Diskussion:Billroda
Der Kalischacht in Rastenberg
Bearbeiten’’von Wilhelm Lüddeke’’
Bis zur Mitte des l9ten Jahrhundert existierte das Wort Kali nur in den Lehrbüchern der Chemie. Es wurde allgemein bekannt, nachdem der Chemiker Justus von Liebig seine Bedeutung für den Aufbau der Pflanzen entdeckte. Um diese Zeit untersuchte ein Chemiker, der im Staßfurter Salzbergbau tätig war, das als wertlos auf Halden gelagerten Abraums auf seine Bestandteile. Er fand, dass in dem Abraum enorme Mengen von Kalisalzen vorhanden waren, welche bedeutend wertvoller war als die zur Kochsalzgewinnung geförderten Steinsalze, da erstere ein hochwertiges Düngemittel für die Landwirtschaft darstellte. 1861 entwickelte sich darauf in Staßfurt eine mächtige Kaliindustrie, welche nun den Kalimarkt der ganzen Welt beherrschte. Die Kochsalzgewinnung trat an die zweite Stelle, die Kalisalze wurden vorrangig gefördert. Das neu entstandene Werk, Staßfurt-Leopoldshall" wurde mit allen erdenklichen Neuerungen ausgestattet, um die geförderten Salze auf ihre Verwendungsmöglichkeit zu untersuchen; dabei wurden eine Anzahl von Nebenprodukten - wie Brom u.a. - festgestellt, die bisher vollständig unbeachtet geblieben waren. Auf diese Weise wurde Staßfurt sozusagen die Schule für alle in der Kaliindustrie beschäftigten Chemiker, und es gab nur wenige Leiter der später entstehenden Chlorkaliumfabriken, die ihre praktische Erfahrung im Fabrikbetrieb nicht ihrer Lehrzeit in Staßfurt zu verdanken hatten. Somit kann wohl mit Recht Staßfurt als die Wiege der deutschen Kaliindustrie bezeichnet werden. Je mehr sich bei der deutschen Landwirtschaft und auch im Ausland das Wissen durchsetzte, welch ein unentbehrliches und vorzügliches Düngemittel das Chlorkalium für die Landwirtschaft ist, um so schneller kam man zu der Überzeugung, dass die wenigen Werke in Staßfurt nicht in der Lage sind, den immer größer werdenden Bedarf an Kalisalzen zu decken. Um die Jahrhundertwende setzte eine außer- gewöhnliche Tätigkeit ein, um die in Deutschland, hauptsächlich in Mitteldeutschland, geologisch festgestellten und durch Bohrungen nachgewiesenen Salzlager auf ihren Gehalt an Kalisalzen zu untersuchen. Je nach dem Ergebnis der Bohrungen in Bezug auf das Vorhandensein von abbauwürdigen Kalisalzen sicherten sich nun kapitalkräftige Unternehmer den Abbau der infrage kommenden Salze ließen sich durch gerichtliche Eintragungen das Eigentums- und Ausbeutungsrecht übertragen, wobei die Grenzen des betreffenden Abbaugebietes durch Eintragung in Karten der Erdoberfläche genau festgelegt wurden. Zur Finanzierung des Abbaues der Salze wurden l000teilige Gewerkschaften mit je 1000 Kuxen gegründet. Jeder Kuxeninhaber hatte, je nach der Anzahl seiner Kuxen, die beim Bau des Werkes entstehende Kosten anteilig zu tragen; ebenso wurden nach dem gleichen Schlüssel später bei der Ausbeutung sich ergebende Gewinne auf die Kuxen¬inhaber verteilt. Infolge des immer größer werdenden Kalibedarfs wurde die Ausweitung der Kaliförderung immer dringender. Am Anfang des 20ten Jahrhundert entstanden - hauptsächlich in Mitteldeutschland - neue Kaliwerk Unter anderen begann auch die Gewerkschaft Rastenberg im Jahre 1907 mit dem Teufen eines Schachtes und im nächsten Jahre mit die Bau einer Chlorkaliumfabrik. Letztere war, wie auch bei den meisten Werken, notwendig, um die geförderten Salze, die einen sehr unterschiedlichen Prozentsatz an Kali hatten, zu einer