Wieviele Arbeiter waren (maximal) im Arsenale beschäftigt?

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In der Reiseliteratur werden Höchstzahlen von 30.000 (z.B. Helmut Dumler: Venedig und die Dogen. Düsseldorf/Zürich 2001 S. 114; Willy Klapheck: Venezia Curiosa: Eine Kuriositätensammlung aus Streifzügen durch Venedig. Dettelbach 2008 S. 18) oder 16.000 (z.B. Eugen Semrau: Österreichs Spuren in Venedig. Wien/Graz/Klagenfurt 2010 S. 66) genannt. Das sind keine seriösen Quellen und die Autoren, die diese Zahlen nennen, belegen sie nicht. Solche Zahlen sind nicht nur unwahrscheinlich, sondern wohl auch praktisch unmöglich: 30.000 Arbeiter auf 32 Hektar = 32.000 Quadratmeter wären pro Arbeiter 10 Quadratmeter, wobei zu bedenken ist, daß das Arsenale zu einem erheblichen Teil aus Wasserflächen und Lagerflächen besteht. Auch eine Bezugsetzung zur Bevölkerungszahlen läßt solche Anzahl von Arbeitern unmöglich erscheinen. Die höchste angegebene Einwohnerzahl, die ich für Venedig gefunden habe, ist 196.000 für das Jahr 1574 (bei Klapheck S. 11 wiederum ohne Quellenangabe). Nimmt man an, daß davon nur die Hälfte nicht im arbeitsfähigem Alter waren und von den Arbeitsfähigen wiederum die Hälfte Frauen, müßten bei 30.000 Beschäftigten im Arsenale 61 % aller arbeitsfähigen Männer dort tätig gewesen sein. Man muß allerdings dazu sagen, daß historische Bevölkerungszahlen sehr ungenau sind; verläßlich zu Venedig - und die machen sehr vage Angaben - sind Daniele Beltrami: Storia della popolazione di Venezia. Dalla fina del secolo XVI alla caduta della Repubblica. Padova 1954 und Karl Ludwig Beloch. Bevölkerungsgeschichte Italiens. Bd. 3. Berlin 1961. Einigermaßen verläßliche und auf historische Quellen gestützte Zahlen zu den Arsenalarbeitern bringt JÖRG REIMANN: Venedig und Venetien 1450 bis 1650. Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und Kultur: Mit zwei Füßen im Meer, den dritten auf dem platten Land, den vierten im Gebirge. Hamburg 2006 S. 137, wonach es in der Zeit des wohl höchsten Produktionsausstoßes 1570-75 4.646 Beschäftigte hatte = 2,13 % der Bevölkerung.--Lothar W. Pawliczak (Diskussion) 11:39, 19. Jul. 2013 (CEST)Beantworten

