Diskussion:Seelengrund
KALP-Diskussion vom 3. bis zum 23. Juli (Exzellent)
BearbeitenSeelengrund ist ein Begriff der spätmittelalterlichen Philosophie und Spiritualität, der auch in frühneuzeitlicher geistlicher Literatur vorkommt. Der von Meister Eckhart († 1327/1328) geprägte Ausdruck bezeichnet in einem übertragenen Sinn einen „Ort“ in der menschlichen Seele, wo nach spirituellen Lehren Gott oder die Gottheit anwesend ist und eine Vereinigung der Gottheit mit der Seele zustande kommen kann.
Den Artikel habe ich heute neu angelegt. Nwabueze 22:16, 3. Jul. 2015 (CEST)
Sehr schön. Das ist zwar hartes Brot und ich frage mich schon die ganze Zeit, wo Du da hin spiralisierst, aber ich freue mich auf jeden neuen Beitrag. Weiter so, mehr, mehr! lg -- ExzellentAndreas Werle (Diskussion) 11:47, 4. Jul. 2015 (CEST)
- , wie üblich ein umfangreiches Werk von Dir. Darf ich fragen, wie viele Stunden Arbeit da ungefähr drinstecken? ExzellentAltſprachenfreund, 12:15, 4. Jul. 2015 (CEST)
- Etwa einen Monat hat es in Anspruch genommen, das ist vermutlich bei Themen von solchem Umfang normal. Nwabueze 01:20, 5. Jul. 2015 (CEST)
- Ich danke für die Antwort. Bei mir wären das vermutlich hunderte Bearbeitungen in der Wikipedia... Du musst bei der Bearbeitungszahl nicht so geizen... Altſprachenfreund, 12:13, 5. Jul. 2015 (CEST)
- Etwa einen Monat hat es in Anspruch genommen, das ist vermutlich bei Themen von solchem Umfang normal. Nwabueze 01:20, 5. Jul. 2015 (CEST)
Hervorragender Artikel mit einem besonders ausgeprägten Schwerpunkt auf Eckhart. In der Sache empfehle ich wie bereits andernorts die Verschmelzung mit dem Lemma Exzellentabditum mentis, um die von mir bereits vorhergesagte unnötige Redundanz zu vermeiden. So macht es das große HWPh, dort gibt es nur den Artikel Seelengrund. I know, das kleine Metzler-Lexikon macht es auch doppelt...--Muesse (Diskussion) 14:52, 4. Jul. 2015 (CEST)
- Ich beabsichtigte eigentlich genau das Gegenteil, nämlich in beiden Artikeln dem Leser vor Augen zu führen, dass das antike abditum mentis etwas völlig anderes ist als der spätmittelalterliche Seelengrund (obwohl Eckhart auf seine gewohnt lockere Art die Gleichsetzung der beiden Konzepte ausdrücklich vornimmt, sein äußerst freier Umgang mit Autoritäten ist ja auch sonst bekannt). Vielleicht müsste noch stärker betont werden, wie krass der Gegensatz zwischen dem abditum des Augustinus und dem Seelengrund ist. In der Fachliteratur wird der Unterschied aber nur konstatiert, nicht besonders betont, er gilt wohl als eher trivial. Wenn ich ihn zu stark betone, nehme ich damit eigenmächtig eine Gewichtung vor, die mir hier vielleicht nicht zusteht, die zumindest in eine Grauzone führt. Nwabueze 01:20, 5. Jul. 2015 (CEST)
- Ich sehe bei Dir eine gewisse Tendenz, Augustinus auf eine Erkenntnistheorie zu reduzieren, die sich ausschließlich mit den außerhalb des Subjekts stehenden Erkenntnisobjekten befasst (Musik-Geometrie-Beipiel). Damit ziehst Du überhaupt erst den künstlichen Graben zwischen Augustinus und Eckhart. Du unterschlägst die eigentliche und sehr wesentliche Pointe der Gedankenführung des Augustinus, vgl. den von Dir selbst bemühten Speer: Doch dann gibt Augustinus seiner Auslegung eine interessante Wendung. Denn es geht ihm nicht um ein Wissen von etwas und ein sich Erinnern an etwas - man könnte sagen an etwas Äußeres -, sondern es geht Augustinus um das innere Erinnern (interior memoria) des Geistes selbst, durch das er sich seiner erinnert, und um die innere Einsicht (intelligentia interior), durch die er sich einsieht, und um den inneren Willen (voluntas interior), durch