Diskussion:Hans Schnoor

Letzter Kommentar: vor 11 Jahren von Gudrun Meyer in Abschnitt Oper Operette Konzert - Bitte um Überprüfung

Oper Operette Konzert - Bitte um Überprüfung

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Insgesamt: Guter, informativer, hilfreicher Artikel. Schnoors bekannteste Publikation war wohl der Opern- und Konzertführer Oper Operette Konzert, der ab 1955 über mehr als zwei Jahrzehnte vom Bertelsmann-Verlag in hohen Auflagen verbreitet wurde (die letzte Auflage ist meines Wissens von 1979). Wenn man heute Verfasser und Titel bei Google eingibt, stößt man dutzendweise auf Angebote von Antiquariaten, was Rückschlüsse auf die einstige Popularität des Buches gestattet. Es ist gut, dass hier zu erfahren ist, was für ein unbelehrbarer Altnazi nach 1945 als erfolgreicher Musikschriftsteller ein breites Publikum erreichen konnte.

Ich kann aber die Aussage über Meyerbeer nicht verifizieren. Mir liegt Oper Operette Konzert in der 6. Auflage von 1956 vor. Sie enthält keinen Vermerk über Änderungen oder Kürzungen gegenüber der Erstauflage, meines Erachtens ist es ein unveränderter Nachdruck. Auf Seite 301 ist nicht von Meyerbeer die Rede, es geht um Lehár. In der alphabetischen Abhandlung der Komponisten wird Meyerbeer auf Seite 324 nur mit einem kurzen Vermerk aufgeführt und auf Seite 34 (musikhistorischer Abriss) verwiesen. Dort heißt es:

»Dagegen winken von Paris her die Erzeugnisse der neuen "Traumfabrik" Große Oper. Meyerbeer, Halévy, selbst Rossini zimmern an dem Gebäude, das äußerlich so monumental wirkt und innerlich so hohl ist.« (S. 33f.)

Wir haben hier also eine generell negative Bewertung der Pariser Oper jener Zeit, wobei Schnoor geschickt genug ist, den beiden jüdischen Komponisten Meyerbeer und Halévy noch den Nichtjuden Rossini hinzuzufügen.

Aber die im Artikel angeführten Ansichten über Meyerbeer habe ich in dem Buch nicht finden können, das Register verweist nur auf die zitierte Stelle.

Ich bitte deshalb darum, den Quellennachweis zu überprüfen: Sind die hier angeführten Aussagen über Meyerbeer tatsächlich in der Erstauflage enthalten? Sonst ggf. bitte die Darstellung korrigieren.

Ich teile hier auf der Diskussionsseite meine Lektüreeindrücke zu Oper Operette Konzert mit - um eine Vorstellung von Schnoor als Bestsellerautor zu vermitteln:

Insgesamt verhält Schnoor sich in Oper Operette Konzert meistenteils ziemlich moderat und vorsichtig - er wusste wohl, dass er in einem solchen "volkspädagogischen" Werk für ein breites Publikum eine gewisse Sachlichkeit wahren musste. Hasstiraden wie später in Harmonie und Chaos findet man nicht. Schnoor bemüht sich, auch ihm verhasste Musikrichtungen und Komponisten wie Schönberg oder Strawinsky einigermaßen objektiv darzustellen. Bei Schönberg läuft seine Argumentation vor allem darauf hinaus, dessen Bedeutung durch die Einschätzung zu schmälern, dass seine Musik im Grunde nur eine Art experimentelle Nachromantik gewesen sei - ein Einwand, der nach 1920 öfters gegen Schönberg erhoben wurde. Schönbergs "Survivor from Warsaw" bezeichnet er als ein »Anklagestück von wildem, barbarischem Ressentiment« (S. 329) - so als ob nicht der Massenmord des Dritten Reichs, sondern der Protest dagegen barbarisch wäre. Er wird sich dabei darauf verlassen haben, dass im allgemeinen Klima der Verdrängung die meisten Leserinnen und Leser das Stück nicht kannten und auch kein großes Interesse daran gehabt haben dürften. Heftige Bemerkungen dieser Art erlaubt er sich in Zusammenhängen, wo er davon ausgehen konnte, dass der allergrößte Teil des Publikums es einfach überlesen wird. Das Lektorat von Bertelsmann hat es vermutlich auch nicht interessiert.

