Die kleine Weltlaterne

ursprünglich im Berliner Ortsteil Kreuzberg gelegene Kneipe

Die Kleine Weltlaterne ist eine ursprünglich im Berliner Ortsteil Kreuzberg gelegene Kneipe, die als Künstlerkneipe in den 1960er und 1970er Jahren bundesweite Anziehungskraft entwickelte.[1]

Ehemalige Kleine Weltlaterne in der Kohlfurter Straße, heute: Kreuzberger Weltlaterne
Die kleine Weltlaterne in der Nestorstraße
Tresen der Kleinen Weltlaterne
Jazz in der Kleinen Weltlaterne

Zusammen mit der Künstlerkneipe Der Leierkasten wurde die Kleine Weltlaterne in dieser Zeit bekannt auch jenseits des etablierten Kulturbetriebs.[2] Beide Kneipen waren Haupttreffpunkt der Berliner Malerpoeten (Kreuzberger Bohème).[3] Hier verkehrten gesellschaftskritische[1] Kunstschaffende und Intellektuelle, von denen viele später prominent geworden sind, wie zum Beispiel Karl Dall,[2] Ingeborg Bachmann,[1] Günter Grass, Insterburg & Co., Ulrich Schamoni,[2] Friedrich Schröder Sonnenstern,[4] Günter Bruno Fuchs, Robert Wolfgang Schnell,[5] Nicolas Born und Friedrich Christian Delius.[6]

Auch Friedensreich Hundertwasser, Henry Miller, Friedrich Dürrenmatt[7] und Hildegard Knef[8] besuchten die Kleine Weltlaterne. Viele weitere Künstler und Prominente fanden sich im Laufe der Zeit in der Kleinen Weltlaterne ein. Darunter Ernst Fuchs, Markus Lüpertz, Peter Maffay, Udo Jürgens, Harald Juhnke, Heinz Schenk, Caterina Valente, Harald Schmidt[9] und Rolf Eden.[10]

Kurt Mühlenhaupt hatte Anfang der 1960er Jahre den Trend zu sogenannten „Sperrmüllkneipen“ gesetzt, die aus Kunst und Trödel bestanden. Die Kleine Weltlaterne wurde im September 1961 von Hertha Fiedler eröffnet, die kurz vor dem Mauerbau aus Karl-Marx-Stadt nach West-Berlin gekommen war. Sie hatte die ehemalige Berliner-Kindl-Kneipe übernommen und bot einem benachbarten Künstler, der eine Ausstellung machen wollte, ihr Lokal an. Fiedler veranstaltete Lesungen und versammelte Teile der Literatur-Szene West-Berlins um sich.[6] Sie wurde immer mehr zur Galeristin und Managerin der Kreuzberger Kulturszene. So schenkte sie beispielsweise „Bier gegen Bilder“ aus. Anfangs verkehrten hier Maler und Bildhauer aus dem Kiez, später auch aus anderen Bezirken. Es entwickelte sich eine bundesweite Anziehungskraft.[1] Seit 1967 war auch der nach Berlin zurück gekehrte Verleger und Schriftsteller VauO Stomps ein häufiger Gast in der Kleinen Weltlaterne und entwickelte neue Projekte für seinen Kleinverlag Neue Rabenpresse.

Die Kleine Weltlaterne und der Leierkasten bildeten die Prototypen der West-Berliner Künstlerkneipen, die zwar inmitten der alten Arbeiterbezirke lagen, aber auch von bürgerlichen Gästen lebten. In den Künstlerkneipen kam die Kreuzberger Bohème zusammen, die im Gegensatz zur abstrakten Kunst der Charlottenburger Szene betont auf einen kritischen Realismus setzte. In den 1960er Jahren etablierte sich in Kreuzberg ein soziales Milieu, das einen unorthodoxen Kulturbetrieb hervorbrachte und sich auch lebensweltlich unkonventionell und antibürgerlich gab.[6] Viele verschiedene Formen der Kunst wurden von hier aus erprobt und verbreitet. Anfang der 1960er Jahre setzte sich beispielsweise Günter Grass im Auftrag Fiedlers auf einen Elefanten, las aus der Blechtrommel und versteigerte Kunst für den Circus Renz.[9] Fiedler und Kurt Mühlenhaupt initiierten für den ersten Kreuzberger Bildermarkt täglich zwei Kutschen, die vom Bahnhof Zoo abfuhren und nach einer Galeriebesichtigung am Schöneberger Ufer zum Bildermarkt fuhren. Anschließend lenkte der Kutscher die Besucher noch zu einigen Künstlerkneipen.[1]

