Die Kugelspielerin (Düsseldorf)

Bronzeskulptur des Bildhauers Walter Schott

Die Kugelspielerin ist eine Skulptur des Bildhauers Walter Schott und gilt als dessen Hauptwerk. Sie entstand in den Jahren 1895 bis 1897 in Berlin. Ein lebensgroßer Bronzeguss steht im Blumengarten an der Königsallee in Düsseldorf, weitere Kunstgüsse befinden sich in Mannheim und Langen (Hessen), eine Kopie in Berlin-Köpenick. Eine Marmorfassung ist im Park von Gut Waltersdorf bei Heideblick (Landkreis Dahme-Spreewald, Brandenburg) erhalten. Daneben existieren eine Vielzahl von Statuetten der Figur, in Bronze, Chryselephantin und Meißner Porzellan.

Die Kugelspielerin in Düsseldorf, 2015
Frontalansicht

Beschreibung und Bedeutung

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Die 1,36 Meter hohe Statue zeigt die Figur einer jungen Frau beim Wurf einer Kugel. In leicht gekrümmter Haltung, den linken Arm zum Ausbalancieren auf den Rücken genommen, wirft sie die Kugel gezielt – wie beim Boccia- oder Boule-Spiel – aus der geöffneten Hand des nach vorn gestreckten rechten Arms. Ihr Blick ist auf den ballistischen Zielpunkt des Wurfs fixiert. Die welligen Strähnen des langen Haupthaars fallen ihr auf die Schultern und unterstreichen den natürlichen und dynamischen Charakter der Figur. Die rechte Brust ist wie bei einer Amazone entblößt. Der Saum ihres armfreien, in der Taille gegürteten, leichten Kleides – eines Chitons, der wie ein zartes Negligé wirkt und die Körperformen detailliert nachzeichnet – wirbelt im Luftstrom der Bewegung. Die Figur fußt auf einer runden Plinthe, deren Seitenfläche mit einem Doppelmäander (Laufender Hund) verziert ist.

Die Darstellung rezipiert die Bildhauerei der Antike in einer Kunstauffassung, die von Neobarock, Neoklassizismus, Naturalismus und Jugendstil geprägt ist, und steht in der Tradition antiker und nachantiker Genrestatuen, die den menschlichen Körper in klassischen Posen, Bewegungen und Verrichtungen wiedergeben. Gleichzeitig traf sie das Schönheitsideal der Lebensreform des ausgehenden 19. Jahrhunderts, indem sie den weiblichen Körper, barfüßig und befreit von steifer Kleidung, in natürlicher und sportlicher Bewegung zeigt.

Geschichte und Rezeption

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Walter Schott in seinem Atelier, rechts die Kugelspielerin, 1899

Die Figur schuf Schott, ein Vertreter der Berliner Bildhauerschule, als auftragsfreie Arbeit unter den Augen seines Künstlerfreundes Reinhold Begas,[1] erst als Statuette nach einer Reihe von Skizzen, dann als Arbeit nach einem Modell. Die Entstehung reicht in das Jahr 1895 zurück.[2] Inspiriert wurde er durch die Beobachtung mit Murmeln spielender Kinder in Berlin. Bildhauerisches Vorbild war die „Berliner Tänzerin“ (heute Pergamonmuseum), eine berühmte, 1874 aus Rom angekaufte antike Marmorstatue[3][4] nach dem Vorbild der „tanzenden Mänade“ des griechischen Bildhauers Skopas aus der Zeit um 330 v. Chr.[5] Schotts Figur einer Kindfrau mit „eindeutig erotischer Ausstrahlung“, einer Mischung aus Jungfrau und Femme fatale, erinnert an zeitgenössische literarische Figuren wie Ibsens Nora und Wedekinds Lulu.[6] Sie ist kein typisches Werk des Künstlers, der im öffentlichen und staatlichen Auftrag zahlreiche Reitermonumente und Kriegerdenkmäler fertigte. Er griff mit der Figur ein Sujet auf, das in der Nachfolge von Georg Christian Freunds Kugelspieler (1857) und Adolf Hildebrands Kugelspieler (1885/1886) ein beliebtes Genremotiv der Berliner Bildhauerschule wurde.[7] Über Schotts Kugelspielerin sagte Begas einige Jahre später, sie sei „die beste Figur, die im letzten Jahrhundert entstanden ist.“[8]

