Diskussion:Hammersteiner Ehe

Letzter Kommentar: vor 2 Jahren von Bockpeterteuto in Abschnitt Verwandtschaftsgrad

Deutliche Kritik an grundsätzlichen Aussagen im Artikel

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Die beiden wichtigsten Komponenten an der Darstellung der Hammersteiner Eheäffäre sind logisch- historisch unhaltbar: 1. daß die Hammersteiner wegen ihrer unzulässiger Nahehe verfolgt wurden, und 2. die Behauptung, daß das Paar nach ihrer faktischen Enteignung für mehrere Jahre „auf Wanderschaft“ war. Wir befinden uns mit den Hammersteinern und ihren Problemen im 1. Drittel des 11. Jahrhunderts und hier sind beide Punkte unplausibel.

Zu 1. : Die hauchdünne Schicht des deutschen Hochadels heiratete fast ausschließlich nur standesgleich untereinander; „frisches Blut“ brachten nur wenige Ehen mit ausländischen Ehepartnern. Dies war möglich, weil Ehen innerhalb des 4. und 5. Grades bis dahin kanonisch zulässig waren. Daraus folgend und auch tatsächlich war der Hochadel Anfang des 11. Jahrh. schon derart versippt, daß sich die von König Heinrich II. geschaffene Regel „Keine Heirat inner/unterhalb des 7. Verwandschaftsgrades“ als praktisch undurchführbar darstellte und auch zunächst weitgehend ignoriert wurde. In der Nachbetrachtung dazu ergibt sich eine extreme Diskrepanz: Die Reichskirche verbot Ehen unterhalb des 8. Verwandschaftsgrades und legt diese Prämisse für alle Bevölkerungsgruppen fest- auch für den Adel. Diese (extrem restriktive) Grundsatzlegung war angesichts des Standesbewußtseins des Hochadels undurchsetzbar. Jeder politisch Handelnde dieser Zeit sollte dies vergegenwärtigt haben. Und tatsächlich war es in diesen Zeiten Praxis, daß bei Ehepartnern aus dem hochadligen Bereich, welche die fast unerfüllbare Forderung des Reichsepiskopats-eigentlich des Königs- bezüglich der „unzulässigen Nahehe“ nicht bedienen konnten, auch immer wieder ein Auge zugedrückt wurde. Wer dennoch Schwierigkeiten bekam, konnte sich häufig erfolgreich wehren und einen nachträglichen Dispens erwirken.

Nehmen wir mal- nur theoretisch- an, daß die Erzbischöfe von Mainz tatsächlich die unzulässige Nahehe bekämpfen und unter Vorgabe durch den König ein Exempel statuieren wollten. Unter dieser Annahme ergibt sich eine berechtigte Frage und eine Feststellung:

Warum gerade die Hammersteiner? Graf Otto von Hammerstein war unbedingt reichs- und königstreu. Es hatte mindestens ein halbes Dutzend anderer Kandidaten gegeben, welche (selbstverständlich) unzulässig verheiratet waren und die in der jüngeren Vergangenheit gegenüber dem König unangenehm aufgefallen waren und sich damit für einen explizierten Angriff aus politischen Gründen besser geeignet hätten.

Hätte der Totalangriff auf die Hammersteiner tatsächlich nur deren unzulässigen Nahehe gegolten, wäre dies einen Präzedenzfall für den Hochadel gewesen, welcher direkt in die hier übliche Heiratspolitik und damit das strategisch- dynastische Denkschema des Adels eingegriffen hätte. Der Hochadel hätte sofort- zunächst nur in der Sache!- opponiert („Heute sind die dran, morgen wir“). Die Intention der Reichsregierung gegen Nahehen hätte ein erhebliches Eskalationspotential dargestellt, welche im Falle der strikten Weiterverfolgung durch den König nach hinten losgegangen wäre: Es wäre nicht eine Revolte von einigen wenigen Unzufriedenen gewesen, sondern praktisch des gesamten Hochadels. Und der König zieht dabei immer den Kürzeren! Im Klartext: Unzulässige Nahehen waren verfassungsmäßige Praxis im Hochadel- wer dagegen verfassungsändernd (= zustandsändernd) vorgehen will, begeht Anfang des 11. Jrh. politischen Selbstmord.