Moin Lothar, 30.000 scheint mir auch recht hoch. Kann es möglich sein, dass die Arbeitsplätze auf dem Wasser (=auf den Schiffen) und Booten dazugezählt wurden? Es ist ja nicht selten gewesen, dass einige hunderte Personen sich auch auf den Schiffen aufhalten konnten. Ansonsten ist die Streichung der Passage wohl angemessen, wenn die Zahl 30.000 nicht unterfüttert werden kann. McKarri (Diskussion) 08:36, 22. Jul. 2013 (CEST)Beantworten
Moin, moin, sitze grade auch hier wieder an meinen Venedig-Themen. Nein, auch summiert mit anderen Arbeitsplätzen an Schiffen und Booten können unmöglich 61 % oder mehr der arbeitsfähigen Männer in einer Branche tätig gewesen sein. Es wird in populären Büchern oder historischen Romanen (ein leider viel gelesenes Extrembeispiel ist ja z.Zt. Dan Brown) viel Unsinn verbreitet, und leider bilden sich viele ihr Geschichtsbild aufgrund solcher Lektüre oder Filme, womit ich nicht grundsätzlich was gegen die gesagt haben will, es gibt auch sehr gute historische Romane z.B. von Thomas Mann oder Lion Feuchtwanger, aber auch die ersetzen natürlich nicht eine gute Geschichtsbildung, sondern setzen sie - wie sie eben selbst eine hatten - voraus. Und: Wer liest diese und andere vorzügliche Autoren heute wirklich noch? Mitunter schleichen sich eben auch "Legenden" bei Wikipedia ein, die es nach und nach zu tilgen gilt. Glücklicherweise gibt es inzwischen ja auch Internetseiten zu historischen Irrtümern (z.B. [1]) und was Venedig angeht, ist genau das das Anliegen meines Buches [2].--Lothar W. Pawliczak (Diskussion) 09:45, 22. Jul. 2013 (CEST)Beantworten
Tja dann nichts wie ran und den Artikel Venedig und Arsenal mal etwas "auffrischen"! =;-) McKarri (Diskussion) 20:14, 24. Jul. 2013 (CEST)Beantworten
Tja, das ist gar nicht so einfach, weil hier - wie in anderen Texten auch - eine Reihe von Behauptungen stehen, die nicht belegt sind: Um zu korrigieren, muß man gute Belege haben (was ja auch völlig ok ist.). Z.B: "Leiter des Arsenals (capo supremo) war ein Angehöriger des Adelsstandes. Die Aufsicht ausübenden Abteilungsleiter, oder auch patroni dell´ Arsenale genannt, wohnten in drei palazetti, die Paradiso, Purgatorio (Fegefeuer) und Inferno (Hölle) hießen. Jede Abteilung hatte eine Vielzahl von Handwerkern wie Schiffszimmerleute, Pecher (Kalfaterer), Mastenkonstrukteure, Segelmacher, Schmiede, Gießereiarbeiter sowie Verantwortliche für das Schießpulver und die Bewaffnung zur Verfügung. Abteilungsleiter und Angehörige von Spezialberufen wurden fürstlich entlohnt, um ein eventuelles Abwandern zur feindlichen Konkurrenz zu verhindern. Auch wurde den Arbeitern Wohnraum zur Verfügung gestellt und zwar in der sogenannten Marinaressa, einem Gebäudekomplex der zwischen der Via Garibaldi und der Riva dei Sette Martiri liegt." Mir ist aus der Literatur nur bekannt, daß es seit 1276 von drei bezahlten Patroni dell'arsenale (Patron in guardia, Patron alla cassa, Patron in banca) beaufsichtigt wurde, seit 1442 kamen zunächst zwei unbezahlte Provveditori dell’Arsenale hinzu. 1490 wurden sie dann zu einer ständigen Einrichtung und etwa 10 Jahre später kam ein dritter Provveditore hinzu. Sie wurden ab 1550 vom Senat - wie alle Venezianischen Beamten zeitlich befristet (nur der Doge und die Schatzverwalter des heiligen Markus wurden auf Lebenszeit gewählt) - aus den Reihen der Mitglieder des Großen Rates ausgewählt und mußten jeweils im Wechsel 14 Tage Tag und Nacht im arsenale anwesend sein. Es gab schließlich zwei Provveditori all'armar, einen all'artigleria, zwei für die Lebensmittelversorgung (sopra i biscotti und alle biave). Diese Nobili ("Adlige" ist falsch und das kann ich mit Verweis auf italienischer Adel#Die venezianischen Nobilhòmini korrigieren) bildeten als Eccellentissima Banca die oberste Verwaltung (KURT HELLER: Venedig: Recht, Kultur und Leben in der Republik 697-1797. Wien/Köln/Weimar 1999 S. 741-743). Zeitweilig wurden weitere Nobili als Aufsichtsbeamte eingesetzt, so am 28. Februar 1571 in Vorbereitung des Türkenkrieges durch den Rat der Zehn ein Masser, später noch ein Inquisorato all'Arsenal, der die militärische Entwicklung in anderen Ländern zu beobachten und Verbesserungen durchzusetzen hatte. Der höchste Fachbeamte, der Amiraglio dell’arsenale (Magnifico armiraligo, Almirante) war ein Cittadino (d.h. aus jenen führenden Familien, die nicht Mitglied im Großen Rat waren), und zwar stets ein erfahrener Seemann von hohem Ansehen. Die Handwerker waren in Zünften (arti) organisiert - teilweise selbständige Meister, geführt von Obermeistern (protomagistri dell’arte, kurz: proti) mit Gesellen als eine Art Subunternehmer, wurden gut entlohnt und erhielten im Alter eine Rente. Die wichtige Herstellung der Taue und die Hanfkammern wurden von 3 Visdomini alla tana geleitet und 3 Inquisitori all'arsenale wachten über die Disziplin, Zahlmeister kontrollierten und hatten schlafend vorgefundene Arbeiter von der Tageslohnliste zu streichen (FREDERIC C. LANE: Seerepublik Venedig. München 1980 (Original Baltimore 1973) S. 554). Mir scheint, der Produktionsausstoß des Arsenale wird in der (Reise-)Literatur auch oft übertrieben. Relalistischere Zahlen gibt es für 1298, wo hier 15 Handelsgaleeren gebaut worden seien (POMPEO GHERARDO MOLMENTI: Die Venetianer. Hamburg 1886; seitenidentischer Nachdruck unter dem Titel: Venedig und die Venetianer. Frankfurt 1903 S. 174) und bei JÖRG REIMANN (Venedig und Venetien 1450 bis 1650. Hamburg 200 S. 134) sind die von 1499 bis 1646 gebauten Schiffe aufgelistet. Man müßte zuächst vor allem nachsehen bei ENNIO CONCINA: L’Arsenale della repubblica di Venezia. Venezia 2006, was ich grad nicht zur Hand habe, mithin eine Zeitfrage ist (Ich habe das hier nur schnell mal aus meinen Unterlagen, die ich u.a. für meine Venedig-Stadtführungen benutze, herauskopiert, ohne daß ich in jedem Einzelfall dafür einen Beleg habe. Es kann ja auch sein, daß ich mich irgendwo geirrt habe.).--Lothar W. Pawliczak (Diskussion) 10:21, 25. Jul. 2013 (CEST)Beantworten
Mhh, das ist in der Tat dann nicht so einfach, ein ähnliches "Problem" mit einem sehr alten Schiff haben ein weiterer Mitautor und ich auch gerade (wobei das Problem schon länger ruht und irgendwann wieder aufgeriffen werden wird). Das könnte man so lösen, indem man darauf hinweist, dass es unterschiedliche Erkenntnisse zu bestimmten Fragestellungen gibt und dann für beide Sichtweisen die Quellen benennt. Das ist in Deinem Fall dann vermutlich einfach, da Du die Quellen ja vorliegen hast oder zumindest weißt, wo darüber etwas zu finden ist. Also: Deine Sichtweise mit Belegen im Artikel anführen - plus Hinweis auf "andereslautende" Erkenntnisse. Zweiteres muss ja nicht lang ausfallen - insbesondere da ja keine Belege dafür vorhanden sind. Einfach löschen ist vielleicht etwas problematisch? Obwohl: Hat es auch schon gegeben...=;-) McKarri (Diskussion) 21:08, 25. Jul. 2013 (CEST)Beantworten