 
Die Kugelspielerin als Marmorskulptur auf der Münchener Jahres-Ausstellung im Königlichen Glaspalast, 1898

Das Werk traf den Geschmack des Kunstpublikums und wurde ein großer Erfolg. Sein Schöpfer wurde 1898 zum Professor ernannt. Die Figur wurde in zwei Ausführungen geschaffen – zunächst unbekleidet, dann mit einem Kleid bedeckt – und in unterschiedlichen Materialien und Formaten ausgeformt, etwa 1910 von der Königlich-Sächsischen Porzellan-Manufaktur Meissen zu deren 200-jährigen Jubiläum in Meißner Porzellan. Statuetten der unbekleideten Variante vertrieb die Berliner Firma Gebrüder Micheli in „Carrarit“ (Gussmasse zur Imitation von Carrara-Marmor) und Elfenbeinmasse.[9] Die bekleidete Variante entwickelte sich zum Verkaufsschlager des internationalen Kunsthandels. Einen der seltenen lebensgroßen Bronzegüsse erwarb der Berliner Verleger Rudolf Mosse, ein Kunstfreund und Mäzen Schotts, für den Ehrenhof des Mosse-Palais.[10] Einer dieser Güsse befindet sich heute vor der Mercedes-Benz-Hauptverwaltung Mannheim. Auch im Garten von Schloss Wolfsgarten in Langen (Hessen) befindet sich ein solcher Guss.[11][12] Ein weiterer lebensgroßer Guss von Walter Gladenbeck (1866–1945), dessen Kunstgießerei in Friedrichshagen (Gladenbecks Bronzegießerei, 1892–1911) auch Statuetten der Figur in verschiedenen Größen goss,[13][14] stand ab 1925 im Luisenhain vor dem Rathaus in Berlin-Köpenick und verschwand dort Anfang der 1950er Jahre spurlos.[15] Als Fehler erwies sich die Angabe im Allgemeinen Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, einen Guss oder eine Marmorstatue der Kugelspielerin besäße die Alte Nationalgalerie in Berlin.[16] Kolportiert wurde lange auch, dass ein Guss nach New York gelangte.[17][18] Als Marmorskulptur blieb die Kugelspielerin in Gutspark Waltersdorf in Heideblick (Brandenburg) erhalten.[19][20] Fotografien der Kugelspielerin wurden als Postkarten vermarktet. Hierzu entstanden Aufnahmen eines als Tableau vivant posierenden Modells in Schwarz-Weiß und in Farbe.[21]

 
Die Kugelspielerin im Ausstellungsraum der Kunstgenossenschaft Berlin (Verein Berliner Künstler) auf der Deutsch-Nationalen Kunstausstellung im Kunstpalast Düsseldorf, 1902

Eine Gipsfassung der Kugelspielerin präsentierte Schott bereits 1896 in der Jahres-Ausstellung im Münchner Glaspalast.[22] Als Bronzebildwerk war die Figur auf der Großen Berliner Kunstausstellung des Jahres 1897 zum ersten Mal öffentlich zu sehen, bald darauf in der Internationalen Kunst-Ausstellung Dresden 1897. 1898 stellte man eine Marmor-Version der Figur auf der Jahres-Ausstellung im Glaspalast München aus.[23][24] Auf der Weltausstellung Paris 1900 prämierte man Schotts Kugelspielerin mit einer großen Goldmedaille.[25] Auf der Deutsch-Nationalen Kunstausstellung des Jahres 1902 in Düsseldorf dominierte die Kugelspielerin den Ausstellungsraum des Vereins Berliner Künstler im Kunstpalast.