den er sich liebt. [...] Diese drei Momente memoria - intelligentia - voluntas [...] sind - als Abbild des göttlichen Geistes, ja der Trinität selbst - vollständig aufeinander bezogene Prozesse ein und derselben mens (Andreas Speer: "abditum mentis" bei Augustinus und Meister Eckhart. In: Markus Pfeifer, Smail Rapic (Hrsg): Das Selbst und sein Anderes. Festschrift für Klaus Erich Kaehler, 2009, S. 61-62). Eine "lockere Art" Eckharts vermag ich in seiner folgerichtigen Anknüpfung nicht zu erblicken, er betont eine bestimmte Perspektive auf ein und dieselbe Sache. Und wer um alles in der Welt spricht denn in der Fachliteratur von einer "lockeren Art" Eckharts, wenn es um den Seelengrund geht?--Muesse (Diskussion) 12:07, 5. Jul. 2015 (CEST)
- Interessant finde ich in diesem Zusammenhang übrigens, dass Tauler, der ebenso wie Eckhart abditum mentis mit Seelengrund gleichsetzt, explizit auf die trinitarische Fundierung der Schau durch Augustinus zurückgreift. In Deinen Artikel könnte noch ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden. So schreibt zum Beispiel Langer: In den Predigten V 1; V 11 und V 21 argumentiert Tauler trinitarisch. Der Seelengrund in seiner geistigen Natur ist Bild Gottes. Die Ähnlichkeit des Bildes mit Gott besteht darin „Gotz griffig und enpfenglich" (V 1, 9, 11) zu sein, eine Formel, mit der Tauler an Augustinus anknüpft (PL 42, 1060). Wegen dieser Eigenschaft ist der Seelengrund der Ort der unio mystica, „Gotz wonunge und sin stat" (V 61, 331,13 f.). Diese Aussage über die Gottebenbildlichkeit des Seelengrundes präzisiert Tauler, indem er die imago als imago trinitatis bezeichnet und dabei auf einen Ternar der Augustinischen Trinitätstheologie — memoria, intelligentia, voluntas (PL 42, 1060) — zurückgreift. In den höchsten Seelenkräften „gehugnisse, verstentnisse und frige wille" (V 1, 9, 9f.), der „trinitas in mente", findet die unio mystica statt, wie Tauler in einer Weihnachtspredigt ausführt. Bild Gottes ist dieser dreifaltige Grund darin, daß er mit seinen Kräften Gottes teilhaftig zu werden vermag (Otto Langer: Christliche Mystik im Mittelalter, 2004, S. 391).--Muesse (Diskussion) 19:47, 6. Jul. 2015 (CEST)
- Der Ausdruck "lockere Art" Eckharts stammt natürlich nicht aus der Fachliteratur, sondern von mir - und so drücke ich mich auch nur hier oder auf Diskussionsseiten aus, nicht im ANR. Im ANR würde ich schreiben "sehr freier Umgang mit den zitierten Texten" oder ähnlich. Das ist gut bekannt und vielfach beobachtet. Siehe z.B. Winkler, Exegetische Methoden bei Meister Eckhart S. 112 f.: In den deutschen Predigten kann kaum noch von Auslegung gesprochen werden. Der Literalsinn wird zwar vorausgesetzt und gelegentlich berührt, aber er spielt faktisch keine Rolle. Meist dient der Text nur als Sprungbrett für allegorische Ausführungen ...; Als weiteres Beispiel für die freie Verwendung der allegorischen Methode sei ... genannt; ...Dabei werden die exegetischen Methoden recht willkürlich gehandhabt, ... Das Ideal einer voraussetzungslosen Exegese ist ihm fremd ... Die Hermeneutik hat sich dem theologisch-philosophischen System des Exegeten unterzuordnen, usw. Oder in Eckharts eigenen Worten: advertendum, quod huiusmodi auctoritates frequenter adducuntur praeter intentionem primam litterae; secundum veritatem tamen ... faciunt ad propositum. Wenn er sich diese Freiheit schon in der Bibelexegese herausnimmt, dann erst recht im Umgang mit Autoritäten zweiten und dritten Ranges. Auch Augustinus verwertet er durchaus praeter intentionem primam litterae - nämlich so wie es ihm passt, ohne Berücksichtigung des "Literalsinns".