Zu 2.: ...- und damit zu der „Wanderschaft“ des Grafenpaares. „Wanderschaft“ impliziert einen nichtseßhaften Zustand. Wovon haben die Hammersteiner in dieser Zeit (rund 2,5 Jahre) gelebt? Der gesamte Adel bezog sein ökonomisches Vermögen aus dem ihm zur Verfügung stehenden Landlehen, welche von unterverlehnten Hintersassen bewirtschaftet wurden und die einen Teil ihrer Erträge an ihren Lehnsherren abzutreten hatten. Die Geldwirtschaft war schwach ausgeprägt , die Naturalienwirtschaft dominierte stark. Die Hammersteiner waren enteignet (Lehensenthebungen waren damals übrigens nur selten endgültig, sondern eher temporärer Natur) und aus ihrem Stammsitz verjagt. Damit besaßen sie keinerlei Verfügung mehr über ihre Einkommensbasis. Da man auf Wanderschaft- egal wie diese ausgesehen haben könnte- auch nicht wirklich viel mitnehmen kann, hätte sich das hochadlige Hammersteiner Ehepaar innerhalb kürzester Zeit in Bettler verwandelt! Meine Beschäftigung mit hochmittelalterlichen Themenkomplexen hat mich gelehrt, daß der Adel immer eine- egal wie geartete- Rückfallebene besaß.

Was mich beim Lesen des Ausgangsbeitrags extrem irritiert hat, war die Nennung des Aufsatzes „Wanburtich- Heinrichs II. Beteiligung an der Wahl von Kamba“ von Hein H. Jongbloed in der für diesen Beitrag verwendeten Literatur. Nicht etwa, daß diese Arbeit nichts mit der Thematik zu tun hätte, sondern deshalb, weil Jongbloed diesbezüglich völlig neue Aspekte und damit Wertigkeiten anfügt und damit die „alte“ kolportierte Story ad absurdum führt- aber diese Erkenntnisse nicht einmal ansatzweise in den Ausgangsbeitrag eingeflossen sind! Wenn themenbezogene Literatur in einem Wikipedia- Beitrag nicht verwendet wird (dabei vorausgesetzt, daß diese auch gelesen wurde), sollte sie auch nicht angegeben werden oder sollte im Minimum begründet werden, warum das gelesene Material keinen Eingang in die Niederschrift gefunden hat. Nur so als Appetithappen: Jongbloed bietet eine durch starke Indizien gestützte Alternative zu der „Wanderschaft“ der Hammersteiner und der große Rest seiner Argumentation läßt die Auslösesituation zu der Affäre in einem völlig neuen Licht erscheinen.--Chastell Blanc (Diskussion) 19:22, 13. Jul. 2017 (CEST)Beantworten

"Die hauchdünne Schicht des deutschen Hochadels heiratete fast ausschließlich nur standesgleich untereinander ... als praktisch undurchführbar darstellte und auch zunächst weitgehend ignoriert wurde."
Und Du hast für diese Behauptungen ja auch sicher Belege und kannst genealogische Studien vorweisen, die massenweise unkanonische Nahehen zu Tage fördern. Nur seltsam, dass ich der von mir gelesenen Literatur zur Konradinergenealogie dergleichen nicht gefunden habe. Oder sind es doch nur Vorurteile?
Der Begriff "Hochadel" ist hier ohnehin fehl am Platz. Eine solche abgeschlossene Schicht gab es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, wenn auch die Konradiner sicherlich zu den wichtigsten Familien gehörten, die nur noch vom Königshaus selbst übertroffen wurden. Aber da gab es trotzdem genug heiratsfähige Familien, so dass es eben nicht ständig zu unkanonischen Ehen kommen musste.
Im übrigen hört sich "7. Verwandtschaftsgrad" viel an, aber das betraf Verwandtschaft bis zu den Ur-Großeltern, nicht etwa sieben Generationen. Wobei es natürlich dummerweise auch Stimmen gab, die es etwas strenger auslegten. So wurde ja auch Kaiser Konrad II. wegen seiner - kanonisch erlaubten - Ehe schief angesehen. Die Hammersteiner Ehe war aber zweifelsohne unkanonisch.
Dass Heinrich II. mit dem Prozess gegen die Hammersteiner auch realpolitische Ziele verfolgt haben mag, sei dahingestellt. Str1977 (Diskussion) 22:53, 31. Mär. 2020 (CEST)Beantworten

Antwort auf die Gegenrede

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Zitat:“Und Du hast für diese Behauptungen ja auch sicher Belege und kannst genealogische Studien vorweisen, die massenweise unkanonische Nahehen zu Tage fördern. „ 

Ich stehe Aufforderungen wie „Definiere...“ und „Du hast sicher Belege dafür...“, außerordentlich kritisch gegenüber. Letzteres ist sehr viel weniger eine Vermutung, sondern viel mehr eine Forderung; das Ansinnen des „Definierens“ offenbart fehlende Argumentationsgrundlagen. Wer ein Problem in meinen Aussagen sieht, darf gern dagegenargumentieren, aber bitte nicht die Beweislast verschieben.

