Diskussion:Diele (Lokal)

Letzter Kommentar: vor 5 Monaten von 2003:CD:3F41:A201:DCBB:CD0D:1703:F819 in Abschnitt Zeugnisse für den Gebrauch von “Diele” nach 1918:

Das Reich der Worte und Sitten

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So, lieber Denis, dann wollen wir mal einen Ritt durchs „Wilde Wordistan” unternehmen! (schade, das Buch half mir nicht weiter bei der Recherche … :))

Ich fange immer gern mit/bei den Grimms an (Grimmsches Wörterbuch im Wörterbuchnetz), aber die sind etwas schwergängig, weil es in der digitalen Ausgabe kein Verzeichnis der abgekürzt zitierten Werke bzw. Autoren gibt – ist also nur was für Menschen mit einer ausgeprägten Lust für Detektivarbeit (sofern die das gedruckte Wörterbuch nicht besitzen; was z. B. bei mir der Fall ist ;))

Übersichtlicher und inhaltsgleich sind die Einträge im DWDS:

  • Diele#1 --> das wären die Bedeutungen „langes Brett” und „Fußboden”
  • Diele#2 --> das wären die Bedeutungen „großer Flur, Vorraum” und „Vergnügungsstätte mit kleiner Tanzfläche”

Das DWDS ist super, weil die einen Graphen zum Wortverlauf haben; rechts oben siehst Du ihn. Wenn Du auf den Karteireiter „ab 1600” gehst, wird es ganz interessant: so um 1700 geht es los und steigt ab der Mitte des 19. Jhs. steil an; auf dem zweiten Karteireiter („ab 1945”) sehen wir einen deutlichen Peak um 1950. Und da wir jetzt eh schon TF betreiben, können wir das ja auch gleich richtig machen ;):

  • Googles Ngram Viewer von 1800 bis 2008 für Tanzdiele und Eisdiele (der duchsucht natürlich nur Bücher, die auf Google Books vorhanden sind!). Auch hier: Die Tanzdiele hat einen kleinen Peak um 1850 (Spoiler: das sind die Suchergebnisse aus der Schweiz), dann geht es ab 1920 steil aufwärts für den Begriff; Knick in WK II (klar!) und zwischen 1940/50 nochmal ein Peak.

Damit hast Du eine gute Idee in welchen Zeiträumen Du gezielt suchen mußt (Tipp: unten am Fuß des Ngram Viewer kann man sich die Suchergebnisse aus den Büchern für definierte Zeiträume anzeigen lassen: _Sehr_ praktisch!).

Halten wir bis hierhin fest: Wir haben grundsätzlich zwei Bedeutungen für „Diele”: Brett/Fußboden und Raum (wobei dieser „Raum” vornehmlich für Flur/Korridor/Vorraum” steht!).

Zurück in die Vergangenheit und damit die Schweiz: e-periodica.ch ist ein großartiges Portal, wenn man u. a. Zeitschriften im Volltext durchsuchen möchte! Da hab ich für Dich diesen Aufsatz aus dem Schweizerischen Archiv für Volkskunde herausgesucht:

Um das weiter auszubauen, nimmst Du bitte das Schweizerische Idiotikon und dort das Lemma „Tanzdili” zur Hand; oder Du fängst es ganz grundsätzlich an und damit mit der „Dili”.

Ein Fundstück noch zur „Tanzdiele”: Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, Band 3 bei Google Books – naja, Schnippel, zu wenig Kontext … da müßte man das Kapitel oder Buch in der Hand haben, um das sinnvoll zu verwerten.

An dieser Stelle der Recherche angekommen, habe ich mich gefragt warum zum Henker die „Vergnügungsstätte mit kleiner Tanzfläche” ausgerechnet „Tanzdiele” heißt …

Eine direkte Übernahme oder einen Einfluß aus der Schweiz sehe ich nicht: Den Beleg für 1627 oder deinen Beleg aus dem Jahr 1850 für die Schweiz kriege ich nicht sauber kontinuierlich überführt in das Deutschland der 20er oder 50er Jahre – eine Übernahme des Begriffs halte ich daher für relativ sicher ausgeschlossen. Zumal auch Paul Kretschmer (Wortgeographie der hochdeutschen Umgangssprache, 2. Auflage 1969) die „Diele” nur in den zwei o. g. Bedeutungen bespricht (heißt: Brett oder Flur) und keine Übernahme oder „Mischung” der Begriffe im Hochdeutschen und der Schweizer Verwendung vermerkt – geschweige denn die Diele als Tanzschuppen kennt ;) (das Buch von Kretschmer besitze ich – ich schicke Dir gern Fotos der entsprechenden Seiten, weil dort auch die niederdeutsche deel nochmal etwas ausführlicher besprochen wird).

