Diskriminierung aufgrund des Namens

Form von Diskriminierung

Diskriminierung aufgrund des Namens bezeichnet die Diskriminierung einer Person aufgrund ihres Vor- oder Nachnamens.

Empirische Daten

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Einer Studie zufolge haben Kinder mit bestimmten Vornamen schlechtere Chancen in der Schule, sowohl im Hinblick auf die Notenvergabe als auch den Übertritt ins Gymnasium. In Deutschland handelt es sich dabei um englisch klingende, oft von Stars inspirierte Namen, welche in der DDR beliebt waren.[1] Die Diskussion um dieses Phänomen wird auch unter der Bezeichnung „Kevinismus“ geführt. Im Bildungssystem würden laut einer Studie der Universität Mannheim auch Personen mit Migrationshintergrund aufgrund ihres Namens von Lehrkräften tendenziell negativer bewertet und benachteiligt.[2]

Nach weiteren Studien zur Diskriminierung am Arbeitsmarkt folgte auf Bewerbungen, die sich nur durch den Namen (Vor- und Nachnamen) unterschieden und in denen jeweils Deutsch als Muttersprache angegeben war, wesentlich häufiger eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, wenn ein typisch deutscher Name angegeben wurde, als wenn ein türkischer Name angegeben wurde.[3][4] Die Benachteiligung von Migranten hängt nach einer weiteren Studie auch von der Unternehmensgröße ab: Die Diskriminierungsrate sei bei kleinen Unternehmen mit weniger als sechs Mitarbeitern deutlich höher als bei mittleren und großen Unternehmen.[5][6] Das Phänomen der Diskriminierung von Bewerbern mit ausländischen Namen ist nicht auf Deutschland beschränkt, wie eine Studie aus Kanada zeigt.[7] In den USA ermittelten Marianne Bertrand und Sendhil Mullainathan bereits 2003, dass Personen mit mutmaßlich afro-amerikanischen Namen unabhängig von Qualifikation und Geschlecht auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt waren.[8]

Auf dem Wohnungsmarkt war sowohl in den USA als auch in Europa insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren eine ethnische Diskriminierung zu beobachten.[9] In den Folgejahrzehnten und vor allem in den 2010er Jahren ist diese zurückgegangen. Die Diskriminierung ist in Deutschland dabei vergleichsweise hoch, in Kanada vergleichsweise niedrig.[9] In Deutschland fokussieren entsprechende Studien insbesondere Personen mit türkisch klingenden Namen. Diese Bevölkerungsgruppe erhält zu etwa 9 % seltener Rückmeldungen auf Wohnungsbewerbungen.[10] Bei männlichen Bewerbern fällt die Diskriminierung stärker aus als bei Frauen.[11] Dabei spielen auch weitere Faktoren eine Rolle: So zeigte eine Studie zur Diskriminierung auf dem deutschen Wohnungsmarkt, in der Kandidaten mit türkischem bzw. deutschem Namen telefonisch auf Wohnungsanzeigen reagierten und angaben, aus beruflichen Gründen in die Stadt zu ziehen, keine messbare Diskriminierung von Personen mit türkischem Namen, es sei denn, sie hatten einen Akzent.[12] Bei schriftlichen Bewerbungen verringert sich die Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung, wenn der Bewerber über einen höheren sozioökonomischen Status verfügt und dieses auch kommuniziert.[9]

Prävention

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Als eine mögliche Maßnahme zur Vermeidung oder Verringerung der Diskriminierung aufgrund des Namens bei Stellenbewerbungen wurden anonymisierte Bewerbungsverfahren vorgeschlagen.[13][14] Auch anonymisierte Prüfungen an Hochschulen wurden vorgeschlagen.[15]

Zur Vermeidung von Diskriminierungen oder zum Zweck der Integration bzw. Assimilation stellen Menschen teils einen Antrag auf Namensänderung. Ob einem solchen Antrag stattgegeben wird, hängt von der nationalen Gesetzgebung ab. Auch die Regelungen zu einer eventuellen späteren Rückkehr zum Geburtsnamen sind von Land zu Land verschieden. Bei der persönlichen Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass der eigene Name einen wesentlichen Teil der eigenen Identität darstellt.[16]

Umstritten ist der Ansatz, Eltern zu raten, bei der Geburt eines Kindes von vornherein einen unauffälligen Vornamen zu wählen.[17]

Deutschland

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Antidiskriminierung

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In Deutschland ist eine Diskriminierung aufgrund des Namens sowohl bei der Arbeitssuche[4] als auch bei der Wohnungssuche[18] bekannt.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat gemäß § 1 das Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Dieses Gesetz definiert in § 7 ein Benachteiligungsverbot mit Bezug auf die in § 1 genannten Benachteiligungen.

