Die Kraniche des Ibykus

Ballade von Friedrich Schiller (1798)

Die Kraniche des Ibykus ist eine Ballade von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1797. Sie wurde erstmals in Schillers Musen-Almanach für das Jahr 1798 veröffentlicht.

Musen-Almanach für das Jahr 1798

Auf seinem Weg zu den Isthmischen Spielen in Korinth wird der Dichter Ibykos von zwei Mördern erschlagen. Mit letztem Atem ruft er Kraniche, die in diesem Moment vorüberfliegen, als Zeugen des Verbrechens an. Nachdem sein nackter Leichnam gefunden und identifiziert ist, versammelt sich eine große Menschenmenge im Schmerz um den toten Dichter im Theater. Der Chor trägt einen markerschütternden Rachegesang der Erinnyen vor, der dem Mörder unversöhnliche, auch im Tod nicht endende Verfolgung ankündigt und im Publikum „Stille wie des Todes Schweigen“ auslöst. In diese schallt von den höchsten Stufen des Theaters, während ein „Kranichheer“ den Himmel verfinstert, eine Stimme: „Sieh da! Sieh da, Timotheus, Die Kraniche des Ibykus!“ Das ganze Auditorium erkennt die Mörder auf einen Schlag:

Man reißt und schleppt sie vor den Richter,
Die Scene wird zum Tribunal,
Und es gestehn die Bösewichter,
Getroffen von der Rache Strahl.

Als Ballade enthält das Gedicht Elemente aller drei Grundformen des Poetischen:

Lyrische Elemente

Epische Elemente

Dramatische Elemente

  • Inhaltlich: Auftritt der Erinnyen, die Szene wird zum Tribunal
  • Wörtliche Rede
  • Dramatisches Präsens (zugleich auch Historisches Präsens)

Schiller macht hier die Wirkung der Künste im gesellschaftspolitischen Bereich zum Thema. Er begreift das Theater als „Moralische Anstalt“, die große pädagogische Auswirkungen haben kann. In dieser Ballade zeigt er die Wirkung einer Aufführung im griechischen Theater: „… Besinnungsraubend, herzbetörend | Schallt der Erinnyen Gesang, | Er schallt, des Hörers Mark verzehrend …“ Folge dieser Aufführung ist, dass einer der Täter sich und seinen Komplizen entlarvt, damit die irdische Gerechtigkeit tätig werden kann.

„Und immer noch halte ich für die schönste deutsche Ballade jene, die vom Ibykus, dem Götterfreund, erzählt.“

Marcel Reich-Ranicki[1]

Literatur

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  • Klaus Köhnke: ‘Des Schicksals dunkler Knäuel’: Zu Schillers Ballade ‘Die Kraniche des Ibykus’. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, 1989, 108:4, S. 481–495.
  • Karl Moritz: Deutsche Balladen. Analysen für den Deutschunterricht. Schöningh, Paderborn 1972, ISBN 3-506-72814-8.
  • Heinz Politzer: Szene und Tribunal: Zur Dramaturgie einer Schiller-Ballade. In: Neue Rundschau, 1967, 78, S. 454–468.
  • Helmuth Rehder: ‘Die Kraniche des Ibykus’: The Genesis of a Poem. In: Journal of English and Germanic Philology, 1949, 48, S. 543–567.
  • Wulf Segebrecht: Naturphänomen und Kunstidee. Goethe und Schiller in ihrer Zusammenarbeit als Balladendichter, dargestellt am Beispiel der Kraniche des Ibykus. In: Karl Richter, Jörg Schönert (Hrsg.): Klassik und Moderne: Die Weimarer Klassik als historisches Ereignis und Herausforderung im kulturgeschichtlichen Prozeß. Schönert, Stuttgart 1983, S. 194–206.
  • Benno von Wiese: Schillers Ballade ‘Die Kraniche des Ibykus’ und ihr Zusammenhang mit Schillers Auffassung vom Theater. In: German Quarterly, 1956, 29:3, S. 119–123.
  • Friedrich-Wilhelm Wentzlaff-Eggebert: Schiller: ‘Die Kraniche des Ibycus’. In: Walther Müller-Seidel, Albrecht Weber (Hrsg.): Wege zum Gedicht. Band II: Interpretationen von Balladen. Schnell und Steiner, München / Zürich 1963, S. 213–228.
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Wikisource: Die Kraniche des Ibycus – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Marcel Reich-Ranicki: Der Fall Heine. dtv, München 2000, S. 79