Diskussion:Lazar von Hellenbach
Satz und Zitat über angebliche Befürwortung von Euthanasie löschen
BearbeitenAuf der Seite steht: "Auf Grund malthusianischer und sozialdarwinistischer Überlegungen sprach sich Hellenbach außerdem unter bestimmten Umständen für Euthanasie aus, um Überbevölkerung zu verhindern." Dann folgt ein Zitat.
"Euthanasie" (=Sterbehilfe) ist hier das falsche Wort, allenfalls wäre von "Eugenik" zu sprechen. Aber auch das trifft nicht zu, da das darauf folgende Zitat völlig aus dem Kontext gerissen ist. Hellenbach referiert lediglich den "Standpunkt des Materialismus" (Vorurteile der Menschheit, Erster Band, 1879, S. 151). Auf S. 152 (ebd.) kommt dann das Zitat in der Wikipedia Seite und auf S. 153 schreibt Hellenbach: "Ich stehe nun allerdings nicht auf dem materialistischen Standpunkte" und weiter "ich zweifle daher nicht, dass die Zunahme der Bevölkerung von dem Augenblicke an, wo sie ein wirkliches und nicht eingebildetes Uebel - wie gegenwärtig - sein wird, auf viel einfachere Weise seine Grenzen finden wird, als wir es ahnen. Das Drängen in den biologischen Process wird einfach schwächer werden [...]" --Johannes Endler (Diskussion) (ohne (gültigen) Zeitstempel signierter Beitrag von Johannes Endler (Diskussion | Beiträge) 10:53, 19. Feb. 2021 (CET))
Euthanasie bei Hellenbach
BearbeitenZum Recht auf Sterbehilfe äußert Hellenbach sich im genannten Werk sehr differenziert: „Ich habe das Recht, meinem Arzt zu sagen, dass ich Schmerzen duldedass mein Organismus schadhaft wird, dass ich die kurze Spanne Zeit weder für mich noch für Andere nutzbringend zu verwenden weiss, ihn daher notariell auffordere, mich bestens aus der Welt zu expediren“ (ebd, 359). Der Staat solle dies nicht verhindern, aber durch „geeignete Mittel Uebereilungen verhüten, etwa wie dies beim Übertritte in eine andere Religionsgenossenschaft üblich ist“ (ebd. 360-361)
Malthusianismus und Sozialdarwinismus sind hier sicher nicht Hellenbachs Motive, wie im Wikipedia Artikel steht.
Daher: den Abschnitt löschen --Johannes Endler (Diskussion) 12:15, 19. Feb. 2021 (CET)
- Als summarische Antwort: Diethard Sawicki schreibt über Hellenbach: "Seine philanthropische Haltung hinderte ihn jedoch nicht daran, einen dezenten Antisemitismus zu pflegen und ein mathusianisches Euthanasieprogramm zu skizzieren, bei dem zur Vermeidung von Überbevölkerung Neugeborene durch Chloroform oder Zyankali getötet werden sollten." (bibliogr. Nachweis im Artikel) Im übrigen referiert Hellenbach a.a.O nicht nur den Standpunkt des Materialismus, sondern macht sich die skizzierten Positionen auch fatalistisch zu eigen: „Sollte das dem Leser gegen den Strich gehen, so möge er mich nicht dafür verantwortlich machen; ich habe die Welt weder erfunden, noch gemacht, ich muss sie nehmen, wie sie ist; auch bin ich kein Verteidiger des naiven Materialismus.“ Wer schreibt, die Tötung eines Neugeborenen durch Zyankali etc. unterscheide sich von den Malthus'schen Hemmnissen „durch nichts als durch seine Humanität“, will zwar schockieren und provozieren, aber er distanziert sich auch nicht. Hellenbach diskutiert vielmehr die Frage, „ob man den Vernichtungsprocess auf humane und rationelle Weise selbst in die Hand nehmen, oder ihn auf grausame und gemeinschädliche Weise dem Kampfe ums Dasein überlassen sollte“. Und das sind natürlich mathusianische und sozialdarwinistische Überlegungen, gepaart mit sozio-ökonomischen Reformforderungen. Späterhin meint Hellenbach, eine Kindsmörderin habe dem Staat einen Dienst erwiesen und er selbst bedauert, dass seine ersten Atemzüge nicht Chloroform gewesen seien. Solange kein besseres Mittel gefunden sei, sei sein „mehr repressives Mittel das entschieden humanste“. Bis die Natur sich selber helfe oder ein besseres Präventivmittel gefunden sei, könne an der Humanität und Berechtigung staatlicher Repressivmittel nicht gezweifel werden. (S. 155) Sawickis Interpretation läßt sich also im Text belegen. --Assayer (Diskussion) 21:22, 19. Feb. 2021 (CET)
- Hellenbachs Schrift ist widersprüchlich, der pauschalen Deutung von Sawicki, die hier übernommen wird, kann ich jedenfalls nicht zustimmen. Hellenbach nennt Überbevölkerung wie gesagt ein "eingebildetes Übel" (S. 153) und weiter: "Wenn man ohne vorgefasst Meinung die Frage der Ueberbevölkerung ins Auge fasst, so kommt man zu nachfolgenden Resultaten: 1. Es ist ein Vorurtheil, dass der Planet überhaupt, und in Rücksicht der uns zu Gebote stehenden Productions- und Communicationsmittel auch nur relativ überbevölkert ist" (S. 157) Das ist frontal gegen Malthus gerichtet.
