Diskussion:Blackbirding
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Zuletzt bearbeitet am 13. November 2024 durch TaxonBot
Arbeitgeberländer?
BearbeitenIst das nicht eher ein Euphemismus für Sklavenhandelsländer?--Hopman44 (Diskussion) 15:07, 9. Mär. 2019 (CET)
- Handel ungleich Arbeit.--Aalfons (Diskussion) 11:37, 10. Mär. 2019 (CET)
Abschnitt "Humanitäre Proteste"
BearbeitenDer Abschnitt "Humanitäre Proteste" ist imho in seiner derzeitigen Form nicht objektiv, da er vor allem aus nachträglichen Beurteilungen besteht, in denen den zeitgenössischen Protesten gegen das "Blackbirding" entweder die sachliche Berechtigung abgesprochen wird oder aber Eigennutz der Protestierenden - sowohl christlicher Missionsgesellschaften als auch der Royal Navy - unterstellt wird. Dabei wird übersehen, dass es sich dabei um eine innerbritische Auseinandersetzung handelte, in der die von dieser Praxis profitierenden britischen Untertanen und die dagegen argumentierenden sich öffentlich stritten, was naturgemäß nicht immer rein sachlich ablief. Die polemische Charakter des Streits ändert aber nichts daran, dass die Profiteure des "Blackbirding" ausschließlich eigennützig motiviert waren, während diejenigen, die diese Praxis unterbinden wollten, zumindest auch humanitäre Motive hatten. Zudem ist die Argumentation mit dem "Eigennutz" der Royal Navy, die angeblich Polizeiaufgaben im Südpazifik übernehmen wollte, auch zweifelhaft, da die britische Marine faktisch die einzige Macht war, die britische Untertanen im Südpazifik an derartigen Praktiken hindern konnte, sofern sie sich in Gebieten abspielten, die nicht von einer anderen Kolonialmacht direkt kontrolliert wurden. Eher ließe sich behaupten, dass das "Laissez-faire" der europäischen Möchte, die die ökonomischen Aktivitäten ihrer Untertanen im Südpazifik längere Zeit nicht aktiv kontrollierten, überhaupt erst dazu geführt hat, dass diese Praxis sich allgemein verbreitet hat. In einem Abschnitt über die kritische Diskussion in der britischen - übrigens auch australischen - und sonstigen europäischen Öffentlichkeit sollten zumindest der Verlauf der Diskussion, die damals Beteiligten und ihre jeweiligen Argumente sowie eventuelle Folgen sachlich und chronologisch korrekt dargestellt werden. Deshalb ist im übrigen auch die Trennung der Abschnitte "Humanitäre Proteste" und "Gesetzliche Maßnahmen" nicht sinnvoll, da die öffentliche Diskussion und die Maßnahmen staatlicherseits beide Teil des Umgangs der europäischen Kolonialmächte mit dem "Blackbirding" sind. Sinnvoll wäre es höchstens, die Diskussion in unterschiedlichen Ländern und das Vorgehen (oder die Untätigkeit) unterschiedlicher Regierungen genauer zu unterscheiden.
Abgesehen davon ist es unfreiwillig komisch, wenn einerseits weiter unten berichtet wird, dass das "Blackbirding" von den Nachfahren der Betroffenen heute als eine Form des Sklavenhandels betrachtet und dafür noch mehr als hundert Jahre später Entschädigung gefordert wird, während gleichzeitig diejenigen europäischen Zeitgenossen, die schon vor 150 Jahren derselben Meinung waren und die diese Praxis notfalls mit militärischen Mitteln unterbinden wollten, nur aus der Sicht einer einzigen heutigen Historikerin betrachtet und postum der Übertreibung bezichtigt werden. Man könnte auch sagen, dass kritische britische Untertanen aus Sicht bestimmter anderer britischer Untertanen eigentlich immer im Unrecht sind: entweder sie stören die wirtschaftlich nützliche Arbeitskräfteanwerbung, oder sie wollen illegitim Weltpolizei spielen, oder sie finden religiöse Mission wichtiger als Zuckerrohrplantagen, und am Ende müssen sie sich hundert Jahre später über Entschädigungsforderungen wundern, obwohl sie doch gerade in der imperialismuskritischen Literatur gelesen haben, dass alles nur Übertreibungen egoistischer Missionare und imperialistischer Marineoffiziere waren.--2A02:3032:7:EC2E:C7DF:40E7:62DB:BD89 04:31, 13. Nov. 2024 (CET)
Grundsätzlicher Mangel des Artikels
BearbeitenAbgesehen von dem im voranstehenden Abschnitt bemängelten hyperkritischen Umgang mit den zeitgenössischen Gegnern dieser Praxis besteht ein grundsätzlicher Mangel des Artikels darin, dass er ausschließlich versucht, das Phänomen des "Blackbirding" in den Kontext einer europäischen Rechtsordnung einzuordnen, in der "Sklaverei" und "Lohnarbeit" zwei prinzipiell verschiedene Rechtszustände sind, wobei das Abarbeiten von freiwillig eingegangenen Schulden noch unter Lohnarbeit fällt, während das zwangsweise Oktroyieren von Schulden eine unlautere Geschäftspraktik, aber noch keine Sklaverei ist. Grundsatz dieser Rechtsordnung ist, dass die freien Individuen an einem von Geldwirtschaft geprägten, potentiell überregionalen Markt teilnehmen, dort Geld verdienen oder Schulden aufnehmen und ihre Arbeitskraft veräußern können, während der Staat als Ordnungsmacht lediglich über die Legalität der Vertragsbedingungen wacht.