 
Die Kugelspielerin (links) im Treppenhaus der Kunsthalle Düsseldorf, 1904

Der Düsseldorfer Stadtverordnete und Fabrikbesitzer Gustav Herzfeld (1828–1917) erwarb den in Düsseldorf gezeigten Guss[26] und machte ihn auf Anregung von Fritz Roeber im Jahr 1902 seiner Stadt „zur Erinnerung an die so großartig verlaufene Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Düsseldorf“ zum Geschenk.[27] Zunächst präsentierte man die Statue im Treppenhaus der Kunsthalle.[28] Zur Verschönerung der Königsallee wurde sie 1932[29] in der Achse des Stadtgrabens in einem Blumenparterre nahe der Graf-Adolf-Straße aufgestellt.[30] In der Zeit des Nationalsozialismus, in der der Bereich in Adolf-Hitler-Platz umbenannt war, sollte die Figur von dort verschwinden, weil ihr Spender jüdischer Herkunft war. Peter Grund, dem Direktor der Kunstakademie Düsseldorf und Leiter der Landesstelle Rheinland der Reichskammer der bildenden Künste, gelang es 1935, die Beseitigung des Kunstwerks abzuwenden, indem er vorschlug, bloß die Stiftertafel zu entfernen.[31][32]

1951 und 1964 wurde die Figur durch Vandalismus vom Sockel gerissen und musste instand gesetzt werden.[33] 2018 fertigte die Düsseldorfer Kunstgießerei Schmäke einen Abguss der Düsseldorfer Kugelspielerin, damit Anfang 2019 durch den Verein Volkspark Luisenhain Berlin-Köpenick und die Bürgerinitiative Luisenhain mit Unterstützung des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick eine Kopie im Luisenhain Köpenick aufgestellt werden konnte.[34]