Runen

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Nachdem ich den von einem anonymen Mitstreiter eingefügten Abschnnitt über die Runen versucht habe zu verifizieren, habe ich mich entschlossen, den Teil erst einmal wieder zu entfernen. Nach meiner Umformung in einen enzyklopädiegerechteren Text, lautet er folgendermaßen.

Da die Kaiser des byzantinischen Reiches im 11. Jahrhundert über eine Leibgarde aus Norwegern und Schweden verfügten, mutmaßte man, dass die lange Runenritzung auf dem Löwen von einem schwedischen Soldaten namens Ragnvald um 1070 erfolgt war.

Gegen Ende seines Lebens legte der schwedische Runologe Erik Brate († 1924) eine Übersetzung der stark verwitterten Ritzungen vor. Die Inschrift auf der linken Seite lautete demnach: „Sie erschlugen ihn in Heerscharens Mitte, aber in diesem Hafen meißelten Männer für Horse, einem wackeren Bauern der Bucht. Schweden brachten dies auf dem Löwen an. Er verfuhr mit Klugheit. Gold gewann er auf seiner Fahrt. Kämpfer ritzten Runen (auf reichverzierten Band) und meißelten.“[1] Und auf der rechten Löwenseite: „Sie, Eskil (und andere und) Thorleif ließen gut meißeln, die in Rodrsland (Roslagen, Inseln an der Ostküste Upplands) wohnten. Söhne von ... meißelten diese Runen. Ulf und ... malten für (Horse). (Gold) gewann er auf seiner Fahrt.“[2] James (Jan) Morris gibt den Text jedoch anders wieder: „Haakon eroberte zusammen mit Ulf, mit Asmund und mit Orn diesen Hafen. Diese Männer und Harald der Lange forderten hohe Sühnegelder für den Aufstand des griechischen Volkes. Dalk war in fernen Ländern zurückgehalten. Egil führte, zusammen mit Ragnar, in Rumänien und Armenien Krieg.“ bzw.: „Asmund ritzte diese Runen ein zusammen mit Asgeir, Thorleif, Thord und Ivar, auf Wunsch Harald des Langen, obwohl sich die Griechen nach näherer Erwägung widersetzten.“[3]

Ob es zu den Runen aktuelle Forschungen gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, jedoch ist m. E. der unselige Norderstreng nicht mehr zitierfähig. Auch Zitate aus Reiseführern sind nur selten brauchbar, ebensowenig wie inzwischen entfernte, offenbar auf eigenen Überlegungen des Mitstreiters basierende Wertungen. --Hans-Jürgen Hübner (Diskussion) 13:22, 11. Apr. 2013 (CEST)Beantworten

Deutlich skeptischer liest sich Helmer Gustavsson: Piräus-Löwe. § 2. Inschrift und Ornamentik. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 23 (2003), S. 198–199 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). --HHill (Diskussion) 09:17, 13. Apr. 2013 (CEST)Beantworten
Super, danke, wichtiger Hinweis! Wenn also bereits im 18. Jahrhundert die Inschriften nicht lesbar waren, sind insbesondere die "Übersetzungen" aus dem 20. Jahrhundert offensichtlicher Unsinn. Das gehört m.E. in den Artikel. --Lothar W. Pawliczak (Diskussion) 10:16, 13. Apr. 2013 (CEST)Beantworten

Anmerkungen

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  1. Zitiert nach Stefan Wolle: Wladimir der Heilige. Rußlands erster christlicher Fürst, Verlags-Anstalt Union, 1991, S. 58.
  2. Rolf Nordenstreng: Die Züge der Wikinger, Quelle & Meyer,Leipzig 1925. S. 198.
  3. James (Jan) Morris: 3mal Venedig. 2. überarbeitete Ausgabe München 1983, S. 250.