Diskussion:Das beispielhafte Leben des Samuel W.
„Falsche“ Interpretationen
BearbeitenEs müsste geklärt werden, ob es zulässig ist, Kritikeräußerungen zu löschen, die nicht mit Lukas Rietzschels Vorgabe: „Samuel W. ist in dem Stück nicht persönlich anwesend.“ vereinbar sind.
- Mein letzter Bearbeitungskommentar vom 22. August legt den Schluss nahe, dass Rietzschel sich irren könnte. Im Film ist Samuel W. zwar nicht zu sehen, aber es wird die Möglichkeit durchgespielt, dass sich die beiden Kandidaten vor ihrem Auftritt im Publik die Hand geben könnten. Dies setzt voraus, dass er kurzfristig für die drei Figuren „greifbar“ ist. Interessant wäre es zu erfahren, ob bei dieser Szene Zuschauer bei dem Stichwort „die Hand geben“ sich tatsächlich vorstellen, dass ein nur leicht verfremdeter Sebastian Wippel auftreten könnte. Das wiederum hängt mit der Frage zusammen, wie stark der sichtbare „Bernd“ gegenüber Octavian Ursu verfremdet wurde. Im Film dürfte er nicht weiß gekleidet sein, weil diese Farbe den „Textaufsagern“ auf der Bühne vorbehalten ist.
Im Zusammenhang mit Günter Grass' Drama „Die Plebejer proben den Aufstand“ stellte „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki apodiktisch fest, dass es nicht möglich sei, in dem „Chef“ nicht Bertolt Brecht zu sehen. Ähnliches könnte auf die Identität Samuel W.s zutreffen, besonders im Hinblick auf die Aufführungen in Görlitz.
Dazu kommt: Wenn die Tänzerin im Hintergrund nicht Samuel W. ist – Welche Bedeutung haben dann ihre Darbietungen? Wer verhält sich (angeblich) so?
Zum „Veitstanz“, den die Tänzerin Güthner zufolge am Schluss des Stücks aufführen soll: Hier könnte eventuell der Hinweis weiterhelfen, dass es in Brechts Stück „Schweyk im Zweiten Weltkrieg“ eine Szene gibt, in der Schweyk im winterlichen Russland auf Adolf Hitler trifft. Dessen Aussichtslosigkeit und Verzweiflung nach der deutschen Niederlage in Stalingrad zeigt Brecht, indem er ihn einen „wilden Tanz“ nach „Schweyks Pfeife“ aufführen lässt. --CorradoX (Diskussion) 10:28, 15. Aug. 2024 (CEST)
- In WP-Artikeln über die Geschichte von Forschungsprojekten ist es durchaus üblich, Irrwege der Forschung ausdrücklich zu erwähnen. „Falsch-Verstehen“ ist keine Schande, sondern Teil der wissenschaftlichen Methode „Trial and error“. Was den Auftritt der Tänzerin in dem Lemma-Stück anbelangt: Kaum jemand dürfte „verstehen“, was es mit diesem auf sich hat. Falsche Vereindeutigungen der Bedeutung dieses Auftritts zeigen vor allem, dass Schreibern die Bereitschaft fehlt zuzugeben, dass man eine Situation auch (legitimerweise!) ganz anders sehen kann. --2A02:8206:88E0:3300:2C65:F296:550:132C 17:41, 15. Aug. 2024 (CEST)
- Die zentrale Frage ist: Wird Rietzschel seinem eigenen Anspruch überhaupt gerecht? Hat Theater wirklich die Kraft (wie es Lukas Rietzschel dem „Vorwärts“ gegenüber behauptet), die Spaltung zwischen denen, die sich selbst als „die Guten“ betrachten und zu denen offenbar auch Michael Bartsch gehört, und ihren moralisierenden Kritiken einerseits und den „AfD-Affinen“ andererseits zu mildern?
- Könnte es nicht sein, dass Reflexe wie die automatische Diffamierung von AfD-Affinen als „Spießer“ durch Bildungsbürger tiefer sitzen, als Rietzschel es annimmt? Welches Recht hat Rietzschel, die explizite Gleichung „Samuel W. = Sebastian Wippel“, die Zuschauer vornehmen, zu unterbinden? Sprachstatistiker dürften nachweisen können, dass die Wörter „Görlitz“ und „Sachsen“ in Texten über das Stück öfter vorkommen, als es mit dem Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit der Aussagen im Stück vereinbar wäre. --CorradoX (Diskussion) 18:02, 15. Aug. 2024 (CEST)
Lukas Rietzschel und Bertolt Brecht
BearbeitenDie Formulierung in der Überschrift habe ich in eine Suchmaschine eingegeben. Einen Text, der Konzeptionen beider Autoren miteinander ausdrücklich in Verbindung bringt, habe ich nicht gefunden. Allerdings gibt es in einigen Texten Nebenbeibemerkungen, wonach Rietzschel sich von Brechts Stück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ habe inspirieren lassen. In einer Quelle gibt nur der Titel des Stücks Anlass zu diesem Eindruck. Dass Brecht sich durch sein Wissen, dem zufolge Adolf Hitler Schauspielunterricht genommen habe, dass Hitler sich bei dieser Gelegenheit viele später oft ausgeführte Posen eingeübt habe, dass Brecht das alles durch die Figur des Arturo Ui lächerlich machen wolle und dass hierin genau der Bezug zum Hintergrundtanz in Rietzschels Stück zu sehen sei, hat niemand vor dir, Corradox, auf den Punkt gebracht.
