Dietmar Kamper
Dietmar Wilhelm Theodor Kamper (* 5. Oktober 1936 in Erkelenz; † 28. Oktober 2001 in Berlin) war ein deutscher Philosoph, Schriftsteller, Soziologe und Hochschullehrer.
Leben und Wirken
BearbeitenKamper studierte in Köln, Tübingen und München. 1959 machte er sein Examen zum Diplom-Sportlehrer an der Sporthochschule Köln. 1963 promovierte er zum Doktor der Philosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität München mit dem Thema „Die Anthropologie Leopold Zieglers“. 1972 habilitierte er sich in Erziehungswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg mit dem Thema „Geschichte und menschliche Natur. Die Tragweite gegenwärtiger Anthropologiekritik“. In Marburg lehrte er dann von 1973 bis 1979. In dieser Zeit war Kamper auch Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaften und Vizepräsident der Universität Marburg. Seine Vorlesungen und Seminare erfreuten sich großen Zuspruchs bei der Marburger Studentenschaft. Selbst Veranstaltungen in großen Hörsälen waren gelegentlich bis auf den letzten Platz belegt.
In Marburg war Kamper Mitherausgeber[1] der 1976 erstmals erschienen Zeitschrift Einundzwanzig - Rundgänge der Pädagogik. Der Name des Periodikums, das wenigsten viermal im Jahr erscheinen sollte, ist eine Anlehnung an die dem Fachbereich Erziehungswissenschaften im Vorlesungsverzeichnis der Philipps-Universität Marburg zugewiesenen Ordnungszahl 21. Die Herausgeber, viele von ihnen waren Professoren an der Philipps-Universität, widmeten jede Ausgabe einem Schwerpunkt-Thema. Dietmar Kamper veröffentlichte regelmäßig Aufsätze in der Zeitschrift. Mit dem Weggang Kampers aus Marburg wurde die Zeitschrift eingestellt.
Ab 1979 war Kamper Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Kultursoziologie an der Freien Universität Berlin. Hier war er auch an der Gründung und Ausgestaltung des Interdisziplinären Zentrums für Historische Anthropologie beteiligt. Er publizierte Schriften zur philosophischen Anthropologie, zur Sozialisationsforschung, zur Geschichte des Körpers, der Einbildungskraft und der Wünsche. Zahlreiche Schriften hat er gemeinsam mit Christoph Wulf veröffentlicht. Hervorzuheben ist auch seine Mitarbeit als Herausgeber an der Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie Paragrana. Außerdem gehörte Kamper zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft für Historische Anthropologie e. V.., die zurzeit ihren Sitz im Interdisziplinären Zentrum in Berlin hat.
Er war u. a. zusammen mit Frank Böckelmann und Walter Seitter von 1979 bis zu seinem Tod Herausgeber der Zeitschrift Tumult (Zeitschrift bzw. Schriften für Verkehrswissenschaft).
Dietmar Kamper starb, drei Wochen nach seinem 65. Geburtstag, am 28. Oktober 2001 in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof III der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde in Berlin-Kreuzberg. Als Grabstein dient ein Findling.[2] Die letzte Ruhestätte von Dietmar Kamper liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Gräber der Schriftsteller E. T. A. Hoffmann und Reinhard Lettau. In Nachrufen erinnerten der Berliner Soziologe Bernd Ternes[3] und der Berliner Univ.-Prof. Dr. Christoph Wulf[4] an Leben und Werk von Dietmar Kamper. Sein wissenschaftlicher Nachlass wird von der FU Berlin verwaltet.[5]
Christoph Wulf würdigte seinen Freund Dietmar Kamper mit diesen Worten: „Aufgrund seiner vielfältigen Interessen, seiner geistigen Unruhe und seiner Offenheit für neue Fragen und Wege der Erkenntnis war Dietmar Kamper ein äußerst anregender Hochschullehrer, Kollege und Freund. Seiner persönlichen Integrität und Ausstrahlungskraft konnten sich selbst die Kollegen und Kolleginnen nicht entziehen, die seinen Forschungen eher kritisch gegenüber standen“.[6]
Werke
Bearbeiten- Die Anthropologie Leopold Zieglers, München 1964, DNB 482402407 (Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München, Philosophische Fakultät, 7. Juli 1964, 180 Seiten).