handelsfähigen Ware zu machen. Das Abteufen des Rastenberger Schachtes verlief, von einigen Unglücksfällen abgesehen ganz normal. Da bei jeder Schachtanlage mit außergewöhnlichen Wassermengen gerechnet werden musste, wählt man als Schachtpunkt eine möglichst hoch gelegene Stelle, damit der Schacht nicht von Tageswässern beeinflusst wurde und die beim Teufen zu bewältigenden Wasser freien Abfluss hatten. Maßgebend für den Schachtort war ferner das Vorhandensein hochwertiger Salze in unmittelbarer Nähe, was durch Bohrungen ermittelt war. Der Schachtort der Gewerkschaft Rastenberg, wie sie sich nannte liegt an der äußersten Grenze des damaligen Großherzogtums Sachsen-Weimar und dem anschließenden en preußischen Gebiet. Besondere Einzelheiten während des Teufens, technischer Art, sind nicht erwähnenswert. So weit größere Wassermengen nicht auftraten wurde der Schacht mit einem inneren Durchmesser von 5,0 m und ca. 50 cm starken Umfassungsmauer vorgetrieben. Dieses Verfahren musste jedoch geändert werden, als man im Buntsandstein auf starke Wasser führende Schichten stieß, die teilweise einen Zufluss von 3 bis 4 cbm pro Minute erreichten. Nun wurde das bisherige Mauerwerk nicht mehr weitergeführt, sondern durch den Einbau von gusseisern Tübbings ersetzt, die je nach Erddruck 5 bis 8 cm stark waren und ebenso kräftige Flanschen besaßen; sie wurden mittels eiserner Bolzen miteinander verbunden. In die Trennfugen wurden Bleidichtungen eingelegt, so dass jegliches Eindringen von Wasser verhindert wurde. Der Zwischenraum zwischen den eingebauten Tübbings und dem Erdreich - ca. 50 cm - wurde mit hochwertigem Beton ausgegossen. War die Wasser führende Schicht oder die über jedem Salzlager liegende Salztonschicht durchteuft, wurde wieder 50 cm starkes Mauerwerk hergestellt. Bei einer Tiefe von ca. 750 m war das gesteckte Ziel erreicht, und es konnte nun mit dem Bau der Strecken und mit dem Abbau des Salzes begonnen werden. Der Transport des Salzes in den Strecken erfolgte über Feldbahngleise und Förderwagen. Die Wagen wurden vom Schacht zur Abbaustelle gebracht, dort beladen, zu Zügen zusammengestellt und dann, in der ersten Zeit mit Pferden, später mittels elektrischer Zugmaschinen zum Schacht befördert. Für die Pferde war unter Tage ein Stall ei gerichtet, und die Tiere blieben vom Montag bis Sonnabend unter Tage. Wenn am Sonnabend die Arbeiten Unter Tage eingestellt wurde, wurden auch die Pferde zu Tage befördert und es war eine Lust zu sehen, mit welcher Freude die Tiere das Tageslicht begrüßten und dies durch Wiehern, Wälzen und Umherspringen zum Ausdruck brachten. Für die Bergleute war die Zeit des Teufens eine harte, mühselige und gefährliche Arbeit, zumal während der Zeit des Wassereinbruch Mit Rücksicht auf die außergewöhnlichen Anforderungen und Leistung war die Arbeitszeit pro Schicht auf 6 Stunden festgelegt. Ein ,,Drittel" (Bezeichnung für die jeweilige Kolonne) wurde bei Schichtbeginn der jeweilige Teufstand ermittelt und am Schluss des Monat festgestellt, welches Drittel die beste Leistung im Teufen erreicht hatte. Dieses Drittel bekam dann die von der Verwaltung vorher festgelegte Teufprämie. Welche Schwierigkeiten schon vor Beginn des Teufens zu bewältig waren, soll hier nicht unerwähnt bleiben! Da war zunächst die Frage des Transports von Baumaterialien, Maschinenteilen, Tübbings usw. zu klären. Rastenberg hatte zu der Zeit nur eine Schmalspurbahnverbindung nach