Das steinerne Herz
Als sich der junge Ritter von Hellenthal eine Frau nahm, war das seiner Mutter nicht recht; musste sie nun doch seine Liebe mit einer Fremden teilen. Die Eifersucht nistete sich in ihr Herz, und sie mochte die Schwiegertochter nicht leiden. Etliche Zeit nach der Hochzeit rief Kaiser Rotbart seine Lehnsleute zu einem Kreuzzug ins Heilige Land. Auch der Ritter von Hellenthal zog mit seinen Reisigen fort und ließ seine junge Frau in der Obhut seiner Mutter zurück. Kaum war das Fähnlein jenseits der Sülz verschwunden, die Abschiedsträne im Auge der jungen Frau noch nicht trocken, da wies die rachsüchtige Mutter sie in ein düsteres Gemach. Wie eine Gefangene wurde sie hier gehalten, selbst dann noch, als sie nach einiger Zeit Zwillingen das Leben gab. Die Schwiegermutter legte die beiden Knäblein heimlich in einen Korb, umwand ihn mit Decken und Schnüren und befahl einer dümmlichen Magd, sie solle das Bündel, ohne es zu öffnen, an der tiefsten Stelle der Sülz versenken, und damit das Mädchen nicht anders verführe, ließ die böse Frau es einen Schwur darauf leisten. In die leere Wiege warf sie zwei junge Hunde. Als nun das Mädchen das Ufer abschritt, die tiefste Stelle zu suchen, kam durch die Furt der Burgherr mit seinem Gefolge geritten; die Sorge um seines Weibes Erwartung hatte ihn heimgetrieben. ,,Was trägst du da verhüllt und verschnürt in dem Bündel, und wohin willst du damit ?" ließ ihn die Neugier fragen. ,,Junge Hunde sind es, die soll ich im tiefsten Wasser versenken", gab das Mädchen zur Antwort. Sicherlich hätte der Burgherr die Magd nicht gehindert, hätte es nicht wie von Kindermund aus dem Bündel gewimmert. So ließ der Bestürzte die Bänder und Decken entfernen und fand da im Korb zwei nackte, plärrende Knäblein liegen. Es dauerte eine geraume Weile, bis sich die verwirrten Gedanken des Burgherrn zu schlimmer Ahnung geordnet hatten. Dann überfiel ihn mit einemmal ein betäubender Zorn. Er riss sein Schwert aus der Scheide, spaltete der unglücklichen Magd den Kopf und sprengte danach, den Korb mit seinen Büblein im Arm, wie von Sinnen zur Burg hinauf. Als er durchs Tor ritt, überquerte seine Mutter eben den Hof. Sie erbleichte bis unter die Haube, als sie den Heimkehrenden sah; hatte sie ihn doch gerade jetzt nicht erwartet. Er grüßte sie nicht, er fragte finsteren Gesichtes nur: ,,Wo ist die Herrin ?" Die Mutter war keiner Antwort fähig. Da ließ er sie stehen, trat in das Frauenhaus und hatte sein Weib bald gefunden. Vom Weh des Leibes und der Seele krank konnte es nur unter Weinen und mit schwacher Stimme erzählen, was alles die Bosheit der Mutter ihm angetan. Was mit den Kindlein hatte geschehen sollen und dass statt ihrer in der Wiege zwei junge Hunde lagen, das verschwieg der Burgherr, um ihr Weh nicht noch ärger zu machen. Er ließ seine Mutter ergreifen und befahl, sie lebendig in das finstere Gemach einzumauern, in dem sie die Herrin hatte einsperren lassen. So geschah es trotz allem Flehen und Weinen der bösen Frau. Sie konnte das Herz ihres Sohnes nicht mehr rühren; es war hart geworden wie ein Stein. Mit der Zeit aber konnte sein Herz so steinern nicht bleiben, dass es nicht die Reue einließ. Da richtete er der toten Mutter ein Grab und umgab es mit einer Kapelle. Als seine Buben erwachsen waren, ging er nach Siegburg ins Kloster und starb hier als Büßer für die furchtbare Untat, die er begangen hatte.
Quelle: Die bergische Truhe - Paul Weitershagen - Greven Verlag Köln - 1955 --Gnurp 19:17, 9. Dez. 2007 (CET)