre ebenfalls in die NSDAP aufgenommen.
Mit der Befreiung Lothringens durch die US Army ab August 1944 und dem Tod Josef Bürckels im September 1944 endete praktisch die Tätigkeit der D.V.G., deren Apparat nach Deutschland verlegt wurde.
Strafprozesse nach der Befreiung
BearbeitenDie französische Justiz ging im Département Moselle milde mit den Landesverrätern um. Die Gerichtshöfe in Metz und Sarreguemines verurteilten von 1945 bis 1947 insgesamt lediglich 910 Kollaborateure, darunter zahlreiche D.V.G.-Funktionäre. Eugène Foulé wurde am 20. Dezember 1945 in Sarreguemines zu fünf Jahren,[18] der Propagandaleiter der D.V.G., Joseph Bilger, am 8. Juli 1947 in Metz zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Pascal Ory: Les collaborateurs 1940-1945. Paris 1976, S. 184.
- ↑ D.V.G. Westmark (Lothr.) statt Nationalsozialistische D.A.P.
- ↑ Aloys Ruppel: Führer durch Metz. Metz 1942, S. 60 und 132.
- ↑ Rede Josef Bürckels in Metz am 21. September 1940, abgedruckt in der NSZ Rheinfront am 22. September 1940.
- ↑ Fritz Hellwig: Lothringen. Eine gemeinfassliche Wirtschaftskunde. Saarbrücken 1942, S. 14.
- ↑ Übersicht über die Dienststellen, die der Finanzhoheit des RSM unterstehen und über die er die Finanzhoheit ausübt, Stand November 1944. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, BArch NS 1 / 154.
- ↑ Hans Schaefer: Bürckels Bauernsiedlung, Saarbrücken 1997, S. 40.
- ↑ a b Meldungen aus dem Reich (Nr. 135) vom 24. Oktober 1940. In: Heinz Boberach (Hrsg.): Meldungen aus dem Reich. Band 5. Herrsching am Ammersee 1984, S. 1704–1705.
- ↑ 24.210 Vertriebene laut SD-Angaben, zitiert bei: Dieter Wolfanger: Die nationalsozialistische Politik in Lothringen 1940–1945, Saarbrücken 1977, S. 146.
- ↑ 57.665 Vertriebene laut Le Républicain lorrain, Nancy, vom 20. Dezember 1940.
- ↑ Hans Schaefer: Bürckels Bauernsiedlung, Saarbrücken 1997, S. 66.
- ↑ Verordnung über die Mitgliedschaft in der Deutschen Volksgemeinschaft in Lothringen. Nr. 400 vom 7. Dezember 1942. In: Verordnungsblatt für Lothringen 1942, S. 514.
- ↑ Erste Anordnung über die Staatsangehörigkeit in Lothringen. Vom 29. August 1942. In: Verordnungsblatt für Lothringen 1942, S. 421.
- ↑ Verordnung über den Erwerb der Staatsangehörigkeit im Elsaß, in Lothringen und in Luxemburg. Vom 23. August 1942. In: Reichsgesetzblatt I, 1942, S. 533–534.
- ↑ Hans Globke (Vertreter des Reichsinnenministeriums) auf der vorbereitenden interministeriellen Besprechung am 5. Juni 1942. Zitiert in: Lothar Kettenacker: Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsaß. Stuttgart 1973, S. 235–236.
- ↑ Gesetz Nr. 12 der Alliierten Hohen Kommission vom 17. November 1949. In: Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland Nr. 4 vom 21. November 1949, S. 36.
- ↑ Hans Schaefer: Bürckels Bauernsiedlung, Saarbrücken 1997, S. 40.
- ↑ François Moulin: Lorraine années noires: de la collaboration à l'épuration. Strasbourg 2009, S. 279.