Weimar. Sämtliche für Rastenberg bestimmten Güter, die mit der Staatsbahn kamen, musste in Guthmannshausen auf die Wagen der Schmalspurbahn umgeladen werden; ebenso in umgekehrter Richtung, die Güter aus Rastenberg. Durch die Höhenlage des Rastenberger Schachtes, ca. 302 m über NN und die fürchterlichen Wegeverhältnisse vom Bahnhof Rastenberg zum Schachtplatz, war an einen Transport von schweren Frachtgütern nicht zu denken. Der Gewerkschaft blieb keine andere Möglichkeit als den Transport der zunächst benötigten Maschinenteile, Tübbings, Baumaterial, Kohle und dergl. von der Station Eckartsberga mit Pferdegespannen auszuführen. Da die Landstraßen von Eckartsberga bis nach Tauhardt einigermaßen in Ordnung waren, musste nur der von Tauhardt zum Schachtplatz führende Feldweg mittels Eisenbahnschwellen ausgebaut werden. Inzwischen waren Verhandlungen wegen des Baues einer Normalspur zwischen Rastenberg und Buttstädt erfolgreich abgeschlossen worden, nachdem die Stadt Rastenberg eingewilligt hatte, sich an dem Projekt mit 150 000 Mark zu beteiligen, wurde unverzüglich mit dem Bau der Strecke begonnen. Gleichzeitig wurde die Grubenanschlussbahn in Angriff genommen. In verhältnismäßig kurzer Zeit waren beide Strecken fertig gestellt. Der Personenverkehr nach Weimar auf der Schmalspurbahn wurde nie gestört, lediglich lagen bis nach Hardisleben 3 Schienen. Die Transportfrage war damit für alle Beteiligten befriedigend gelöst. Eine weitere Schwierigkeit für die Inbetriebnahme des Kaliwerke bestand darin, die Genehmigung für die Ableitung der so genannten ’’’Endlauge’’’ zu erhalten. Das kleine Flüsschen, die ’’’Lossa’’’ kam dafür nicht in Frage, weil sie viel zu wenig Wasser führt. Diese stark chlorhaltige Lauge kann nur dosiert dem Wasser größerer Flüsse zugeführt werden. Es muss garantiert werden, dass der Chlorgehalt des Flusses ein bestimmtes Maß nicht überschreitet, um den Fischbestand und die Trinkwasserversorgung nicht zu gefährden. Die an solchen Flüssen liegenden Städte erheben deshalb stürmischen Einspruch. Die "Gewerkschaft Rastenberg" beantragte bei dem damaligen Staat ,,Sachsen-Weimar" die Konzession für die Ableitung ihrer Endlauge von einer Verarbeitung von täglich 10.000 Doppelzentner Salz in die Ilm. Die Lauge sollte mittels einer 250 mm starken Leitung aus gusseisernen Röhren, 18 km entfernt, an dem so genannten Poche (Kreuzungsstelle der Ilm mit der Straße Eckartsberga - Weimar), der Ilm zu geführt werden. Da auf der Strecke, von der Poche bis zur Mündung der Ilm in die Saale, keine größeren Städte auf Sachsen-Weimarer Gebiet lagen, somit Einspruch nicht erfolgte, wurde die beantragte Konzession vorbehaltlos erteilt. Damit war der Weg für den Ausbau der Fabrikation der Gewerkschaft Rastenberg frei. Mit dem Aufbau der Fabrikanlagen und der Verlegung der Endlaugeleitungen wurde sofort begonnen. Im Jahre 1909 konnte die Fabrikation von Kalidüngesalz anlaufen. Die Anlagen über Tage, hauptsächlich die Fabrikanlagen9 waren sehr bedeutend. Neben dem dreistöckigen Förderturm waren Fördermaschinen, Mühle, Kesselhaus, elektrische Zentrale, Verwaltungsgebäude mit Kaue (die Umkleide- und Baderaum für die Belegschaft), Werkstätten sonstige Nebengebäude wohl die wichtigsten; sie lagen auf der linken Seite der zwischen Schacht- und Fabrikanlage durchgeführten Gleisanlagen, während auf der rechten Seite der Gleise das die Lagerräume, verschiedene chemische Zwischenstationen und