- Geschichte und menschliche Natur. Die Tragweite gegenwärtiger Anthropologiekritik. Carl Hanser Verlag, München 1973.
- mit Volker Ritter (Hrsg.): Zur Geschichte des Körpers. Perspektiven der Anthropologie. Carl Hanser Verlag, München-Wien 1976, ISBN 3-446-12256-7.
- Dekonstruktionen. Gesammelte Denkbruchstücke aus einundzwanzig Marburger Semestern. Reihe Metro Bd. 2, Marburg/Lahn 1979.
- Zur Geschichte der Einbildungskraft. Carl Hanser Verlag, München / Wien 1981, ISBN 3-446-13118-3.
- mit Christoph Wulf: Im Schatten der Milchstraße. Erfahrungen auf dem „Camino de Santiago“. Konkursbuchverlag, Tübingen 1981, ISBN 3-88769-002-8.
- mit Christoph Wulf (Hrsg.): Die Wiederkehr des Körpers. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-11132-9.
- mit Friedhelm Guttandin: Selbstkontrolle. Dokumente zur Geschichte einer Obsession. Verlag Guttandin & Hoppe, Marburg/Berlin 1982, ISBN 3-922140-15-7.
- Das gefangene Einhorn. Texte aus der Zeit des Wartens. Carl Hanser Verlag, München / Wien 1983, ISBN 3-446-13533-2.
- mit Christoph Wulf (Hrsg.): Das Schwinden der Sinne. Suhrkamp Verlag 1984, ISBN 3-518-11188-4.
- mit Christoph Wulf (Hrsg.): Der andere Körper. Verlag Mensch und Leben, Berlin 1984, ISBN 3-88911-004-5.
- Zur Soziologie der Imagination. Carl Hanser Verlag, München Wien 1986, ISBN 3-446-14655-5.
- Hrsg.: Macht und Ohnmacht der Phantasie. Hermann Luchterhand Verlag, Darmstadt und Neuwied 1986, ISBN 3-472-61609-1.
- mit Ulrich Sonnemann (Hrsg.): Atlantis zum Beispiel. Hermann Luchterhand Verlag, Darmstadt und Neuwied 1986, ISBN 3-472-61657-1.
- Hieroglyphen der Zeit. Texte vom Fremdwerden der Welt. Carl Hanser Verlag, München Wien 1988, ISBN 3-446-15300-4.
- mit Christoph Wulf (Hrsg.): Anthropologie nach dem Tode des Menschen. Vervollkommnung und Unverbesserlichkeit. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-518-11906-0.
- Abgang vom Kreuz. Wilhelm Fink Verlag, München 1996, ISBN 3-7705-3152-3.
- mit Christoph Wulf (Hrsg.): Die erloschene Seele. Disziplin, Geschichte, Kunst, Mythos. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1988, ISBN 3-496-00946-2.
- mit Christoph Wulf (Hrsg.): Der Schein des Schönen. Steidl Verlag. Göttingen 1988, ISBN 3-88243-088-5.
- mit Christoph Wulf (Hrsg.): Rückblick auf das Ende der Welt. Klaus Boer Verlag, München 1990, ISBN 3-924963-47-9.
- Deutschland, ach was, in: Elisabeth Schweeger, Eberhard Witt (Hgg.): Ach Deutschland. Belleville Verlag, München 2000, S. 23–31, ISBN 3-933510-67-8.
- Horizontwechsel. Die Sonne jeden Tag neu, nichts Neues unter der Sonne, aber... Wilhelm Fink Verlag, München 2001, ISBN 3-7705-3563-4.
Literatur
Bearbeiten- Klaus Laermann: Das rasende Gefasel der Gegenaufklärung. Dietmar Kamper als Symptom. In: Merkur Nr. 39 1985, S. 211–220, ISSN 0026-0096.
