Diskussion:Alte Pfarrkirche Mahlsdorf

Letzter Kommentar: vor 12 Jahren von 44Pinguine in Abschnitt Gründungszeit des Dorfes, Bauzeit der Dorfkirche

Gründungszeit des Dorfes, Bauzeit der Dorfkirche

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Hallo 44Pinguine, Deine Abänderung auf "Der aus relativ sorgfältig behauenen Feldsteinquadern errichtete Kirchenbau wird auf eine Bauzeit in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert, unmittelbar nach der Entstehung des Dorfes um 1230", ist nicht richtig. Kurt Pomplun hatte zwar in seinem Klassiker 1962 noch behauptet: „Alle Kirchenbauten unserer Gegend sind sofort in Stein errichtet worden und haben keine Vorgänger in Holz gehabt.“ Bereits in den 1980er-Jahren waren aber bei sorgfältigen Dorfabtragungen im Niederlausitzer Braunkohlerevier hölzerne Vorgängerkirchen unter den inneren Kirchenböden gefunden worde. Spezialist für die frühen Holzkirchen ist der Cottbuser Archäologe Markus Athge. Aufgrund seiner Untersuchungen an zahlreichen Orten konnte er feststellen, dass zwischen hölzernem Vorgängerbau und steinernem Nachfolger in der Regel mindestens dreißig Jahre, also eine Generation vergangen waren. Dieses Ergebnis wurde für Mecklenburg-Vorpommern durch den Archäologen und Kunsthistoriker Tilo Schöfbeck bestätigt sowie für den Barnim vom Kunsthistoriker Matthias Friske (Quellennachweise in der Fußnote 28 im Pomplun-Link).

2009 wurde dieses Ergebnis für den Barnim bestätigt durch Waack, Ulrich: Kirchenbau und Ökonomie. Zur Beziehung von baulichen Merkmalen mittelalterlicher Dorfkirchen auf dem Barnim und dessen Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte (= Band 4 der Reihe "Kirchen im ländlichen Raum"), Berlin 2009. Er fand zusätzlich die Gründe für den zeitlichen Verzug heraus. Die Gründung eines Dorfes (Lokation) war mit erheblichen Kosten verbunden, die der Lokator vorstrecken musste. (Der Erzbischof von Magdeburg beauftragte nur Lokatoren, die ausreichendes Kapital nachweisen konnten.) Die Dörfer bekamen daher meist sechs abgabefreie Jahre, allein nur um ihre Schulden abzuzahlen, bevor sie überhaupt Gewinne erzielen konnten. Waack konnte einen Zusammenhang zwischen den Getreideerträgen eines Dorfes (bedingt durch Gemarkungsgröße und Bodenqualität) und dem Kostenaufwand einer Dorfkirche nachweisen. Vereinfacht: Ein hufenreiches Dorf mit guten Lehmböden konnte sich als erstes eine Steinkirche leisten und dazu noch den kostenaufwändigsten Bautyp: die vierteilige Apsiskirche ("vollständige Anlage"). Natürlich konnten auch weniger reiche Dörfer schon nach 30 Jahren bauen, aber dann nur bescheidenere Typen. Natürlich konnten/mussten sie auch weitere Jahre warten, sonst hätten wir ja nicht unterschiedliche Bauzeiten und Bautypen. Auf jeden Fall vergingen wenigstens 30 Jahre, und bis dahin mussten sich die Dörfer mit einer Holzkirche begnügen, die sie wegen ihrer religiösen Bedürfnisse unmittelbar nach Dorfgründung erbauten. Aghte konnte in Wolkenberg (Niederlausitz) eine ganze Baugeschichte rekonstruieren. Es gab sechs Bau- bzw. Umbauphasen, und erst nach 130 Jahren leistete sich Wolkenberg eine Steinkirche. Waack hat dieses repräsentative Einzelbeispiel mit seiner Methode des "ökonomischen Faktors" untersucht, und siehe da: Wolkenberg hatte eine kleine Gemarkung mit sandigen Böden (Waack, Ulrich: Verstärkte Religiosität oder wirtschaftliche Faktoren? Späte Ablösung von Holzkirchen durch Steinbauten in der Niederlausitz des 15. Jahrhunderts. In: Gehrmann, Anne/Schumann, Dirk (Hrsg.): Dorfkirchen in der Niederlausitz. Geschichte – Architektur – Denkmalpflege (= Band 6 der Reihe "Kirchen im ländlichen Raum), Berlin 2011, S. 93-108. In diesen Fällen gibt es sogar zwei Dilemmata: Ersten geben Sandböden schlechte Ernteerträge, und zweitens sind auf Sandböden aufgrund eiszeitlicher Schmelzvorgänge keine Feldsteine festgehalten worden. Also: Wenige Ernteerträge, aber zusätzliche Transportkosten. Kein Wunder, dass ein Drittel aller Siedlungen auf dem Barnim im Mittelalter ohne Steinkirche geblieben ist.

Also Pompluns Vorstellung: Kaum ist das Reisegepäck abgestellt, da wird flugs eine Steinkirche aus dem Boden gezaubert, geht weit an der gut belegten Relität vorbei. Bei Historikern, Kunsthistorikern und Archäologen gehört die dreißigjähre Vorlaufzeit inzwischen als Allgemeinwissen. Entschuldige bitte, falls ich etwas zu ausführlich geworden sein sollte. Ich werde also meinen alten Satz wiederherstellen. Frdl.Gruß --Ulrich Waack (Diskussion) 15:36, 10. Aug. 2012 (CEST)Beantworten

So, na da bin ich aber erheblich schlauer (und noch dazu von einem ausgewiesenen experten!). Mit solchen sachen kenne ich mich nicht im detail aus - bin naturwissenschaftlerin und habe redaktionell gearbeitet. Da lassen wir das natürlich gelten! Vielleicht solltest du einen ref an "2. Hälfte des 13. Jt." z.b. zu dieser erläuterung setzen? --44pinguinegreetingsl 18:34, 10. Aug. 2012 (CEST)Beantworten