außerordentlich großen Kühlräume errichtet waren. Die bebaute Fläche der gesamten Fabrikanlage betrug über 10.000 qm. Die geförderten Salze wurden in den Förderwagen zur Mühle geschafft, dort gemahlen und durch ein Förderband, welches über eiserne Brücke, welche die Gleisanlagen überspannte, in das Laugehaus transportiert. In der Lösestation standen große eiserne Behälter mit einer auf 90 Grad erhitzter Chlormagnesiumlauge, in welcher das Salz gelöst wurde. War dies geschehen, wurde die Lauge im Kühlraum in Kühlkästen aufgefangen, wo sie erkaltete. Bei diesem Vorgang hatten sich am Boden und an den Wänden der Kühlkästen Chlorkaliumkristalle abgesetzt. Man ließ die Lösung vollständig abfließen und entnahm den Kästen das Kalisalz und brachte es nach dem Trocknen in die Lagerräume; die restliche Lauge wurde wieder der Lösestation zugeführt und neuerdings in den Prozess einbezogen. Nun, der eben geschilderte Vorgang ist nur als Schema aufzufassen, denn ganz so einfach waren die technologischen und chemischen Prozesse nun doch nicht. Diese Löseverfahren mit der Lauge wurde solange durchgeführt, bis sie keine nennenswerten Anteile von Kali mehr aufwies und als Endlauge abgeführt werden musste.Die gewonnenen Kalisalze wurden je nach ihrem prozentualen Gehalt in den Lagerräumen gelagert. In den ersten Jahren des 20ten Jahrhunderts wurden durch kapitalistische Manipulation verschiedene, bis dahin selbstständige Kaliwerke, zu Konzernen oder Aktiengesellschaften zusammengefasst und durch eine zentrale Leitung verwaltet. So gehörten auch die, die Abbaufelder der Gewerkschaft Rastenberg angrenzenden Gewerkschaften Reichskrone Richard in Lossa und Bernsdorf-Burggraf in Billroda zu der damaligen Aktiengesellschaft Heldburg in Hannover. Es war geplant, diese Kalivorkommen gemeinschaftlich auszubeuten, man wollte die zu erbauende Fabrik unmittelbar in der Nähe des Bahnhofs Billroda, an der neuen, im Bau befindliche Bahnstrecke Laucha - Kölleda errichten. Der Bau dieser Bahnlinie war nur möglich geworden, weil die vier Gewerkschaften sich mit einem bedeutenden Beitrag an der Finanzierung beteiligten. Die für die Fabrik erforderliche Endlaugeleitung sollte in 20 km Entfernung bei Klein-Jena in der Unstrut enden. Aufgrund des Einspruchs der Städte Naumburg, Weißenfels, Halle und Magdeburg wurde aber die Konzession versagt! Da die Aktiengesellschaft schon mit der Möglichkeit der Ablehnung gerechnet hatte, hatte sie sich durch den Ankauf von 1000 Kuxen Gewerkschaft Rastenberg die absolute Mehrheit und damit ein Einspruchsrecht gesichert. Bei der Planung der Kalifabrikanlagen der ,,Gewerkschaft Rastenberg“ wurde daher vorsorglich die Förderung der ,,Finnewerke" (Lossa, Bernsdorf) mit einbezogen. Nachdem also die Konzession für die Lauge-Einspeisung nicht erteilt wurde, richtete man sich darauf ein, dass die Salze der ,,Finnewerke" in der ,,Gewerkschaft Rastenberg" mit verarbeitet werden. Dies war auch möglich, da Rastenberg für 10.000 Dz. eingerichtet wurde, aber selbst nur täglich 400 Dz. verarbeitete, die beiden ,,Finnewerke" auch nur zusammen 4000 Dz. planten. Es verblieb somit immer noch die Möglichkeit, die Produktion steigern zu können. Die Finnesalze wurden mittels einer 60 cm - Feldbahn nach der Schachtplatz der Gewerkschaft Rastenberg transportiert und dafür die Finnewerke auf Rastenberg eintreffenden Güter, Kohle, Baumaterial u.dgl. auf dem gleichen Wege zurückbefördert. Die durch