Diaspor
Diaspor (auch Diasporit) ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung AlO(OH)[5] bzw. α-AlOOH[2] und entwickelt meist blättrige, körnige oder massige Aggregate, aber auch kleine, fein gestreifte Kristalle bis etwa 12 cm Größe in breiten Säulen mit vorherrschend entwickelter Längsfläche.
Diaspor | |
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Diaspor und Margarit aus Muğla, Ägäisregion, Türkei (Größe: 3,8 cm × 2,6 cm × 2,3 cm) | |
Allgemeines und Klassifikation | |
IMA-Symbol |
Dsp[1] |
Chemische Formel | α-AlOOH[2] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Hydroxide und oxidische Hydrate |
System-Nummer nach Strunz (8. Aufl.) Lapis-Systematik (nach Strunz und Weiß) Strunz (9. Aufl.) Dana |
IV/F.06 IV/F.06-010 4.FD.10 06.01.01.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | orthorhombisch |
Kristallklasse; Symbol | orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m |
Raumgruppe | Pbnm (Nr. 62, Stellung 3) |
Gitterparameter | a = 4,40 Å; b = 9,42 Å; c = 2,84 Å[2] |
Formeleinheiten | Z = 4[2] |
Zwillingsbildung | nach {021} |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 6,5 bis 7 |
Dichte (g/cm3) | 3,3 bis 3,5 |
Spaltbarkeit | vollkommen |
Bruch; Tenazität | muschelig; sehr spröde |
Farbe | farblos, weiß, weingelb, rosa, rötlich, violett, grau |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig bis durchscheinend |
Glanz | Glasglanz, Perlmuttglanz |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,682 bis 1,706 nβ = 1.705 – 1.725 nγ = 1,730 bis 1,752[3] |
Doppelbrechung | δ = 0,048[3] |
Optischer Charakter | zweiachsig positiv[3] |
Achsenwinkel | 2V = 84 bis 86° (gemessen); 80 bis 84° (berechnet)[3] |
Pleochroismus | stark: X= violettblau; Y= hellgrün; Z= rosa bis dunkelrot[4] |
Reiner Diaspor ist farblos. Er kann aber durch Fremdbeimengungen weiß bis grau, gelb, rosa, grün, rötlich bis violett oder bräunlich gefärbt sein. Seine Mohshärte beträgt 6,5 bis 7 und seine Dichte 3,3 bis 3,5 g/cm³.
Diaspor wird aufgrund der Namensähnlichkeit gelegentlich mit dem Bleisilberantimonit Diaphorit verwechselt.
Etymologie und Geschichte
BearbeitenDer Name Diaspor ist abgeleitet vom griechischen Wort διασπείρειν (diaspeirein) für zerstreuen.[6] René-Just Haüy wollte mit der 1801 in seiner Mineralbeschreibung gewählten Bezeichnung auf dessen Eigenschaft hinweisen, beim Erhitzen vor dem Lötrohr unter Wasserabgabe in kleine Teilchen zu zerstäuben bzw. zu zerspringen.[7] Diese Eigenschaft wird auch als Dekrepitieren (Decrepitieren) bezeichnet.[8]
Als Typlokalität gilt Mramorskii Zavod (Mramorsk Zavod, Мраморский Завод) nahe der Stadt Jekaterinburg in der russischen Oblast Swerdlowsk.[3][9]
Klassifikation
BearbeitenIn der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Diaspor zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Hydroxide und oxidische Hydrate“, wo er zusammen mit Akaganeit, Böhmit, Feitknechtit, Feroxyhyt, Goethit, Groutit, Lepidokrokit, Manganit, Schwertmannit und Tsumgallit die unbenannte Gruppe IV/F.6 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Diaspor in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Hydroxide (ohne V oder U)“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit von Kristallwasser sowie nach der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Hydroxide mit OH, ohne H2O; mit Ketten aus kantenverknüpften Oktaedern“ zu finden ist, wo es zusammen mit Bracewellit, Goethit, Groutit, Guyanait, Montroseit und Tsumgallit die unbenannte Gruppe 4.FD.10 bildet.