Das alles muss leider als WP:TF bewertet und gelöscht werden.
Auch der Begriff „Verfremdung“, wie du ihn operationalisierst, hat kaum etwas mit dem zu tun, was im ersten Teil des WP-Artikels zu lesen ist. Insbesondere bleibt unklar, worin das „Natürliche“ bestehen soll, das Brecht zufolge „auffällig gemacht werden“ solle. Rietzschel versteht sein Theater – anders als Brecht – nicht als Lehrtheater und sich selbst nicht als Lehrer seines Publikums. --2A02:8206:88F1:5B00:F059:516D:A555:45D 11:15, 17. Aug. 2024 (CEST)
- Du hast insofern Recht, als ich es bin, der sich regelmäßig an Bertolt Brecht erinnert fühlt. Dies trifft auch auf meine letzte Textänderung zu, durch die ich das Wort „Figur“ in Anführungszeichen gesetzt habe. Dass Schauspieler nicht die Illusion erwecken sollen, sie seien die Figur, die sie darstellen, ist „Brecht pur“!
- Aber als „braver Wikipedianer“ muss ich mit einer Einfügung in den Text warten, bis ich das oben Angeführte aus einer „reputablen Quelle“ abschreiben kann. --CorradoX (Diskussion) 12:41, 17. Aug. 2024 (CEST)
- Inzwischen habe ich mehrere Quellen gefunden, in denen die Autoren angeben, der Stücktitel Das beispielhafte Leben des Samuel W. erinnere sie an den Titel des Stücks Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui von Bertolt Brecht. --CorradoX (Diskussion) 10:05, 5. Sep. 2024 (CEST)
Rietzschel in Saarbrücken
BearbeitenDer Bericht über Lukas Rietzschels „Lesung“ in Saarbrücken am 27. März 2024 endet mit der Bemerkung, dass die Veranstaltung sinnvollerweise mit einer Aufführung von Das beispielhafte Leben des Samuel W. in Saarbrücken fortgesetzt werden sollte.
Da Rietzschel generell Mühe hat, die Funktion des „Erklärers des Ostens für Westdeutsche“ loszuwerden, dürfte eine solche Inszenierung nicht die Funktion erfüllen, Westdeutschen klar zu machen, dass sie eben nicht „ganz andere“ Probleme haben als Ostdeutsche, erkennbar an der zunehmenden Akzeptanz der AfD auch in den westlichen Bundesländern. Rietzschel bestätigt diese Ansicht in Saarbrücken auch noch, indem er einem eventuellen ehemaligen Bergmann, der im Saarland seinen Beruf wechseln musste, bescheinigt, dass die Arbeit in einem VEB etwas ganz anderes gewesen sei als die Arbeit für eine kapitalistische Aktiengesellschaft.
Rietzschels Blickverengung bildet einen merkwürdigen Kontrast zu den Organisatoren der Lesung, die diese innerhalb der deutsch-französischen Reihe „Transformationen“ stattfinden lassen, innerhalb derer auch der wachsende Einfluss von Rechtspopulisten in Frankreich thematisiert wird. Hier deutet sich eine noch umfassendere Maximalvariante der Reichweite des Rietzschel-Stücks an, die aber (noch) nicht Teil eines Diskurses ist (WP:TF!), obwohl der Theoretiker Rietzschel mit seiner These von der Verinnerlichung neoliberalen Denkens in Ost und West neuerdings recht dicht an dem Punkt gerückt ist, an dem er sich fragen muss, ob die Betonung von Ost-Spezifika in seinen Erklärungen noch sinnvoll ist. --CorradoX (Diskussion) 12:53, 20. Aug. 2024 (CEST)
- Als eine entscheidende Frage für die Rezeption des Stücks stellt sich heraus, ob man die Personen im Film und/oder im Vordergrund der Bühne als Angehörige einer „Wir-Gruppe“ oder einer „Ihr-Gruppe“ betrachtet: Wo verläuft die Grenze zwischen „Uns“ und „den Anderen“. Rietzschels große Resonanz in Deutschland beruht größtenteils auf dem Interesse „Anderer“ (hier: derer, der nicht in Ostsachsen leben), die sich quasi als Teil einer „Haftungsgemeinschaft“ mit den „Anderen“ (hier: den Ostdeutschen) verstehen.
- Lukas Rietzschel erweckt den Eindruck, er sei vor allem nach Saarbrücken gereist, um den Umsatz seiner Romane anzukurbeln. Seine Dramen wurden erst am Schluss von den Veranstaltern ins Spiel gebracht. Eine Erwähnung des gebürtigen Saarländers Erich Honecker (als Beispiel dafür, dass Mentalitäten vor allem dort, wo Freizügigkeit praktiziert wird, oft nicht „ortsfest“ sind) hielt Rietzschel wahrscheinlich für deplatziert. --2A02:8206:880B:6D00:3871:17CA:FE5:6FCA 17:40, 20. Aug. 2024 (CEST)