die Verarbeitung der "Finnesalze" sich ergebende Vergrößerung der Fabrikanlagen wurde in den Jahren 1911 bis 1912 durchgeführt, und damit wurde die Gewerkschaft Rastenberg zu einem der leistungsfähigsten Kaliwerke Deutschlands. Auf eine Kuriosität sei hier hingewiesen! ,Wie schon erwähnt, hat der Staat Preußen die Einspeisung der Endlauge in die Unstrut verwehrt; jetzt aber fließt über die Gewerkschaft Rastenberg, die gleiche Lauge zur Poche und über die Ilm in Saale und nimmt schließlich über die Elbe ihren Weg, ohne die betroffenen Städte etwas dagegen unternehmen konnten! Bis zur Beendigung des ersten Weltkrieges lief der Betrieb auf einzelnen Kaliwerken in Deutschland normal. Deutschland hatte damals das Monopol in der Kalierzeugung und die Kaliindustrie stand in voller Blüte. Der gesamte Versand wurde durch das Kalisyndikat mit Sitz in Berlin, getätigt. Die einzelnen Werke wurden, je na Leistungsfähigkeit und Qualität ihrer Salze, an dem Gesamtumsatz beteiligt. Sobald ein neues Kaliwerk fertig war und seine Lieferbereiche bekundete und die Teilnahme am Versand beantragte, trat die hie eingesetzte Kommission zusammen, kürzte den bisherigen Lieferant der einzelnen Werke um den Betrag, anteilig, um soviel, wie das Werk zu seiner vollen Auslastung benötigte. Dieses Verfahren änderte sich jedoch nach dem verlorenen ersten Weltkriege. In den Jahren vor 1914 und auch während des Krieges hatte sich in Elsasslothringen infolge der dort lagernden wertvollen Kalisalze eine bedeutende Kaliindustrie entwickelt, die teilweise die Leistungsfähigkeit der anderen deutschen Werke weit übertraf. Da nun im Versailler Friedensdiktat Elsasslothringen von Deutschland abgetrennt wurde und zu Frankreich kam, war das bisherige deutsche Monopol durchbrochen, und Frankreich machte erdenklichen Anstrengungen, Deutschland im internationalen Handel Konkurrenz zu machen. Die Abnehmer, hauptsächlich Amerika, nutzten diese Situation aus und drückten die Preise, wo es nur ging.
Inzwischen waren in Deutschland etwa 250 Kaliwerke fertig geworden, die alle an der Lieferung des Gesamtumsatzes beteiligt werden mussten. Die Werke forderten steigenden Absatz ihrer Kalisalze, während der Export durch die französische Konkurrenz zurückging Die Lage der deutschen Kaliindustrie war dadurch sehr bedenklich geworden. In der Folge gab es Zeiten, wo nur noch an zwei Tagen der Woche gearbeitet wurde, während die übrigen Tage als Feierschichten galten. Da dieser Zustand auf die Dauer nicht durchführbar war und schließlich zum Zusammenbruch der gesamten Kaliindustrie geführt hätte, entschloß man sich zu folgenden Maßnahmen: Von den ca. 250 liefernden Kaliwerken wurden 200 stillgelegt. Die übrigen Werke wurden zu Mammutwerken aufgestockt und durch vollkommene Mechanisierung auf höchste Leistungsfähigkeit gebracht. Hierfür wurden Werke ausgewählt, welche bereits leistungsfähige Fabriken hatten, die besten Salze besaßen, verkehrsgünstig Lage und günstigen Antransport von Kohle gewährleisteten. Da die ,,Gewerkschaft Rastenberg“ gerade hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse den gestellten Bedingungen keinesfalls entsprach, fiel auch sie, mitsamt den Finnewerken, unter die Stilllegung. Im Jahre 1925 wurde der Schacht mit den teilweise noch vorhandenen Haldenbeständen zugeschüttet, die Schacht- und Fabrikanlagen, sowie die 18 km lange Endlaugenleitung wurden abgebrochen bzw. abmontiert. Der Schacht wurde