Deutschsprachige Emigration nach Uruguay 1933–1945

Die deutschsprachige Emigration nach Uruguay 1933–1945 betraf etwa 7.000 bis 7.500 Personen, eine genauere Zahl derjenigen Flüchtlinge, die im Hafen von Montevideo an Land gingen, lässt sich nicht ermitteln.[1] Uruguay nahm – bezogen auf seine Einwohnerzahl – mehr Juden auf als jedes andere Land Lateinamerikas.[2] Uruguay zählt deshalb zu den bedeutenden Asylländern für Flüchtlinge vor dem Nationalsozialismus, auch wenn die Redewendung vom „Einwanderungsparadies Uruguay“ nicht uneingeschränkt für die Emigranten zutraf.

„Einwanderungsparadies“ mit Restriktionen

Bearbeiten

Uruguay galt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als demokratisches Musterland Südamerikas, was sich aber ab 1929 änderte, als konservative und autoritäre Kräfte im Land starken Einfluss gewannen. Das wirkte sich ab 1933 auch auf die Immigrationsgesetzgebung aus, was nicht allein als Reaktion auf die nationalsozialistische Vertreibungspolitik bewertet wird, obschon antisemitisches Ressentiment in der uruguayischen Presse aufkam und 1938/39 seinen Höhenpunkt erreichte.[3] Insbesondere politischen Flüchtlingen wurde ab 1938 die Einreise erschwert, von Einwanderern wurden die Vorlage eines politischen Führungszeugnisses der Geheimen Staatspolizei verlangt sowie Referenzen über politische Einstellung und Ehrenhaftigkeit.[4] Dennoch wurde Einwanderung über den „Touristen-Schleichweg“ stillschweigend oder unter sehr freizügiger Auslegung der Gesetze geduldet, wobei der Handel mit Visa eine wichtige Rolle spielte. Eine Schiffsfahrkarte Erster Klasse plus 600 Pesos „Vorzeigegeld“ genügten, um ein Visum zu erhalten.[2] Im Gegensatz zur Gesetzgebung in Bolivien und Chile gab es keine rassistische Argumentation in den uruguayischen Immigrationsgesetzen.[5] Unter der Diktatur des Gabriel Terra wurden aber Kranke, Behinderte und andere, die der staatlichen Fürsorge zur Last gefallen wären, von der Einwanderung ausgeschlossen.[6]

Antifaschistischer Widerstand in Uruguay

Bearbeiten

1935 wurde in Montevideo die Pestalozzi-Schule gegründet. Sie ging aus einer Elterninitiative hervor, die sich der nationalsozialistischen Gleichschaltung der deutschen Schule in Montevideo widersetzte.[7]

1936 gründete die deutsche Theologin und Widerstandskämpferin Annemarie Rübens in Colonia Valdense das Haus Rübens. Das Landschulheim wurde zu einem wichtigen Treffpunkt für Emigranten aus Uruguay und Argentinien und ermöglichte vielen Emigrantenkindern Ferienaufenthalte.[8]

Erinnerungsorte

Bearbeiten

An der Schleusenbrücke in Hamburg erinnert eine Gedenktafel an die Brüder Rudolf und Otto Hirschfeld. Ihr Bekleidungsgeschäft war bis 1938 in Hamburg die erste Adresse für gehobene Konfektion. Eine ihrer Kundinnen war die Geliebte des uruguayischen Generalkonsuls in Hamburg, die nach den Novemberpogromen 1938 sogleich reagierte und für die Brüder Hirschfeld ein Visum erwirkte sowie einen Brief des Generalkonsuls an die Gestapo, der ihnen die sofortige Ausreise ermöglichte.[2]

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Irmtrud Wojak: Uruguay, in: Claus-Dieter Krohn u. a. (Hg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1998, 2. unveränderte Auflage 2008, ISBN 978-3-534-21999-5, S. 437–446.
  • Sonja Wegner: Zuflucht in einem fremden Land. Exil in Uruguay 1933–1945. Assoziation A, Berlin 2013, ISBN 978-3-86241-407-9.
  • Hermann Schnorbach: Für ein anderes Deutschland. Die Pestalozzischule in Buenos Aires (1934–1958). dipa-Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-7638-0353-X.
  • Wolfgang Kießling: Exil in Lateinamerika. 2. erweiterte Auflage. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1984.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Irmtrud Wojak: Uruguay. In: Claus-Dieter Krohn (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 437–446, hier S. 437. Bei Wegner ist die Rede von „etwa 10.000 deutschsprechenden jüdischen und einigen nicht-jüdischen, politischen Emigranten, die zwischen 1933 und 1943/44 in Uruguay Zuflucht fanden“, Sonja Wegner: Zuflucht in einem fremden Land. Exil in Uruguay 1933–1945. Assoziation A, Berlin 2013, S. 9.
  2. a b c Knut Henkel: Zielpunkt Neue Welt. In: die tageszeitung vom 11. Dezember 2013.
  3. Irmtrud Wojak: Uruguay. In: Claus-Dieter Krohn (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 437–446, hier S. 438.
  4. Irmtrud Wojak, Uruguay, in: Claus-Dieter Krohn (Hg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945, Sonderausgabe, 2., unveränderte Auflage, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, S. 437–446, hier S. 439.
  5. Die sonstigen politischen Äußerungen des Diktators Gabriel Terra standen im Widerspruch dazu. Er rechtfertigte die Einrichtung von Konzentrationslagern in Deutschland und warnte vor „jüdisch-kommunistischer“ Einwanderung. Vgl. Irmtrud Wojak: Uruguay. In: Claus-Dieter Krohn (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 437–446, hier S. 440.
  6. Irmtrud Wojak, Uruguay, in: Claus-Dieter Krohn (Hg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945, Sonderausgabe, 2., unveränderte Auflage, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, S. 437–446, hier S. 440.
  7. Hermann Schnorbach: Für ein anderes Deutschland, S. 203–205; ebenso: Wolfgang Kießling: Exil in Lateinamerika, S. 123–125.
  8. Sonja Wegner: Zuflucht in einem fremden Land, S. 265–267
Bearbeiten