Die Kleine Weltlaterne definierte sich im Gegensatz zum Leierkasten dennoch insgesamt bürgerlicher. Die Gebrüder Blattschuss setzten dem Nachtleben des damaligen Bezirks mit ihrem Schlager Kreuzberger Nächte ein musikalisches Denkmal.[2]

Heute befindet sich die Kleine Weltlaterne in der Nestorstraße in Halensee und wird von Bernd Fiedler, dem Sohn von Hertha Fiedler, bewirtschaftet.[11] Weiterhin werden dort Ausstellungen von Malern wie beispielsweise Matthias Koeppel und Jazz­abende veranstaltet.[12] 2019 fand in der Kneipe ein Filmdreh mit Roberto Blanco statt.[13]

Für ihr Engagement bekam Hertha Fiedler 1978 das Bundesverdienstkreuz.[9]

Literatur

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Commons: Die Kleine Weltlaterne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Christian Däufel: Ingeborg Bachmanns „Ein Ort für Zufälle“. Ein interpretierender Kommentar (= Christine Lubkoll, Stephan Müller [Hrsg.]: Hermaea. Germanistische Forschungen. Band 127). Walter de Gruyter, Berlin / Boston / Mass. 2013, ISBN 978-3-11-028055-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b c d Barbara Lang: Mythos Kreuzberg. Ethnographie eines Stadtteils (1961–1995). Campus-Verlag, Frankfurt (Main) / New York 1998, ISBN 3-593-36106-X (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Stefan Krautschick (Hrsg.): Mythos Kreuzberg. Reflexionen einer Wirklichkeit. Bezirksamt Kreuzberg von Berlin, Berlin 1991, OCLC 37979001.
  4. Corina Kolbe: Berlin in den Siebzigern. Kreuzberger Lieblinge. In: Spiegel Online. 27. Oktober 2014, abgerufen am 26. Juni 2019.
  5. Erwin Tichatzek: Die Kreuzberger Weltlaterne. In: Kreuzberger Chronik. Außenseiter-Verlag, abgerufen am 27. Juni 2019.
  6. a b c Hanno Hochmuth: Kiezgeschichte. Friedrichshain und Kreuzberg im geteilten Berlin (= Frank Bösch, Martin Sabrow [Hrsg.]: Geschichte der Gegenwart. Band 16). Wallstein-Verlag, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-4147-0, S. 278 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Paul Hertzberg: Die „Kleine Weltlaterne“ erinnert an urige Berliner Zeiten. In: Berliner Morgenpost. 1. Oktober 2014, abgerufen am 26. Juni 2019.
  8. Ferda Ataman: Hertha Fiedler (Geb. 1923). Man ging zu ihr, um das Leben zu spüren. In: Der Tagesspiegel. 23. Juli 2010, abgerufen am 26. Juni 2019.
  9. a b c Die Kiez-Kunst weint um Hertha Fiedler. In: B.Z. 9. Juni 2010, abgerufen am 10. März 2019.
  10. Uwe Killing: Die zwei Leben des Rolf Eden. Die Wahrheit über den letzten deutschen Playboy. In: Focus. 21. Dezember 2011, abgerufen am 27. Juni 2019.
  11. Ausflug in den Himmel. Nabokovs Berliner Hassliebe. In: Die Welt. 29. August 2017, abgerufen am 27. Juni 2019.
  12. Julian Stoeckel sang „Happy Birthday“ für Matthias Koeppel. In: B.Z. 23. August 2017, abgerufen am 26. Juni 2019.
  13. Johanna Gerber: Warum Roberto Blanco so oft in dieser Kneipe war. In: Bild. 14. Februar 2019, abgerufen am 26. Juni 2019.