Stellt sich raus: Ausgerechnet das von mir zu Anfang der Recherche gefundene und etwas skeptisch betrachtete Buch Tanzdielen und Vergnügungspaläste : Berliner Nachtleben in den dreissiger und vierziger Jahren … von Knud Wolffram könnte die Erklärung bieten: Wenn ich die Snippets (nochmal: Buch besorgen, weil Schnippel keinen nahrhaften Kontext liefern!!) richtig deute, dann waren die „Tanzdielen” ursprünglich nicht eigene Örtlichkeiten oder Lokale, sondern Räume innerhalb eines Gebäudes. Damit wären wir wieder bei den Grimms: Ein Raum genannt Diele, weil „Diele” den Boden oder die Decke eines darüber liegenden Raums meint. Nur für die 30/40er Jahre oder auch danach? … keine Idee!

Wieso das in den 50ern immer noch gängig war? Nochmal keine Idee! Die Volkskunde hilft mir mit meiner Literatur nicht weiter :(( Liegt aber garantiert daran, daß ich für diese letzten Schnaufer der Recherche nur noch nicht die richtige™ Idee für einen Recherche-Pack-An habe ;)

Liebe Grüße an Denis und Shoutout to Elfabso ;) --Henriette (Diskussion) 01:32, 22. Apr. 2020 (CEST)Beantworten

Danz op de Deel

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Vielleicht kann man mal bei dem Artikel Danz op de Deel vorbeischauen. Schönen Gruß --Heiko (Diskussion) 12:07, 2. Mai 2024 (CEST)Beantworten

Zeugnisse für den Gebrauch von “Diele” nach 1918:

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“Lieschen, komm’ in die Diele” hieß ein Tanzstück von Alex L. Kipke [1895–?] (Musik und Text), das 1919 im Verlag Colosseum, Berlin-Charlottenburg, erschien. Der Notentitel mit Jllustration (Tanzpaar) und Liedanfangszeile “Ach Lieschen, Lieschen, komm doch ein bisschen, bisschen, in die Diele...” ist abgeb. bei booklooker.de

Eine Notenrolle für elektrische Klaviere der Marke Welte-Mignon No. 3606 mit dem Two-Step “Lieschen, komm in die Diele, A. L. Kipke, gespielt von Hans Renner” ist abgeb. bei deutsches-museum.de (Sammlung Deutsches Museum München)

Schallplatte : Lieschen, komm' in die Diele. Foxtrot (Twostep) TuM: Alex L. Kipke. VOX 1194 A (mx. 886-B) Vox-Orchester mit Gesang [Leitung: Carl Woitschach], aufgen. Berlin, Vox-Haus ca. Juli 1922. Vgl. Rainer E. Lotz, VOX Firmen-Diskographie PDF.

Es gab offenbar auch Dielen, in denen vorzugsweise bzw. vorwiegend bestimmte Tänze, etwa Foxtrot oder Tango, exekutiert wurden:

a) Foxtrot

vgl. den Filmtitel “Die Tänzerin der Foxtrott-Diele” (Spielfilm D 1920, Produktionsfirma: Braun-Film, Berlin, Länge: 4 Akte, 1122 m, Zensur (DE): 03.09.1920, B.00397, Jugendverbot, vgl. filmportal.de)

b) Tango

Die Tango-Diele an der Dinklager Straße 1 in Carum : Diplompädagogin und Tangolehrerin Gertrud Arlinghaus berichtet aus Carum im Landkreis Vechta über “unsere Tangodiele und derzeitige Heimstatt des Tango Argentino im Kreis Vechta und Umgebung”, welche sie als “geschmackvoll und liebevoll restaurierte Diele” vorstellt, vgl. aesthetischebildung.de

Musikjournalistin Sabine Kaufmann titelte ihren Artikel über eine Neuerscheinung des Tango-Quartetts Quadro Nuevo in musenblaetter.de “In den Tango-Dielen von Buenor Aires”.

Und ein Bereich in der Ausstellung "Boheme und Diktatur in der DDR" über die Bedeutung privater bürgerlicher Salons und Hauskreise als intellektueller Freiraum trägt den Titel “Nietzsche im Keller, Tango auf der Diele”. Vgl. dhm.de.

Die Bezeichnung ist also auch noch heute in Gebrauch!

MfG - - - 2003:CD:3F41:A201:DCBB:CD0D:1703:F819 15:53, 8. Jun. 2024 (CEST)Beantworten