Literatur

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  • Gisela Schlemmer: Walter Schott (1861–1938). Leben und Werk eines Berliner Bildhauers der Wilhelminischen Zeit. Dissertation, Freie Universität Berlin, Berlin 1994, S. 79 ff.
  • Wolfgang Funken: Ars Publica Düsseldorf. Geschichte der Kunstwerke und kulturellen Zeichen im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt. Band 1: Altstadt, Carlstadt, Stadtmitte, Hofgarten, Pempelfort. Klartext Verlag, Essen 2012, ISBN 978-3-8375-0775-1, S. 315, Objekt-Nr. 0266.
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Commons: Kugelspielerin (Walter Schott) (Düsseldorf) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Waldemar Grzimek: Berliner Kunst von 1770–1930. Studiensammlung. Berliner Kunst aus Privatbesitz. Berlin Museum, Berlin 1982, S. 89.
  2. Uta Lehnert: Der Kaiser und die Siegesallee. Reimer, Berlin 1998, ISBN 978-3-496-01189-7, S. 385.
  3. Willmuth Arenhövel, Christa Schreiber (Hrsg.): Berlin und die Antike. Deutsches Archäologisches Institut, Wasmuth, Berlin 1979, S. 429.
  4. Die Berliner Tänzerin, Webseite im Portal abgussmuseum.de, abgerufen am 22. November 2020.
  5. Gisela Schlemmer, S. 79.
  6. Hans Sonntag: Porzellan-Ikone mit „lieblichem Gesichtchen“. Artikel vom 27. September 2018 im Portal meissnertageblatt.de, abgerufen am 21. November 2018.
  7. Ursula Heiderich: Die Skulpturen in der Kunsthalle Bremen. Verlag H. M. Hauschild, Bremen 1993, ISBN 978-3-929902-04-4, S. 337.
  8. Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz, Band 8, 1971, S. 181.
  9. Gisela Schlemmer, S. 86.
  10. 1934 gelangte dieser Bronzeguss in die Versteigerung von Mosses Kunstbesitz durch Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus. – Vgl. Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus: Kunstsammlung Rudolf Mosse, Berlin, Katalog Nr. 2075, Berlin 1934, S. 34, Nr. 129 (Digitalisat).
  11. Hans Gerlach: Die Gartenanlagen von Schloß Wolfsgarten. In: Die Gartenwelt. Illustrierte Wochenschrift für den gesamten Gartenbau. Jahrgang 21, Nr. 6 (9. Februar 1917), S. 67, Abb. 3: „Kugelwerferin im Park des Jagdschlosses Wolfsgarten“, Aufnahme von Susanna Hohmann (PDF).
  12. Historisches Foto aus dem Schlosspark Wolfsgarten.
  13. Bronzen, Katalog der Akt.-Ges. vorm. H. Gladenbeck & Sohn, Bildgießerei, Berlin-Friedrichshagen, um 1910, S. B 68, Nr. 1841.
  14. ‚Kugelwerferin‘, 1897 – Schott, Walter, Webseite im Portal quittenbaum.de, abgerufen am 12. Oktober 2020.
  15. Die Kugelspielerin kehrt zurück (Memento des Originals vom 12. Oktober 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/abendblatt-berlin.de, Artikel vom 24. Dezember 2018 im Portal abendblatt-berlin.de, abgerufen am 12. Oktober 2020.
  16. Schott, Walter. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 30: Scheffel–Siemerding. E. A. Seemann, Leipzig 1936, S. 268 (biblos.pk.edu.pl). Ralf Drescher: Trotz Suche: Plastik bleibt verschwunden. Artikel vom 4. April 2016 im Portal berliner-woche.de, abgerufen am 21. November 2020.
  17. Hans Maes (Hrsg.), Alfons Houben u. a.: Düsseldorf in Stein und Bronze. Triltsch Verlag, 2. neu bearbeitete Auflage, Düsseldorf 1984, ISBN 3-7998-0018-2, S. 75.
  18. Vermutet wird eine Verwechslung mit Schotts Figurengruppe Drei tanzende Mädchen (vor 1910), eine Schenkung von Irwin Untermyer (1886–1973) zur Erinnerung an dessen Vater Samuel Untermyer („Untermyer Foutain“ im Central Park, New York).
  19. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler: Brandenburg. Deutscher Kunstverlag, München 2000, S. 1086.
  20. Datenblatt Kugelspielerin, Webseite im Portal ns.gis-bldam-brandenburg.de, abgerufen am 22. November 2020.
  21. Beim Festspiel zur 200-jährigen Jubelfeier der Königlich Sächsischen Porzellan-Manufaktur Meissen wurden diverse Porzellanfiguren von echten Modellen als Tableau vivant nachgestellt, darunter auch die Figur der Kugelspielerin, abgebildet auf der Postkarte Nr. 6 der Folge 14 des Verlags Reinhard Rothe/Mühlbach’s Künstlerpostkarten.
  22. Münchener Jahres-Ausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Königl. Glaspalaste 1896. Katalog, Künstler-Genossenschaft, München 1896, S. 55, Nr. 816a: „Kugelspielerin. (Gyps)“.
  23. Münchener Jahres-Ausstellung Glaspalast 1898. Offizieller Katalog, München 1898, S. 136, Nr. 1591, Saal 61 (Digitalisat).
  24. Die Kunst für Alle. Jahrgang 13 (1897/1898), Heft 21 (1. August 1898), S. 333 (Digitalisat).
  25. Ute Lehnert, S. 385.
  26. Die Kunst für Alle. Jahrgang 18 (1903), S. 176, 196.
  27. Bericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Düsseldorf für den Zeitraum vom 1. April 1902 bis 31. März 1903. Düsseldorf 1903, S. 93 (Digitalisat).
  28. Verzeichnis der in der Städtischen Gemälde-Sammlung befindlichen Kunstwerke. Düsseldorf 1902, S. 59, Nr. 152 (Digitalisat).
  29. Valentina Meissner: „Kugelspielerin“ wieder zurück im Kö-Gärtchen. In: duesseldorf.de, abgerufen am 12. Oktober 2020.
  30. Hugo Weidenhaupt (Hrsg.): Ein nichtarischer Deutscher. Die Tagebücher des Albert Herzfeld 1935–1939. Triltsch Verlag, Düsseldorf 1982, S. 8.
  31. Rolf Purpar: Kunststadt Düsseldorf. Objekte und Denkmäler im Stadtbild. Grupello Verlag, 2. Auflage, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-89978-044-4, S. 74.
  32. Carolin Scholz: Die Königsallee auf den zweiten Blick, Artikel vom 5. Januar 2016 im Portal wz.de, abgerufen am 12. Oktober 2020.
  33. Daniel Schrader: Wie die Kugelspielerin eine Schwester bekam, Artikel vom 1. April 2019 im Portal giesserei.eu, abgerufen am 12. Oktober 2020.
  34. Ralf Descher: „Die Kugelspielerin“ steht wieder im Luisenhain, Artikel vom 23. Januar 2019 im Portal berliner-woche.de, abgerufen am 12. Oktober 2020.

Koordinaten: 51° 13′ 9,3″ N, 6° 46′ 43,3″ O