- Eckhard Henscheid: Der rasende Fasler. In: Erledigte Fälle. Bilder deutscher Menschen, mit 24 Porträtstudien von Hans Traxler. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1986, S. 97 ff, OCLC 22378240; als Haffmans-Taschenbuch, Band 137, Haffmans, Zürich 1991, ISBN 3-251-01137-5.
- Martina Koch: Die Konstellation der Rationalitäten im interrationalen Bildungsprozess: J. Habermas, D. Kamper und M. Seel im fiktiven Gespräch über eine Bildinterpretation von K. Mollenhauer (= Studien zur Philosophie und Theorie der Bildung, Band 21), Deutscher Studien Verlag, Weinheim 1992, ISBN 3-89271-373-1 (Dissertation Uni Hamburg 1992).
- Rudolf Maresch: Ohne Körper geht es nicht. Ein Text mit und für Dietmar Kamper
- Bernd Ternes: „Marginal Man“. Dietmar Kamper als Denker jenseits von Differenz und Indifferenz.
- Rudolf Maresch: Dietmar Kamper. Begegnung mit einem philosophischen Grenzgänger und Außenseiter
- Herbert Neidhöfer, Bernd Ternes (Hrsg.): Was kostet den Kopf? Ausgesetztes Denken der Aisthesis zwischen Abstraktion und Imagination. Dietmar Kamper zum 65. Geburtstag. Tectum, Marburg 2001, ISBN 3-8288-8251-X (54 Seiten Bibliographie).
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Dietmar Kamper im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Nachruf bei digitab.de
- „Assoziationen. Sieben abgewehrte Sätze über Kunst, Terror und Zivilisation“ (Essay, 2001)
- Dietmar-Kamper-Archiv im Archiv der Akademie der Künste, Berlin
- Nachlass Dietmar Kamper, FU Berlin
- Findbuch des Nachlasses von Kamper an der FU Berlin, PDF
- „Im Zentrum der Ungeheuer/Rache am Grunde des Schreibens“ Paul M. Waschkau über Dietmar Kamper und „Hieroglyphen der Zeit/Texte vom Fremdwerden der Welt“; in: MINERVA – Zeitschrift für Notwehr und Philosophie no. 798/799; (magazinX)
- Kamper, Dietmar. Hessische Biografie. (Stand: 25. Oktober 2022). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Eine umfangreiche Dokumentation zu Werk und Wirken von Dietmar Kamper bietet das Online-Magazin der Gesellschaft für offene Kommunikation e. V.[7]
- Informationen zu Dietmar Kamper in Deutsche Biographie: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119241773.html
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Weitere Herausgeber waren: G. Auernheimer, W. Fuchs, F. Guttandin, E. Hildenbrandt, J. Hoppe, K. Rehbein, P. R. Straumann, W. Wolf
- ↑ Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 243.
- ↑ Unter Weblinks
- ↑ In: Paragrana - Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie. Band 11, 2002, Heft 2: Kants Anthropologie. Herausgeber: Dietmar Kamper, Christoph Wulf, Gunther Gebauer. Akademie-Verlag Berlin 2002, S. 273–274.
- ↑ Unter Weblinks
- ↑ In: Paragrana - Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie. Band 11, 2002, Heft 2: Kants Anthropologie. Herausgeber: Dietmar Kamper, Christoph Wulf, Gunther Gebauer. Akademie-Verlag Berlin 2002, S. 274.
- ↑ CultD. In: Gesellschaft für offene Kommunikation. Eckhard Hammel, 14. Januar 2024, abgerufen am 14. Januar 2024.
Personendaten | |
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NAME | Kamper, Dietmar |
ALTERNATIVNAMEN | Kamper, Dietmar Wilhelm Theodor |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Philosoph, Schriftsteller und Kultursoziologe |
GEBURTSDATUM | 5. Oktober 1936 |
GEBURTSORT | Erkelenz |
STERBEDATUM | 28. Oktober 2001 |
STERBEORT | Berlin |