Die Gesellschaften im melanesischen Raum besaßen jedoch in vorkolonialer Zeit weder größere Staatswesen noch eine Geldwirtschaft, sondern nur weitgehend autarke Dorfgemeinschaften, die mit ihren Nachbarn lediglich Naturalien tauschten. Größere Staaten mit individuellen Herrschern an der Spitze, einer gesellschaftlichen Hierarchie und einer Trennung von Freien und Unfreien gab es hingegen im polynesischen Raum, wo die einheimischen Herrscher deshalb von den Europäern auch problemlos mit "Königen" gleichgesetzt werden und als Vertragspartner anerkannt werden konnten. Im polynesischen Raum erschöpft sich die Frage des "Blackbirding" deshalb auch darin, im Einzelfall zu ermitteln, ob Arbeitskräfte gegen ihren Willen gewaltsam entführt oder durch reguläre, ihnen verständliche Verträge angestellt worden sind, wobei sich höchstens die Frage stellt, ob Herrscher berechtigt sind, Arbeitsverträge im Namen ihrer Untertanen zu schließen. Im melanesischen Raum hingegen ist das Konzept eines Arbeitsvertrages, der ein hierarchisches Verhältnis auf Zeit zwischen einem fremden Arbeitgeber und einem Arbeiter begründet und durch Geld entlohnt wird, etwas der einheimischen Gesellschaft grundsätzlich Fremdes gewesen, genauso wie monetäre Schuldverhältnisse, da legitime Kontakte mit Auswärtigen sich auf den Naturalientausch beschränkten. Bereits die Kolonisierungsversuche polynesischer Seemächte im melanesischen Raum waren aus Sicht der Einheimischen genauso illegitime Übergriffe wie die diejenigen der Europäer.
Deshalb stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob es überhaupt völkerrechtlich legitim sein kann, in einem Land "Vertragsarbeiter" anzuwerben, in dem dieses Konzept schlicht rechtlich nicht vorhanden war. Das ist im übrigen der grundsätzliche Unterschied zur Anwerbung von Vertragsarbeitern in asiatischen Ländern wie Indien oder China, in denen Lohnarbeit allgemein üblich und auch Schulden und faktische "Schuldsklaverei" verbreitet waren; und es ist im übrigen auch ein Unterschied zum europäischen Sklavenhandel in Afrika, der sich zumindest im Westafrika häufig auf vor Ort bereits bestehende Sklaverei stützte und lediglich als zusätzlicher externer Käufer auftrat. Dass eine durch Zwang erfolgte Anwerbung von angeblichen Lohnarbeiteern für den Einsatz in Übersee in Gebieten, die dieses Konzept nicht kannten, von den Betroffenen als ein Äquivalent einer Versklavung erlebt und von zeitgenössischen Kritikern auch bereits so beschrieben wurde, sollte deshalb nicht verwundern. Die Idee eines "unschuldigen, naiven und wehrlosen" Pazifikinsulaners braucht es dazu nicht. ("Wehrlos" waren die melanesischen Dorfgemeinschaften gegenüber bewaffneten Europäern freilich insofern, als sie weder überregionale Staaten noch Schusswaffen besaßen. Größere polynesischen staatliche Verbände waren hier in einer weitaus besseren Lage, weshalb das "Blackbirding" dort auch kein so exzessives Ausmaß annehmen konnte, abgesehen von der faktischen Versklavung der Einwohner der Osterinsel durch peruanische "Blackbirder", die durch die geringe Größe und geographische Isolierung der Insel ermöglicht wurde.)
Dass der Artikel bisher gar nicht auf die gesellschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse in den betroffenen Gebieten vor dem Auftreten der Europäer eingeht, führt dazu, dass er trotz seines allgemein kritischen und teilweise hyperkritischen Stils weitgehend am Kern des Phänomens vorbeisieht, nämlich der gewaltsamen Oktroyierung eines auf überregionaler kapitalistischer Geldwirtschaft und einem Zwang zur Lohnarbeit beruhenden Wirtschaftssystems gegenüber Gesellschaften, deren Wirtschaftsform ausschließlich auf lokaler Selbstversorgung und Naturalientausch beruhte und die weder die Absicht hatten, engere Kontakte zu fremden Besuchern aufzunehmen, noch in einer ihnen verständliche Sprache über das Rechts- und Wirtschaftsverständnis dieser Fremden informiert wurden und unter den gegebenen Umständen auch nicht werden konnten. --2A02:3032:7:EC2E:C7DF:40E7:62DB:BD89 05:35, 13. Nov. 2024 (CET)