Die Hirtenflöte (Schnitzler)

Erzählung von Arthur Schnitzler

Die Hirtenflöte ist eine Erzählung von Arthur Schnitzler, die 1909 entstanden, am 9. September 1911 in der Literaturzeitschrift Die neue Rundschau in Berlin erschien. Der Autor nahm das kleine Werk in seine Novellensammlung „Masken und Wunder“ (S. Fischer, Berlin 1912) auf.[1]

 
Richard Teschner: Nächtlicher Besuch des Astronomen (Szene aus Schnitzlers Hirtenflöte), 1911

In vorgerücktem Alter heiratet der wohlhabende Liebhaber-Astronom Erasmus die anmutige, gerade verwaiste Dionysia. Verwundert vernimmt die junge Frau nach drei Ehejahren den Beschluss des Gatten. Er gibt sie frei und wird sie jederzeit in sein Haus wieder aufnehmen, sogar wenn sie draußen die Ehe bräche.

Dionysia geht barfuß im Nachtgewand hinaus zu einem jungen Hirten. Im Streit zerbricht sie dessen Flöte und bleibt doch bei ihm. Als Dionysia des Hirten überdrüssig wird und sich nach Erasmus sehnt, trifft sie auf dem Nachhauseweg einen reichen Fabrikanten. Sie wird seine Geliebte und steigt auf dessen Schloss zur Herrin auf. Zwar lindert Dionysia das Leid der bettelarmen Lohnarbeiterfamilien nach Kräften, doch sie kommt nicht gegen die herrschende Ordnung an. Revolte bricht aus. Nachdem der Geliebte mit Hilfe der Staatsmacht den Aufstand niedergeschlagen hat, verlässt die junge Frau ihn. Unterwegs gerät Dionysia unter Aufrührer und wird nachts von einem der Männer gewaltsam genommen. Bald darauf wird sie in der ummauerten Stadt die Geliebte des jungen Herrn Grafen. Als dieser in den Krieg ziehen muss, schließt Dionysia sich ihm an und ficht an seiner Seite blutige Schlachten aus. Der Graf fällt. Dionysia begräbt ihn und bringt im darauf folgenden Frühling sein Kind, einen Knaben, zur Welt. Die vom Volke verehrte Heldin lebt auf dem Schloss des Verstorbenen. Menschen in Dionysias Umkreis wenden sich zum ersten Mal von der jungen Mutter ab, als der Fürst seine Gattin verstößt und sich in Dionysia verliebt. Liebes- und machthungrig erreicht es Dionysia beim Fürsten schließlich, dass ihr Sohn zum Prinzen ausgerufen wird. Das Maß ist voll. Dionysia findet ihr Kind ermordet vor. Der Fürst wendet sich von der Verzweifelten ab.

Dionysia erreicht Erasmus mit Mühe und Not. Der weise Sternenfreund heißt sie willkommen und möchte sein Versprechen halten. Doch Dionysia klagt ihn an. Er liebe sie nicht. Sein Herz sei müd, und er habe sie hinausgeschickt, eine Flöte zu zerbrechen, eine Flöte, „deren Töne der Geliebten Verführung drohten“.[2] Dionysia geht fort und ward nie mehr gesehen.

Rezeption

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  • Nach Perlmann[3] wird Dionysia von Erasmus in die Welt geschickt, um ihre im Unterbewussten schlummernden Wünsche und somit sich selbst kennenzulernen. Das Experiment misslingt. Dionysia, zurückgekehrt, verlässt Erasmus, den Rationalisten.
  • Michael Scheffel weist in seiner knappen, aber treffenden Analyse dieser Schnitzlerschen Märchenwelt auf den sprechenden Namen Dionysia hin.[4]
  • Wolf bespricht die Novelle[5] im Zusammenhang mit gescheiterten Filmprojekten des Autors.[6]
  • Perlmann[7] gibt weiter führende Arbeiten an: Maja D. Reid (1971), Gutt (1978), S. Allerdissen (1985) und Rolf Geißler (1986).
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Literatur

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Quelle
  • Arthur Schnitzler: Die Hirtenflöte. S. 7–41 in Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Arthur Schnitzler: Casanovas Heimfahrt. Erzählungen 1909 - 1917. Mit einem Nachwort von Michael Scheffel. S. Fischer, Frankfurt am Main 1961 (Ausgabe 1999). 495 Seiten, ISBN 3-10-073553-6
Erstausgabe in Buchform
  • Arthur Schnitzler: Masken und Wunder. Novellen. S. Fischer Verlag Berlin 1912. 189 Seiten. Enthält Die Hirtenflöte, Der Tod des Junggesellen, Der Mörder, Der tote Gabriel, Das Tagebuch der Redegonda und Die dreifache Warnung.
Hörbuch
  • Arthur Schnitzler: Die Hirtenflöte. Eine Liebesnovelle. Gelesen von Ernie Wilhelmi und Jan Koester, Mit einem Beitrag von August Everding. NOANOA Hörbuchedition und Theaterverlag, August 1999, ISBN 978-3-932929-10-6. 1 CD, Laufzeit 69 Min.
Sekundärliteratur
  • Michaela L. Perlmann: Arthur Schnitzler. Sammlung Metzler, Bd. 239. Stuttgart 1987. 195 Seiten, ISBN 3-476-10239-4
  • Claudia Wolf: Arthur Schnitzler und der Film. Bedeutung. Wahrnehmung. Beziehung. Umsetzung. Erfahrung. Dr. phil. Dissertation vom 2. August 2006, Universitätsverlag Karlsruhe (TH) 2006. 198 Seiten, ISBN 3-86644-058-8
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A – Z. S. 555, rechte Spalte, 13. Z.v.u. Stuttgart 2004. 698 Seiten, ISBN 3-520-83704-8

Einzelnachweise

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  1. Quelle, S. 489, erster Eintrag
  2. Quelle, S. 39, 2. Z.v.u.
  3. Perlmann, S. 113–114
  4. Nachwort in der Quelle, S. 481, 9. Z.v.u.
  5. Wolf, S. 116 unten bis S. 120
  6. Zitiert in Wolf, S. 115/116: Zu Lebzeiten Schnitzlers kam es zu fünf Verfilmungen: "Liebelei" (1914 und 1927), "Medardus" (1923), "Freiwild" (1928) und "Fräulein Else" (1929). Entwürfe blieben hingegen (in runden Klammern das Jahr des Entwurfs): "Die Hirtenflöte" (1913), "Der Ruf des Lebens" (1920), "Der Schleier der Pierette" (1921), "Die große Szene" (1926), "Spiel im Morgengrauen" (1928) und "Traumnovelle" (1930).
  7. Perlmann, S. 114, letzter Eintrag