Das längste Kapitel ist das über Wagner, Schnoors ästhetische Präferenzen werden deutlich. Bei Komponisten und Stilrichtungen, die ihm widerstreben, bemüht er sich um ein gewisses Maß an Ausgewogenheit der Darstellung. Pauschal abwertend äußert er sich über die Avantgarde nach 1945 (wo er sich mit den Einschätzungen der überwiegenden Mehrheit des Publikums und der Fachwelt einig wissen konnte).

Antisemitische Stereotypen klingen in dem Buch in moderaten, mehrdeutigen Anspielungen an. Bei Mendelssohn ist von »Glätte und Unverbindlichkeit« die Rede, von einer »tieferen und echteren Konflikten ausweichenden Kunst«, mit der »Mendelssohn und die "Mendelssohnianer"« die Bedürfnisse des biedermeierlichen Publikums bedient hätten (S. 320). Also, das ist nicht offen antisemitisch, aber Antisemiten verstehen, was gemeint ist (nämlich das, was Wagner über Mendelssohn dachte) - während andererseits auch viele Nicht-Antisemiten wohl der Einschätzung zustimmen können, dass Mendelssohns Musik eher leichtere Kost ist. Schnoor spricht dann abmildernd vom »geschichtlichen Dasein eines biedermeierlichen Romantikertums, dessen liebenswerte Seiten bis heute nachwirken« (S. 320). Im musikgeschichtlichen Überblick wird Mendelssohn überhaupt nicht erwähnt.

Bei Mahler ist vom »intellektuell zerrissenen Wesen« (S. 316) des Komponisten die Rede. Antisemiten werden sich sicher über diese Charakterisierung gefreut haben. Die abwertende Einschätzung Mahlers war allerdings damals vorherrschend, die große Mahler-Renaissance kam erst später. Bei der ablehnenden Haltung gegen Mahler war allgemein viel Antisemitismus im Spiel, aber nicht jeder, der Einwände gegen Mahler hat, muss Antisemit sein. Schnoor jongliert geschickt mit Anspielungen. Seine Abneigung gegen "Intellektualismus" und "Zersetzung" wird in dem Buch an mehreren Stellen deutlich.

Über Franz Schreker ist zu lesen:

»Der Opernkomponist Schreker, der in zwei Jahrzehnten, etwa zwischen 1912 und 1932, propagandistisch gegen Richard Strauß ausgespielt und auf die Höhe Wagners gehoben wurde (P. Bekker), beutete die Psychoanalyse aus, um seine kolportagehaften, schwül-erotischen Textbücher, deren Verfasser er selbst war, modernistisch interessant zu gestalten.« (S. 395)

Hier wird also behauptet, dass Schreker, der um 1920 neben Strauss der meistgespielte deutschsprachige Opernkomponist war, nur deshalb so erfolgreich war, weil seine dekadenten Produkte "propagandistisch" von bestimmten (jüdischen) Kritikern (Bekker) gegen Strauss auf den Schild gehoben worden seien. Jeder Antisemit wird die Botschaft verstanden haben: Die jüdische Presse ist an allem schuld ... Andererseits kann man auch ohne Antisemitismus über die Qualität der Musik von Schreker ja durchaus streiten - auch Adorno hielt Schreker für obsolet.

Unterm Strich schneiden jüdische Komponisten ziemlich schlecht ab, aber Schnoor drückt sich größtenteils so vorsichtig aus, dass die meisten Leserinnen und Leser der 1950er Jahre sich bei seinen Urteilen wahrscheinlich nicht viel gedacht haben. Schnoors Grundhaltung wird in diesem Buch am stärksten durch die offene Parteinahme für Hans Pfitzner deutlich, »den uns das Schicksal zu rechter Stunde bescherte, denn gerade durch seine urpersönliche Kraft band Hans Pfitzner das beste Deutschtum in Zeiten der nationalen Schmach noch einmal an sich und seine lautere Gesinnung - er ist der größte Gesinnungsmusiker der Neuzeit!« (S. 35). Wenn man über Pfitzners rüden Antisemitismus (der bei Einzelfällen wie Bruno Walter Ausnahmen machte, Schnoor folgte ihm darin) und sein auch nach Kriegsende ungebrochenes Bekenntnis zu Hitler Bescheid weiß, dann weiß man, wie jemand denkt, der so etwas als "lautere Gesinnung" anpreist. Bei seinem Idol Pfitzner lässt Schnoor die Katze aus dem Sack: »Von seinen Feinden ob seiner klaren, deutschen, festen, vielfach unerbittlichen Haltung gehaßt, von Freunden und Anhängern abgöttisch verehrt, von der breiten Masse vielfach unverstanden, von allen, denen die Zukunft unserer Tonkunst eine Schicksalsfrage erster Ordnung ist, als Retter im Chaos begrüßt und noch nach seinem Tode als solcher in Wort und Schrift oft zitiert, stellt Hans Pfitzner eine geschichtliche Größe dar, in der sich die besten und stärksten Eigenschaften der musikalischen Geschlechterfolge seit Beethoven künstlerisch und ethisch verdichten.« (S. 363)