Im Januar 2020 wurde eine Wohnungsgesellschaft zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 3.000 Euro wegen Diskriminierung gegenüber einem Bewerber mit türkischklingendem Namen verurteilt.[19]

Personennamen mit Umlauten und/oder „ß“

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Personen mit Umlauten und/oder „ß“ im Namen haben häufig Probleme, da viele elektronische Systeme diese Sonderzeichen nicht verarbeiten können und man auf Umschreibungen (ae, oe, ue, ss) ausweichen muss. In deutschen Personalausweisen und Reisepässen werden Namen mit Sonderzeichen im oberen Teil korrekt dargestellt, müssen im maschinenlesbaren Teil aber umschrieben werden (z. B. MÜLLER → MUELLER, WEI → WEISS). Zwei verschiedene Schreibweisen im selben Dokument (oder verschiedene Schreibweisen in verschiedenen Dokumenten, da z. B. manche Kreditkarten nur die Schreibweise mit Ersetzung der Sonderzeichen aufweisen) sorgen zuweilen für Verwirrung und lassen, besonders im Ausland, den Eindruck einer Fälschung entstehen. Es wird empfohlen, für Flugtickets, Visa usw. exakt die im maschinenlesbaren Teil des Reisepasses verwendete Schreibweise zu benutzen und sich im Zweifelsfall auf diese zu berufen.

Am 1. Oktober 1980 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die technisch bedingte fehlerhafte Wiedergabe von Sonderzeichen auf elektronischen Systemen ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens sein kann (der Kläger wollte die Schreibweise seines Namens von Götz in Goetz ändern, war aber damit zunächst beim Standesamt gescheitert; Aktenzeichen: 7 C 21/78). Die seit 1. Januar 1981 geltende Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Namensänderungsgesetz erkennt in Nr. 38[20] Sonderzeichen im Familiennamen als Grund für eine Namensänderung an (auch eine bloße Änderung der Schreibweise gilt als solche).

Namensänderungen nach deutschem Recht

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In Deutschland bestehen enge rechtliche Grenzen für Namensänderungen. Ein Familienname kann nach § 3 Abs. 1 NamÄndG nur dann geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Seit dem 24. Mai 2007[21] kann auch bei der Einbürgerung eine Angleichung des Namens bei Wechsel des Namensrechts durchgeführt werden (Art. 47 EGBGB).[22] Durch die Angleichungserklärung nach § 47 EGBGB geht gegebenenfalls eine frühere, dem deutschen Recht fremde Funktion der Namen (zum Beispiel Eigenname, Vatersname usw.) unwiderruflich verloren.[23] Namensänderungen sind in bestimmtem Rahmen auch für Aussiedler (§ 94 Bundesvertriebenengesetz), nach einer während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfolgten Namensänderung (Art. 48 EGBGB) sowie bei Eheschließung, Ehescheidung oder Adoption möglich.

Laut Rechtsprechung begründet eine Diskriminierung aufgrund des Namens am Arbeitsmarkt kein grundsätzliches Recht auf eine Namensänderung. So urteilte das VG Augsburg 2010: „Eine aus den Grundrechten fließende Verpflichtung staatlicher Behörden, in Anwendung der Generalklausel des § 3 NamÄndG den Namen eines Menschen zu ändern, um ihn vor Diskriminierungen im Arbeitsleben zu schützen, kann unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses der Namenskontinuität nur dann bestehen, wenn die sonstigen staatlichen Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierungen am Arbeitsmarkt hinter dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaß zurückbleiben.“[24] Der Aspekt der Integrationsförderung wurde 2011 in einem Urteil des VG Düsseldorf bezüglich der Annahme eines wichtigen Grundes mitberücksichtigt.[25] Allgemeiner urteilte das Verwaltungsgericht Göttingen 2012, dass der Wunsch nach Integration für sich genommen regelmäßig keinen wichtigen Grund für die Änderung eines ausländischen Namens darstellt.[26]

Namensänderungsverordnung zur NS-Zeit

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In der Zeit des Nationalsozialismus wurden in Deutschland Zwangsnamen eingeführt: Ab Januar 1939 mussten Juden, sofern sie nicht ohnehin bereits einen jüdischen Vornamen trugen, der „im deutschen Volk als typisch angesehen“ wurde, zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara annehmen (siehe hierzu: Namensänderungsverordnung). Diese Kennzeichnung war ein Schritt einer zunehmenden Ausgrenzung der jüdischen Minderheit.