Auch die Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Diaspor in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Hydroxide und hydroxyhaltige Oxide“ ein. Hier ist der Diaspor namensgebenden und mit den weiteren Mitgliedern Groutit, Montroseit, Bracewellit und Tsumgallit in der „Diasporgruppe (Orthorhombisch, Pnma oder Pnmd)“ mit der System-Nr. 06.01.01 innerhalb der Unterabteilung der „Hydroxide und hydroxyhaltigen Oxide mit der Formel: X3+O OH“ zu finden.
Kristallstruktur
BearbeitenDiaspor kristallisiert im orthorhombisch in der Raumgruppe Pbnm (Raumgruppen-Nr. 62, Stellung 3) , den Gitterparametern a = 4,40 Å, b = 9,42 Å und c = 2,84 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]
Sauerstoff und Hydroxidionen bilden eine hexagonal dichteste Kugelpackung mit Lücken auf den Oktaeder-Plätzen, die vom Aluminium ausgefüllt werden. In Richtung der c-Achse entstehen auf diese Weise lange Doppelketten aus AlO6-Oktaedern, die von Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden.
Eigenschaften
BearbeitenDiaspor zeigt starken Pleochroismus, das heißt, er erscheint violettblau in Richtung x-Achse, hellgrün in Richtung y-Achse und rosa bis dunkelrot in Richtung z-Achse.[4]
Chemisch besteht Diaspor wesentlich aus Aluminiumhydroxid Al2O2(OH)2 oder AlO(OH), mit 85,02 % Tonerde und 14,98 % Wasser und Beimengungen von etwas Eisenoxid. Er wird mit Cobaltlösung blau, Säuren lösen ihn nicht und erst nach starkem Glühen wird er in Schwefelsäure löslich.
Modifikationen und Varietäten
BearbeitenDie Verbindung AlO(OH) ist dimorph, kommt also in der Natur neben dem orthorhombisch kristallisierenden Diaspor noch als ebenfalls orthorhombisch, aber in einer anderen Raumgruppe kristallisierender Böhmit vor.[10]
Es sind verschiedene Varietäten von Diaspor bekannt:
- Chrom-Diaspor enthält geringe Beimengungen des Elements Chrom und ist dadurch von hell- bis dunkelvioletter Farbe
- Mangan-Diaspor enthält Beimengungen an Mangan, der dem Mineral eine rosarote bis dunkelrote Farbe verleiht
Bildung und Fundorte
BearbeitenDiaspor bildet sich entweder hydrothermal oder metamorph aus aluminiumreichen Mineralen bzw. in aluminiumreichen Gesteinen. Begleitminerale sind unter anderem Pyrophyllit und Korund. Diaspor ist zudem ein Gemengeanteil von Bauxit.
Diaspor gehört zu den eher selten vorkommenden Mineralbildungen, die an verschiedenen Fundorten zum Teil reichlich vorhanden sein können, insgesamt aber wenig verbreitet sind. Insgesamt sind bisher (Stand 2015) rund 440 Fundorte bekannt.[11] Neben seiner Typlokalität Mramorskii Zavod und weiteren Orten im Föderationskreis Ural trat das Mineral in Russland noch an verschiedenen Fundorten in Ost- und Westsibirien, der Fernöstlichen Republik und im Föderationskreis Nordwestrussland zutage.
In Deutschland konnte das Mineral bisher nur am Silberberg bei Bodenmais in Bayern sowie bei Vierkirchen (Oberlausitz), Königshain, Hetzdorf-Landberg/Mohorn (Gemeinde Wilsdruff) und Callenberg in Sachsen gefunden werden.