Mein Eindruck ist: Oper Operette Konzert ist ein Buch, das der Verfasser äußerst geschickt so codiert hat, dass es dem breiten Massenpublikum, für das es bestimmt war, unverfänglich erschien, während für "Eingeweihte" die Gesinnung klar erkennbar war.

Man sollte dabei in Erinnerung behalten, dass selbst bei der seriös-liberalen Wochenzeitung Die Zeit in den 1950er Jahren der Nazi und Pfitzner-Fan Walter Abendroth Feuilletonchef war - er hat ganz ähnliche Ansichten vertreten wie Schnoor. Sicher war Schnoor damals kein Einzelfall. -- 217.250.206.130 14:44, 17. Sep. 2013 (CEST)Beantworten

Du scheinst eine andere Ausgabe zu haben. In meiner Ausgabe von 1964, erschienen im Bertelsmann Lesering, anscheinend Nachdruck und basierend auf der Ausgabe von 1955 finden sich auf S. 302 (nicht S. 301, wie im Artikel angegeben) folgende Aussagen über Meyerbeer: „Aber im Gegensatz zu diesem“ (gemeint ist Mendelssohn) „lockten Reichtum und Unabhängigkeit Meyerbeer in Bahnen, die weit von den klassischen Idealen wegführten und ihn in künstlerischen und auch menschlichen Gegensatz zu Carl Maria von Weber führten. Wie später Richard Wagner hat schon Weber frühzeitig erkannt, daß in Meyerbeers Wesen etwas schlummerte, das man mit einem heutigen Wort als „Managertum“ bezeichnen würde: die Kunst als Geschäft – und das Geschäft als Kunst.“ (Zitat Ende) Ferner beschreibt dort Schnoor Meyerbeers Stil als (Zitat) „vorwiegend in stofflichen Sensationen und entsprechend überhitztem musikalischem Ausdruck.“ sowie ferner unter der Überschrift Opern (dieselbe Seite) von „Effektstücken“. --Gudrun Meyer (Disk.) 15:27, 17. Sep. 2013 (CEST)Beantworten
Dann müsstest du angeben, dass du die Ausgabe von 1964 zitierst. Wie gesagt, zu Meyerbeer kommt in der 6. Auflage von 1956 nur das vor, was ich zitiert habe: Im Teil über Komponisten wird er nur mit Lebensdaten erwähnt, dabei wird auf die Kurzdarstellung der Musikgeschichte verwiesen, wo sich der despektierliche Hinweis auf die Pariser Oper findet. Der von dir zitierte Text scheint später hinzugefügt worden zu sein. Sicher hat Schnoor das Buch im Laufe der Jahre gelegentlich aktualisiert - zunächst einmal einfach deshalb, weil zu den besprochenen Werken immer auch Schallplattenaufnahmen angegeben sind, und hier hat sich das Angebot auf dem Markt geändert. Im Zuge der notwendigen Aktualisierungen hat er dann wohl auch weitere Überarbeitungen vorgenommen. Sicher stimmt die mir vorliegende Ausgabe von 1956 eher mit der Erstausgabe von 1955 überein als die von 1964. Dementsprechend muss die Quellenangabe auf die Auflage von 1964 verweisen. -- 79.255.29.81 21:13, 18. Sep. 2013 (CEST)Beantworten
Done, auch Seitenzahl korrigiert. Der entsprechende Absatz war zwar nicht auf meinem Mist gewachsen, entspricht aber Schnoors Angaben in der Ausgabe von 1964. Dank für deine weiteren Ausführungen oben und Grüße von --Gudrun Meyer (Disk.) 21:20, 18. Sep. 2013 (CEST)Beantworten