- Zum abditum mentis des Augustinus: Was Speer an der oben zitierten Stelle beschreibt, ist der unstrittige Umstand, dass Augustinus das abditum als einen Speicher von apriorischen Wissensinhalten betrachtet hat. Das habe ich in beiden Artikeln ausdrücklich festgestellt. Kein Zweifel daran. Unabhängig davon ist es Tatsache, dass Eckharts Berufung auf Augustinus sachlich unberechtigt ist, weil Augustinus offensichtlich etwas völlig anderes meinte. Eben dies ist der Hauptgrund dafür, dass wir ein eigenes Lemma Abditum mentis haben. Der Graben zwischen Augustinus und Eckhart ist also nicht künstlich oder von mir gezogen, sondern sehr real und tief. Augustinus schreibt: Hinc admonemur esse nobis in abdito mentis quarundam rerum quasdam notitias. Das sind klare Worte. Das abditum hat einen Inhalt, und der besteht aus notitiae. Für Eckhart ist die Beseitigung dieser notitiae die wichtigste Voraussetzung für eine Annäherung an den Seelengrund. Das Hauptmerkmal des Seelengrunds ist gerade das Nichtvorhandensein der notitiae, die Augustinus im abditum verortet. Die von Augustinus genannten notitiae sind natürlich geschaffen, der Seelengrund Eckharts ist ungeschaffen und hat absolut keinerlei geschaffene Inhalte. Wer sich mit notitiae befasst, kommt dort garantiert nicht hinein. Größer könnte der Unterschied zwischen dem abditum und dem Seelengrund also nicht sein - um einen einschlägigen Vergleich Eckharts aufzugreifen: "wie zwischen Himmel und Erde". Dennoch beruft er sich auf die genannte Augustinus-Stelle. Woraus man ersehen kann, wie egal ihm auch hier der "Literalsinn" war. (Ich würde sogar sagen: Das souveräne Ignorieren des Literalsinns, also dessen, was der historische Augustinus gemeint und geschrieben hat, ist eine bewusste Provokation, die sich gegen den Usus richtet, Behauptungen auf Autoritäten stützen zu müssen. Aber das ist nur mein interpretatorischer POV und tut hier nichts zur Sache.)
- Anders sieht es bei Tauler aus. Der hat den Seelengrund ja für geschaffen gehalten und konnte ihn daher mit weit mehr Berechtigung als Eckhart mit dem abditum gleichsetzen (dass er dies tat, ist im Artikel bereits festgestellt). Nwabueze 18:45, 7. Jul. 2015 (CEST)
- Erstens: Vermute ich richtig, dass sich Deine Winkler-Zitate nicht auf Äußerungen Eckharts zum Seelengrund und auf dessen Verhältnis zu Augustinus beziehen? Sie gehören in einen anderen Kontext? Zweitens: Augustinus vergleicht die göttliche Trinität mit Eigenschaften des menschlichen Geistes, und er fasst die trinitarische Selbstkonstitution in Begriffen der Selbstreflexivität des Bewusstseins. Wo bleibt da noch Raum für gegenständliches Denken, wenn der menschliche Geist dies nachvollzieht (Abbild des göttlichen Geistes, ja der Trinität selbst)? Es ist dies analog zum platonischen Aufstieg zum Einen eine zweite Transzendenz, bei welcher die erste Transzendenz apriorischen Wissens - analog der platonischen Ideenlehre - überschritten wird. In der Selbstreflexivität des Geistes (inneres Erinnern (interior memoria) des Geistes selbst, durch das er sich seiner erinnert; innere Einsicht (intelligentia interior), durch die er sich einsieht; inneren Willen (voluntas interior), durch den er sich liebt) verschwindet auch bei Augustinus jedes gegenständliche Denken. Wo ist in der trinitarisch fundierten Schau noch ein Inhalt, der aus notitiae bestünde? Wenn der reine Geist in einen polierten Spiegel schaut, was sieht er da? Das eben ist die interessante Wendung, von der Speer spricht - und die Du in beiden Artikeln vollständig ignorierst. Und genau daran knüpfen Eckhart und Tauler an; Tauler sogar ganz explizit, wie oben von mir nachgewiesen. All dies fehlt in beiden Artikeln.--Muesse (Diskussion) 09:12, 8. Jul. 2015 (CEST)
- Zu 1: Ja, du vermutest richtig: Bei Winkler geht es um einen anderen Kontext, nämlich um Eckharts Vorgehen in der Bibelexegese. Das nimmt meiner Berufung auf Winkler aber keineswegs die Beweiskraft, ganz im Gegenteil. Es handelt sich nämlich um ein argumentum a fortiori. Wenn bewiesen ist, dass sich Eckhart bei der Bibelauslegung die Freiheit nahm, sich souverän über den Literalsinn hinwegzusetzen, und sich dazu sogar offen bekannte im Namen einer übergeordneten Wahrheit, die er verkünden wollte, dann ist es ja logisch anzunehmen, dass er bei der Auslegung von Kirchenvätertexten erst recht ebenso verfuhr. Falls jemand die meines Erachtens sehr seltsame These vertreten haben sollte, Eckhart habe ausgerechnet bei der Augustinusauslegung peinlich auf den "Literalsinn" geachtet, während er sich bei der Bibelexegese unbekümmert jede Freiheit herausnahm, bitte ich um Mitteilung, wo das publiziert ist. Im übrigen ließe sich eine solche These gerade anhand der hier relevanten Augustinusstelle mühelos und zwingend widerlegen.