Zitat: „Nur seltsam, dass ich der von mir gelesenen Literatur zur Konradinergenealogie dergleichen nicht gefunden habe.“: Nicht danach gesucht und mangelhafte Quellen könnten eine ausreichende Antwort dazu sein. Darüber hinaus bestand der Hochadel nicht nur aus der Hammersteiner Familie, also würden uns genealogische Untersuchungen zu den Konradinern in der Thematik kaum weiterhelfen.

Zitat:“Oder sind es doch nur Vorurteile?“: Wer sich so lange wie ich mit Mediävistik herumschlägt, hat keine Vorurteile mehr.

Zitat:“Der Begriff "Hochadel" ist hier ohnehin fehl am Platz. Eine solche abgeschlossene Schicht gab es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, wenn auch die Konradiner sicherlich zu den wichtigsten Familien gehörten, die nur noch vom Königshaus selbst übertroffen wurden. Aber da gab es trotzdem genug heiratsfähige Familien, so dass es eben nicht ständig zu unkanonischen Ehen kommen musste.“

Wer behauptet, daß der Begriff „Hochadel“ hier fehl am Platz ist, hätte vorher darüber nachdenken sollen, ob seine Kenntnisse zur Reichsverfassung zum Anfang des 11. Jahrhunderts ausreichen, um dies seriös bewerten zu können. Eine Art Hochadel gab es schon zu karolingischen Zeiten. Allerspätestens im 10. Jahrhundert wäre die Spitze des Regnums polititisch handlungsunfähig ohne die Schicht des Hochadels, welche unmittelbar mit dem König interagiert. Diese Schicht fluktuierte natürlich sukzessiv und war relativ personalisiert. Man sollte spätmittelalterliche Politikvorstellungen bei der Diskussion zu einer Thematik, welche den Anfang des 11. Jahrhunderts betreffen, tunlichst vermeiden. Die Meinung, daß es zu dieser Zeit genug heiratsfähige Familien ohne unkanonische Belastung gegeben haben soll (wohlgemerkt im Hochadel!), ist angesichts der prospographischen und genealogischen Entwicklung innerhalb dieser Schicht über einen längeren Zeitraum und mit der Realität der überwiegend politisch motivierten Heiratsverbindungen sowie im Zusammenhang mit der aktuellen Bevölkerungszahl und der vorgegebenen sozialen Strukturierung dahingehend falschbewertet, weil in dieser Äußerung das Wort „genug“ (= ausreichende Auswahl) benutzt wird.

Die Aussagen: (Zitat) „Im übrigen hört sich "7. Verwandtschaftsgrad" viel an, aber das betraf Verwandtschaft bis zu den Ur-Großeltern, nicht etwa sieben Generationen. Wobei es natürlich dummerweise auch Stimmen gab, die es etwas strenger auslegten. So wurde ja auch Kaiser Konrad II. wegen seiner - kanonisch erlaubten - Ehe schief angesehen.“; sind im Prinzip richtig, stellen aber eine sehr vereinfachte Perspektive dar, sind genau deswegen falsch in ihrer Gewichtung und somit irreführend und historisch- logisch fehlerhaft.

Zitat:“Dass Heinrich II. mit dem Prozess gegen die Hammersteiner auch realpolitische Ziele verfolgt haben mag, sei dahingestellt.“: Heinrich II. und Realpolitik sind 2 Begriffe, welche sich immer mal wieder gegenseitig ausschlossen; bei der Hammersteiner Geschichte stelle ich Staatsraison in Abrede.

Ich werde mich zu dieser Thematik nicht weiter äußern: Was gesagt werden sollte, wurde obenstehend im ersten Diskussionsbeitrag dargelegt. Die bisher dazu geäußerte Kritik ist meiner Meinung nach fachlich falsch und rührt aus einem fehlenden Verständnis bezüglich des behandelten Zeitabschnittes heraus zuzüglich eines ausbleibenden Studiums der hierzu vorliegenden Fachliteratur.--Chastell Blanc (Diskussion) 19:10, 2. Dez. 2020 (CET)Beantworten

Verwandtschaftsgrad

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Wenn ich mir den Stammbaum anschaue, so stelle ich bei Otto und Irmingard gemeinsame Ur-Ur-Großeltern fest: damit wären sie Vetter und Cousine 3.Grades oder Verwandte 4.Grades. Damit wären sie auch nach meinem Kenntnisstand nach den Moralvorstellungen des christlich-jüdischen Kulturkreises und auch nach heutigem Recht heiratsfähig. Soweit ich beurteilen kann (bin weder Jurist noch Theologe!) können Vetter und Cousine 1. Grades heiraten, also bei gemeinsamen Großeltern. Die militärische Auseinandersetzung, die zur Absetzung Ottos geführt hat, dürfte also eine rein machtpolitische Frage gewesen sein. --Bockpeterteuto (Diskussion) 10:51, 25. Dez. 2021 (CET)Beantworten