Der Name war in Ausweisen angegeben, und auch Briefe an Ämter, Briefköpfe und Praxisschilder mussten diesen Namen zeigen.[27]

Literatur

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  • Evelyn Hayn: You name it?! Everyday discrimination through accustomed perception of personal names, Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 2016, Online

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Bianca Kühnel, Ina Richter: Diskriminierung wegen Namen: Mandys Leid. MiGAZIN, 27. Februar 2012, abgerufen am 20. Mai 2017.
  2. Meike Bonefeld, Oliver Dickhäuser: (Biased) Grading of Students’ Performance: Students’ Names, Performance Level, and Implicit Attitudes. In: Frontiers in Psychology. Band 9, 2018, ISSN 1664-1078, doi:10.3389/fpsyg.2018.00481 (frontiersin.org [abgerufen am 28. Februar 2021]).
  3. Leo Kaas, Christian Manger: Ethnic Discrimination in Germany’s Labour Market: A Field Experiment. IZA DP, Nr. 4741. Konstanz 2010 (iza.org [PDF]).
  4. a b Frauke Lüpke-Narberhaus: Vornamen-Diskriminierung: „Keiner will einen Ali im Team haben“. Spiegel online, 26. März 2014, abgerufen am 20. Mai 2017.
  5. Vornamen Vorurteile – Ergebnisse unterschiedlicher Studien. In: Karrierekebap. 9. August 2017, abgerufen am 24. Oktober 2017.
  6. Jan Schneider, Ruta Yemane, Martin Weinmann: Diskriminierung am Ausbildungsmarkt: Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven. (PDF) Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Oktober 2017; abgerufen am 25. Oktober 2017. S. 4.
  7. Philip Oreopoulus: Why Do Skilled Immigrants Struggle in the Labor Market? A Field Experiment with Thirteen Thousand Resumes. In: American Economic Journal: Economic Policy 3. 2011, S. 148–171 (utoronto.ca [PDF]).
  8. Marianne Bertrand, Sendhil Mullainathan: Are Emily and Greg More Employable than Lakisha and Jamal? A Field Experiment on Labor Market Discrimination. Nr. 9873. National Bureau of Economic Research, Juli 2003 (nber.org [abgerufen am 22. Januar 2020]).
  9. a b c Katrin Auspurg et al.: Closed doors everywhere? A meta-analysis of field experiments on ethnic discrimination in rental housing markets. In: Journal of Ethnic and Migration Studies. Band 45, Nr. 1, 2. Januar 2019, S. 95–114, doi:10.1080/1369183X.2018.1489223 (englisch).
  10. Katrin Auspurg et al.: Contexts and conditions of ethnic discrimination: Evidence from a field experiment in a German housing market. In: Journal of Housing Economics. Band 35, 1. März 2017, S. 26–36, doi:10.1016/j.jhe.2017.01.003 (englisch).
  11. Bayerischer Rundfunk & Spiegel Online: Wir müssen draußen bleiben: Warum Hanna zur Besichtigung eingeladen wird und Ismail nicht. 2017, abgerufen am 7. Dezember 2018.
  12. Ethnische Diskriminierung – Störfaktor im Integrationsprozess. Bundeszentrale für politische Bildung, 18. März 2014, abgerufen am 20. Mai 2017.
  13. Antidiskriminierungsstelle zieht positives Fazit des Pilotprojekts „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“. MiGAZIN, 18. April 2012, abgerufen am 20. Mai 2017.
  14. Zürich will Diskriminierung mit anonymen Bewerbungen bekämpfen. Abgerufen am 11. August 2022.
  15. Susanne Lettenbauer: Anonym zu Gerechtigkeit. In: Deutschlandfunk. 8. April 2015, abgerufen am 1. Dezember 2018.
  16. How an ethnic-sounding name may affect the job hunt. The Globe and Mail, 17. November 2011, abgerufen am 20. Mai 2017 (englisch).
  17. Studie zu Integration: Teufelskreis aus Diskriminierung und Integrationsverweigerung. Süddeutsche Zeitung, 1. März 2016, abgerufen am 20. Mai 2017.
  18. Expertise „Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt“. Strategien zum Nachweis rassistischer Benachteiligungen. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 15. Juni 2015, abgerufen am 20. Mai 2017.
  19. Bürgerservice Berlin - Brandenburg. Abgerufen am 22. Januar 2020.
  20. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV). Abgerufen am 5. März 2023.
  21. Zum Inkrafttreten siehe den „Hinweis der Redaktion“ zum dejure-Link Art. 47 EGBGB.
  22. Bereits zuvor galt nach Nr. 37 NamÄndVwV: „Im Anschluß an die Einbürgerung eines Ausländers kann der Familienname geändert werden, wenn dieser die ausländische Herkunft des Namensträgers in besonderem Maße erkennen läßt und der Antragsteller im Interesse der weiteren Eingliederung Wert auf einen unauffälligeren Familiennamen legt.“
  23. Information zur besonderen Namensänderung durch Angleichung. (PDF) In: Infoblatt. Standesamt Fürth, 18. Juni 2015, abgerufen am 20. Mai 2017.
  24. VG Augsburg, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. Au 1 K 10.1382, openjur.de.
  25. VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2011, Az. 24 K 1249/10, openjur.de.
  26. VG Göttingen, Urteil vom 25. April 2012, Az. 4 A 18/11, openjur.de.
  27. Antonia Kleikamp: „Sara“ und „Israel“ waren die ersten Judensterne. In: Welt. 18. August 2013, abgerufen am 3. Februar 2019.