durch eine 1,80 m starke Betondecke abgedeckt. Diese Abdeckung ist heute noch zu sehen und gibt an, sich vordem die einst musterhafte Anlage befand. Alles darum herum ist eine wüste Ruinenlandschaft. Die Aktionäre der stillgelegten Werke werden von den heute noch arbeitenden Werken (in Westdeutschland) am Gewinn beteiligt. Somit ist der paradoxe Zustand eingetreten, dass eine Weiterarbeit der von der Stilllegung betroffenen Werke zur Pleite geführt hätte. Heute, wo sie nicht mehr produzieren, ist ihre Existenz gesichert. Zum Schluss soll noch auf einige technische und wirtschaftliche Aspekte eingegangen werden. Bei der Ableitung der Endlauge in die umgestellten, sich im Laufe der Zeit immer neue Schwierigkeiten ein. Obwohl an der vom Staat Sachsen-Weimar erteilten Konzession für eine Verarbeitung von 10 000 Dz. pro Tag nicht geändert werden konnte, ließen die Beschwerden der an der Ilm liegenden Grundbesitzer und auch der Fischereipächter nicht nach und waren dauernd Gegenstand von Verhandlungen zwischen der „Gewerkschaft Rastenberg" und der von Weimar hierfür eingesetzten Kommission. Um nun auch in der Wohnungsfrage mit an erster Stelle in der Kaliindustrie zu stehen, erwarb die ,,Gewerkschaft Rastenberg" im Jahre 1918 von der Stadt Rastenberg ein ca. 10 Minuten von der Stadt entfernt liegendes Areal zur Anlage einer Arbeitersiedlung. Das Grundstück war ca. 33 preußische Morgen groß und lag mitten im Walde und diente bisher als Pachtland für kleine Leute; der Flurname ist ,,Die Almose". Es war vorgesehen, hier eine Siedlung für Arbeiter und Angestellte zu errichten; projektiert waren 42 Doppelhäuser. Der bis dahin unbefestigte Weg von der Stadt über die Almose bis zum Schacht sollte als Chaussee ausgebaut werden. Im Jahre 1919, als sich die Verhältnisse nach Kriegsende stabilisiert hatten, wurde mit dem Bau der ersten Häuser begonnen, Infolge der Schwierigkeit bei der Beschaffung von Baumaterial und der ei setzenden Inflationszeit ging der Bau der ersten Häuser nur schleppend vor sich und wurde, nach Fertigstellung von 4 Doppelhäusern, gänzlich eingestellt. Wahrscheinlich hat im Jahre 1924 schon die Kunde von der beabsichtigten Stilllegung des Werkes dazu beigetragen, dass dieses Bauprojekt wieder aufgegeben wurde. Sämtliche der Gewerkschaft gehörenden Häuser, sowie ein kleiner Teil der bereits katasteramtlich festgelegten Baustellen auf der Almose, wurde an Privatleute verkauft und der größte Teil des Almosen-Baugeländes, ca. 26 Morgen, an die Stadt Rastenberg zurück gegeben. Damit ist nun auch die letzte Erinnerung an die ehemals so blüh~ ,,Gewerkschaft Rastenberg" ausgelöscht.
Der Verfasser war von Anbeginn bis zum traurigen Ende Bauführer der ,,Gewerkschaft Rastenberg”; es handelt sich also hier um einen authentischen Bericht.
Nachtrag: Während der DDR-Zeit bauten auf den Freiflächen der Almose Parteifunktionäre, meist auf Kosten des Staates oder der Betriebe ihre schönen, gut gelegenen Datschen. Das war nur möglich mit der Zusage der Stadtfunktionäre, wie dem Bürgermeister und den Mitgliedern des Rates der Stadt. Nach der Wende wurden diese Datschen als Ferienhäuser für hunderttausend und mehr DM verkauft. So bereicherten sich die alten Seilschaften weiter am zerfallenen Arbeiter und Bauern Staates. Wie man sieht, wird das einfache Volk immer beschissen und auch diese kleine Geschichte zeigt deutlich, wie sich das durch alle System kontinuierlich fortgesetzt hat.