Diskussion:Gustav Braun (Geograph)
Erhebliche Zweifel
BearbeitenIn Maximilian Scheers Das deutsche Volk klagt an wird Braun als vom NS-Regime vertriebener Lehrstuhlinhaber bezeichnet, dafür spricht auch der Tod in Oslo, mutmasslich im Exil. Eine Pensionierung im Alter von 52 Jahren klingt unwahrscheinlich. --Meister und Margarita (Diskussion) 23:08, 5. Mär. 2015 (CET)
- Der Artikel basiert größtenteils auf den ersten beiden unter Literatur angegebenen Titeln, die leider nicht mehr dazu hergeben. Belegte Ergänzungen und Korrekturen sind natürlich willkommen. --Erell (Diskussion) 00:15, 6. Mär. 2015 (CET)
- Ja, er wurde sichtlich vom Lehrstuhl vertrieben. Ich habe das jetzt, zusammen mit weiteren Ergänzungen, auch mit einem Literaturbeleg aufgenommen. Noch unklar ist der Tod in Oslo. Das Datum, der 11. November 1940, lässt „mutmasslich im Exil“ ja nicht als einzige Möglichkeit erscheinen. Vielleicht Teilnahme an der deutschen Besatzung Norwegens? Die Lebensläufe der Menschen sind halt nicht immer so einfach. Ich bin gespannt, ob hier jemand Näheres ermitteln kann. Gruß, --Turpit (Diskussion) 02:48, 7. Mär. 2015 (CET)
Braun wurde 1933 von seinen Assistenten und einigen Studenten denunziert. Die Gruende dafuer sind nur zum Teil politischer Natur. Braun war bei Kollegen und Mitarbeitern unbeliebt, weil er seine Institute nach Gutsherrenart fuehrte. Es war fuer viele seiner Kollegen nahezu unmöglich, mit ihm zusammenzuarbeiten, weshalb 1921 das Institut fuer Finnlandkunde aus dem Nordischen Institut ausgegliedert wurde. Es war die einzige Möglichkeit, Braun davon abzuhalten, ständig mit seinen Kollegen aneinander zu geraten und gleichzeitig seine unbestreitbare Umtriebigkeit und Arbeitskraft zu bewahren. Die Streitigkeiten, die Braun in seinen Instituten auslöste, und die Gruende dafuer, sind teilweise haarsträubend. Seit den fruehen 1920er Jahren liess Braun seine wissenschaftliche Arbeit von Stettiner Kaufmannskreisen mitfinanzieren, und das Inst.f.Finnlandkunde wurde zum allergrössten Teil von dort bezahlt. Die Stettiner Kaufleute erhofften sich Unterstuetzung bei der Erschliessung des finnischen Marktes und eine wissenschaftliche Untermauerung der Bedeutung des Ostseehandels, was sich auch im wissenschaftlichen Profil von Brauns Instituten niederschlug (Wirtschaftsgeographie, Hafenforschung). Diese Verbindung machte ihn in Greifswald noch unbeliebter, weil Braun damit an Geld kam, das anderen Kollegen in Zeiten von Hyperinflation und Wirtschaftskrise nicht zur Verfuegung stand. Braun machte sich auch die Forschungsergebnisse seiner Assistenten und Doktoranden selbst zunutze und zwang Doktoranden, die längst exmatrikuliert waren, dazu, sich kostenpflichtig bei seinen Kolloquien einzufinden und seine Zeitschrift zu abonieren. Im Gegenzug bemuehte er sich, seinen Absolventen und ehemaligen Mitarbeitern gute Positionen zu verschaffen, was nicht immer gelang. Um den Jahreswechsel 1932/33 kaufte die Universität das Haus eines Professors, der sich verschuldet hatte. Der Ankauf war nur möglich, weil einer von Brauns Mäzenen, der Stettiner Reeder Artur Kunstmann, das notwendige Geld zuschoss. Kunstmann wurde daraufhin die Ehrendoktorwuerde verliehen, was aber zu Protesten der nationalsozialistischen Studenten fuehrte, weil Kunstmann Jude war. Braun geriet damit ins Visier, und seine Assistenten Hartnack (Geographisches Institut) und Grellmann (Inst.f.Finnlandkunde), unterstuetzt von nationalsozialistischen Studenten, zeigten ihn beim Kurator und der Polizei an. Die Vorwuerfe lauteten auf Devisenvergehen und privaten Missbrauch von Institutseigentum. Braun hatte Devisen, die er vom Aussenministerium fuer Auslandsreisen erhalten hatte, in Schweden bei einer Bank deponiert und nicht deklariert, ausserdem nutzte er das Radio und das (von Kunstmann gestiftete) Motorboot des Geographischen Instituts fuer private Ausfluege mit der Familie. Braun wurde in erster Instanz verurteilt, ging aber in Berufung, und wurde zwei Jahre später höchstinstanzlich freigesprochen. Der Freispruch erfolgte aufgrund subjektiver Faktoren, weil Braun glaubhaft machen konnte, dass ihm die Devisenbestimmungen und die Abrechnungspraxis der Universität nicht geläufig sein konnten. Da sich die Verhandlung hinzog, war es aber unmöglich, einen Nachfolger zu berufen, weshalb Braun im Herbst 1933 nach dem Berufsbeamtengesetz in den Ruhestand versetzt wurde. Die Universitätsfuehrung stellte auch sicher, dass Braun seine Rente in voller Höhe bekam. Gleichzeitig wurden seine Denunzianten befördert. Hartnack bekam seinen Lehrstuhl und das Geographische Institut, während Grellmann als Dozent das Inst.f.Finnlandkunde uebernahm. Braun zog sich nach Berlin zurueck, wo er weiter forschte und auch als Gutachter fuer die DFG herangezogen wurde. 1940 wurde er wegen seiner skandinavischen Sprachkenntnisse als Hauptmann zur Wehrmacht einberufen und ging zur Besatzungstruppe nach Norwegen. Dort starb er an einem Herzinfarkt. Braun war keinesfalls antifaschistisch eingestellt. Ganz im Gegenteil schrieb er noch wenige Tage vor seiner Verhaftung an seinen ehemaligen Lektor in Finnland, dass er und das deutsche Volk die "nationale Revolution" begruessten und er sich auch bei den finnischen Kollegen um Verständnis bemuehe. Die Denunziationen kamen von nationalsozialistischer Seite, aber nicht, weil die Denunzianten nationalsozialistisch waren, sondern weil sie die Möglichkeit sahen, sich an einem hochgradig unbeliebten Professor und Vorgesetzten zu rächen. Die Möglichkeit bot sich, weil Braun durch seine Stettiner Verbindungen und die damit verbundenen Kontakte zu juedischen Kreisen 1933 angreifbar war.
Siehe: Eberle, Henrik: "Ein wertvolles Instrument". Die Universität Greifswald im Nationalsozialismus, Köln 2015, S. 80-83; sowie Nase, Marco: "Att Sverige skall dominera här" Johannes Paul und das Schwedische Institut der Universität Greifswald, Greifswald 2014, S. 42-44 und 67-69.
Ich hoffe, das hilft. - Marco Nase (nicht signierter Beitrag von 193.11.37.140 (Diskussion) 11:51, 7. Mär. 2016 (CET))