In Österreich fand man Diaspor unter anderem am Unteren Grabner bei Lölling in Kärnten, am Marchgraben bei Dreistetten sowie bei Wolfsbach und Zissersdorf in der Gemeinde Drosendorf-Zissersdorf in Niederösterreich, in einer Bauxit-Grube am nördlichen Fuß des Untersbergs oberhalb von Glanegg (Marktgemeinde Grödig) im Salzburger Land, in einer Bauxit-Lagerstätte bei Hieflau und am Brandberg bei Leoben in der Steiermark, bei Brandenberg im Inntal und am Großen Greiner im Zillertal in Tirol.
In der Schweiz kennt man das Mineral bisher nur aus Brunnihore (Gemeinde St. Stephan BE) im Kanton Bern, Venett/Campolungo im Val Piumogna im Kanton Tessin und Pointe de Dréveneuse (Gemeinde Collombey-Muraz) im Wallis.
Erwähnenswert aufgrund außergewöhnlicher Diasporfunde ist unter anderem der Fluss Menderes bei Yatağan in der türkischen Provinz Muğla, wo bis zu 12 cm große, tafelige Kristalle gefunden wurden.[12][13]
Weitere Fundorte liegen unter anderem in der Antarktis, in Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, der Dominikanischen Republik, Ecuador, Eswatini, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grönland, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kambodscha, Kanada, Kasachstan, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Marokko, Mazedonien, der Mongolei, Myanmar (Burma), Namibia, Neuseeland, Norwegen, Papua-Neuguinea, Peru, auf den Philippinen, Portugal, Rumänien, auf den Salomonen, Schweden, in Serbien, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Südafrika, Südkorea, Sudan, Taiwan, Tansania, Tschechien, Ungarn, Uruguay, im Vereinigten Königreich (UK) und in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[14]
Verwendung
BearbeitenDiaspor findet als Schleifmittel und Poliermittel Verwendung.
In der Schmuckindustrie wird Diaspor häufig unter dem Markennamen Zultanit[15] als Edelstein verkauft. Diaspor zeigt gelegentlich einen Farbwechsel von grün im Tageslicht zu gelb bis orange im Kunstlicht.
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
BearbeitenIn Kompendien:
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 551 (Erstausgabe: 1891).
- Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 58.
Wissenschaftliche Fachartikel:
- Roderick J. Hill: Crystal structure refinement and electron density distribution in diaspore. In: Physics and Chemistry of Minerals. Band 5, Nr. 2, 1979, S. 179–200, doi:10.1007/BF00307552.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
- ↑ a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 235.
- ↑ a b c d e Mindat – Diaspore
- ↑ a b Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten. 1900 Einzelstücke. 16. überarbeitete Auflage. BLV Verlag, München 2014, ISBN 978-3-8354-1171-5, S. 50.
- ↑ IMA/CNMNC List of Mineral Names; July 2015 ( vom 5. September 2015 im Internet Archive) (PDF 1,5 MB; S. 48)
- ↑ Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 203.
- ↑ R. J. Haüy: VII. Diaspore (m.), c'est-à-dire, qui se disperse. In: Traité de Minéralogie. Band 4. Chez Louis, Paris 1801, S. 358–360 (rruff.info [PDF; 326 kB]).
- ↑ Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 486.
- ↑ Mineralienatlas:Diaspor
- ↑ Diaspore. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 64 kB; abgerufen am 6. April 2018]).
- ↑ Mindat – Anzahl der Fundorte für Diaspor
- ↑ Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Nebel Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 109.
- ↑ Mindat – Bildbeispiel eines 12 cm großen Diasporkristalls vom Menderes, Yatağan, Muğla, Türkei
- ↑ Fundortliste für Diaspor beim Mineralienatlas und bei Mindat
- ↑ Namenssuche. Handelsnamen und was sie bedeuten. EPI – Institut für Edelsteinprüfung, abgerufen am 6. April 2018 (Eingabe von Zultanit nötig).