Es ist ja immer schön, irgendetwas zum gesuchten Stichwort zu finden, aber großartig ist das derzeitige Angebot hier leider nicht. Wer einen Artikel verfaßt, von dem andere Leute Nutzen haben sollen, sollte sich doch ein bißchen mehr Mühe geben und sich wenigstens in die relevante Literatur einlesen (und idealerweise sollte er oder sie vielleicht doch noch ein bißchen mehr von der Sache, hier der Sprache, verstehen).
1. Es fehlt jeglicher Hinweis auf relevante Literatur. Von Zitaten gar nicht erst einmal zu reden. Die Einteilung der Dialekte oder die Sache mit der Diglossie z.B. kann in einem Aufsatz von Sanyukta Koshal nachgelesen werden: The Ladakhi language and its regional perspectives. AOH 44 (1990): 13–22. Es gibt jedoch sowohl ältere wie auch neuere Literatur, gerade auch zu den Unterschieden in den Dialekten. Man kann die entsprechenden Quellen, auf denen - neben eigenem Wissen - die nachfolgen Bemerkungen beruhen, relativ leicht über eine Netzrecherche finden.
2. Wer, bitte schön, sagt, daß die Sprache, die in Ladakh gesprochen wird, ich betone: gesprochen, offiziell Bhoti heißt?
Einige Gelehrte Ladakhs plädieren dafür, daß ein gewisses "Bhoti" in die Liste der halbwegs anerkannten Sprachen aufgenommen wird. Meines Wissens ist dies bislang nicht geschehen. Weiter unten heißt es ja auch ganz klar, daß diese Listung lediglich beantragt ist. Diesem Antrag dürfte nicht stattgegeben werden, da es ihm an einschlägiger Unterstützung durch ausgebildete Linguisten fehlen dürfte. Das liegt auch am Folgenden:
Bhoti oder Bhotia ist eine indische Bezeichnung für 'Tibetisch' bzw. für diverse lokale Varietäten. Unter ihrem "Bhoti" verstehen die Gelehrten Ladakhs allerdings die klassische tibetische Schriftsprache, oder eine, vornehm gesagt, hybride Form davon, keinesfalls das, was man in Ladakh spricht (die Eigenbezeichnung dafür ist, in Leh, "Ladakse skat") oder was man schreiben könnte, wenn man es denn dürfte oder auch bloß wollte. Die wenigsten Leute verstehen klassisches Tibetisch, so wie ja auch die Italiener nicht automatisch Latein können. Schreiben können es selbst viele der Gelehrten nicht oder jedenfalls nicht so gut, daß sie sich das wirklich zutrauen würden.
3. Das Ladakische selbst wird leider kaum geschrieben und so gut wie nicht in tibetischer Schrift (von ein paar Ladenschildern mal abgesehen). Die oben erwähnten Gelehrten sind in der Mehrheit dagegen, daß das Ladakische mit der tibetischen Schrift und in einer passenden Orthographie geschrieben wird, weil die tibetische Schrift mitsamt der klassischen Orthographie ein für alle Mal vom Nationalheiligen Thonmi Sambhota geschaffen worden sei. Es gab, demokratisch nicht legitimierte, Sanktionsdrohungen bis hin zur Gewaltanwendung, um Publikationen mit tibetischer Schrift und einer an das Ladakische angepaßten Orthographie zu unterbinden. Da die wenigsten Leute tibetisch schreiben (s.o.), liegt Diglossie also nur insofern vor, als einige wenige Leute sowohl ladakisch sprechen als auch tibetisch schreiben. Kein Vergleich zur Diglossie in Deutschland oder gar der Schweiz! - Die bloße Verwendung der tibetischen Schrift, die hervorragend geeignet wäre, die gesprochene Sprache zu verschriftlichen, würde übrigens keinesfalls zur Diglossie führen.
4. Wieso ist das Ladakische unter Tonsprachen gelistet? Nur ein Teil der Dialekte ist tonal, nämlich die Dialekte von Oberladakh. Der Dialekt von Leh, also das Standardladakische, die Dialekte von Unterladakh, Nubra, Zanskar und Purik sind nicht tonal.
5. Und natürlich gibt es den "einen" Ladaker nicht, der ausschließlich "dras" zum Reis sagen würde. Die Vielfalt der Dialekte führt zur Vielfalt der Aussprachen von "drä" bis "bras". -- Ich fürchte übrigens, daß hier auch etwas mit der tibetischen Standardaussprache nicht stimmt. Die Pränasalisierung müßte ein einfaches "n" sein, man müßte dieses hochsetzen (oder aber einklammern), und darüber hinaus ist anzunehmen, daß im Standardtibetischen gar keine Pränasalierung vorliegt. Das gleiche gilt im übrigen für die phonetische Widergabe (normalerweise geht man hier nicht von einem retroflexem Pränasal aus).
6. Die Zahl der Sprecher, die dem ethnologue entnommen ist, auch hier fehlt das Zitat!, ist deutlich zu gering, Ladaker (oder Personen, die sich ständig in Ladakh aufhalten, und nicht unbedingt alle ladakisch sprechen), gibt es ungefähr 230.000 (Zensus von 2001 www.censusindia.net) oder auch mehr.
7. Ach ja, und der Link auf Rebecca Norman’s Sprachführer funktioniert auch nicht. Ich weiß auch nicht, ob das wirklich fair wäre, wenn das eine Raubkopie des ganzen Büchleins wäre. Man könnte aber gerne den Namen der Autorin sowie den Titel "Getting started in Ladakhi" erwähnen. Das Büchlein ist im Bazar von Leh für relativ wenig Geld erhältlich. Natürlich kann auch ein Link auf eine Kopie des Titelblattes und ggf. der Inhaltsangabe gesetzt werden, sofern es bei Titel und Inhalt bleibt.
Noch eine allgemeine Bemerkung zur Schreibung des Sprachnamens auf Deutsch: man kann das Anglo-Indische Ladakhi übernehmen, wenn man den Begriff aber eindeutscht, könnte oder sollte man das h weglassen (so wie man den offiziellen Landesnamen Bayern hat, aber über bairische Dialekte spricht bzw. schreibt). Die Provinz heißt heute in der Standardaussprache "Ladaks" (geschrieben wäre das la-dwags). Im Dialekt von Purik wurde daraus so etwas wie "Ladach", was dann in Kashmir genau so in das Urdu übernommen wurde. In der lateinischen Umschrift des Urdu schriebe man das mit einem unterstrichenen kh am Ende. Da Urdu die offizielle Landessprache ist, müßten wir dementsprechend die Sprache wohl "ladachisch" nennen, aber da wir zu dem Land auch bloß "Ladak" sagen (übrigens findet sich auch diese Schreibung in der englischen Literatur), könnte man auch einfach ladakisch sagen. Aber das ist vielleicht bloß eine Geschmacksache. (nicht signierter Beitrag von Bruguma (Diskussion | Beiträge) 20:31, 21. Feb. 2012 (CET))