- Hellenbach würde die von Ihnen angesprochenen Repressivmittel nur dann gegenüber der "langsamen und grausamen Aufreibung" der Menschen bevorzugen, "Falls die Ueberbevölkerung wirklich schuld an dem Jammer der Menschheit trägt oder einmal tragen sollte - was ich aber bezweifle" (ebd.)
- Hellenbachs Fazit findet sich auf S. 158: "Die Furcht vor der Überbevölkerung darf uns also wahrlich nicht abhalten, das Loos der arbeitenden Classen mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu verbessern". Daran schließt sich dann seine Forderung nach einer Erbschaftssteuer und nach "collectivem Eigenthum". Das ist sicher nicht das, was wir heute unter "Sozialdarwinismus" verstehen.
- --Johannes Endler (Diskussion) 16:13, 22. Feb. 2021 (CET)
- Zum einen sind wir in der Wikipedia der Sekundärliteratur verpflichtet, hinter der unsere eigenen Interpretationen zurückstehen müssen. Auch ist die Rezeption der Schriften Hellenbachs wichtiger als das, was wir meinen, dass er gemeint haben könnte. Zum anderen sieht Hellenbach zwar nicht die „Schuld“ für die sozialen Mißstände in der Überbevölkerung, sondern in der gesellschaftlichen Organisation. Aber ganz verabschieden möchte er sich von dem Gedanken dann doch nicht und begründet eben daraus seine radikalen bevölkerungspolitischen Vorschläge: „Wenn wir auch früher nachgewiesen haben, dass die Menschheit derzeit noch nicht berechtigt ist, den Tod durch Hunger und Elend als eine Nothwendigkeit hinzustellen, weil die Bevölkerungsmenge nicht im Verhältnisse zur Productionsfähigkeit des Planeten stehe, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass die Menschheit einmal vor die Alternative gestellt werden könnte: Tod oder Verhinderung an der Geburt. Denn nicht nur, dass die Bevölkerung zunimmt, sondern auch der Planet wird trotz aller denkbaren Erfindungen und Zusammensetzungen von nährenden Stoffen durch die nothwendig zunehmende Abkühlung der Sonne und Erde den Ring der Bewohnbarkeit und Productionsfläche immer mehr verengern, was uns durch den Planeten Mars, der an seinen Polen mit Eis viel umfangreicher bedeckt zu sein scheint, als unsere wärmere Erde, ad oculos demonstrirt wird. Ja die Erde muss endlich in den Zustand des Mondes, wahrscheinlich den der Asteroiden übergehen, bevor sie ihre Wiedervereinigung mit der Sonne feiert.“ (S. 139) Das ist die im 19. Jhd. verbreitete Tendenz, die praktischen Konsequenzen von Malthus' Lehre zu verwerfen, ohne die theoretischen Annahmen grundsätzlich infrage zu stellen. Die Übrtragung darwinistischer Prinzipien wie etwa dem „Kampf ums Dasein“ auf gesellschaftliche Phänomene macht den Sozialdarwinismus aus. Das Lamento, dass die Zivilisation die natürliche Auslese verhindere, ist geradezu klassisch. Hellenbach: „die Auslese des Besseren auf humanere und rationellere Weise vollziehen, als der Kampf ums tägliche Brod, der nicht die gerechten, gleichen Chancen hat, wie der Kampf um's Dasein in der Natur. In dem Kampfe um's Dasein, wie er gegenwärtig besteht – das ist also in der Epoche unserer verlogenen Civilisation – geht zumeist das Bessere unter und das Schlechtere bleibt, weil der rücksichtslose Egoist bessere Chancen hat.“ (S. 152f.) Dass sozialdarwinistische Annahmen auch in der sozialdemokratischen Bewegung Verbreitung fanden, oder dass Alfred Ploetz ursprünglich sozialistisch orientiert war, unterstreicht noch, dass Sozialdarwinismus und Sozialpolitik sich nicht ausschliessen.--Assayer (Diskussion) 21:56, 22. Feb. 2021 (CET)
Den berechtigten Hinweis, dass die Wikipedia der Sekundärliteratur verpflichtet ist, nehme ich zur Kenntnis und werde gegebenenfalls wieder aktiv werden, wenn meine diesbezügliche Publikation fertig ist :) 2 letzte kurze Hinweise zur Rezeption Hellenbachs: Im bereits verlinkten "deutsche biographie" Artikel findet sich folgende Einschätzung: "H.s politische Schriften richten sich vor allem gegen soziale und nationale Vorurteile, so gegen die Behauptung, daß ein großer Teil der Menschheit naturgemäß hungern müsse (Malthus' Theorie der Übervölkerung) [...]"; wertvolle Informationen finden sich zudem in Carl Kiesewetter, Geschichte des neueren Occultismus. Leipzig 1891, S. 788-839.--Johannes Endler (Diskussion) 12:25, 23. Feb. 2021 (CET)