- Zu 2: Es gibt viele Augustinusstellen zur mens und zur Trinität, aber nur eine einzige zum abditum. Und an dieser einen, einzigen Stelle definiert er das abditum unmissverständlich als einen Speicher von gegenstandsbezogenen notitiae, siehe Zitat der Stelle oben (und die weitere Umgebung der Stelle). Da beißt die Maus keinen Faden ab. Der Text ist völlig eindeutig. Damit das nun nicht als mein POV erscheint, hier noch Angaben der Fachliteratur dazu. Karl Heinz Witte, Meister Eckhart S. 347: An der Ursprungsstelle benennt Augustin das Wirken unbewusster Vorstellungen, die dem aktuellen Bewussthaben vorausliegen und die im Denkakt in das Bewusstseinsfeld hervortreten. Hierauf bezieht sich Eckhart an der vorliegenden Stelle nicht, ... Es sei daran erinnert, dass in Predigt 2 ... auch Gott vom Einblick und Eingang in den Seelengrund ... ausgeschlossen wird (d.h. der trinitarisch verstandene Gott bleibt notwendigerweise außerhalb des Seelengrunds, eben weil er trinitarisch und Schöpfer ist). Saskia Wendel, Affektiv und inkarniert S. 189: Der (Seelen-)Grund ist - anders als das abditum mentis bei Augustinus - überhaupt kein Seiendes im Sinne einer res .... Das ist in der Forschung ebenso unstrittig wie die Tatsache, dass Tauler ein anderes Seelengrund-Konzept hat als Eckhart, eines, das eher mit dem augustinischen abditum kompatibel ist, auf das er sich auch beruft, wie in beiden Artikeln angegeben.
- Mir geht es hier nur darum, die wiederholt bezweifelte Existenzberechtigung des separaten Artikels Abditum mentis nachzuweisen und meine entschiedene Ablehnung einer Zusammenlegung der beiden Artikel zu begründen. Da dies aber keine kandidaturrelevante Frage ist, schlage ich vor, diese Diskussion nötigenfalls auf der Diskussionsseite von Abditum mentis fortzusetzen. Nwabueze 19:11, 8. Jul. 2015 (CEST)
- In der Sache werden wir das Problem nicht lösen, dass Eckhart und Tauler den Seelengrund mit dem abditum mentis unter mehrfacher expliziter Bezugnahme auf Augustinus gleichsetzten, dieser aber den Begriff seinerseits nur völlig beiläufig in Vorüberlegungen zur trinitarisch fundierten Schau und nicht als elaboriertes Konzept verwendet hatte, was vielfältige Deutungsmöglichkeiten offen lässt. Es scheint mir aber augustinisch gedacht nur konsequent, im abditum mentis die dem aktuellen Bewussthaben vorausliegenden Spuren der Trinität zu verorten, welche dann in der Selbstreflexivität des Geistes erst emporgehoben und ans Licht gebracht werden. Insoweit sei nochmals abschließend Langer zitiert: In den Büchern 9-15 seiner Schrift über die Trinität begründet Augustinus die Möglichkeit der visio dei mit der Struktur der Seele als imago der Dreifaltigkeit. [...] Alle Kreaturen weisen als Geschöpfe des dreifaltigen Gottes Spuren der Trinität auf. Trotzdem können wir aus der sichtbaren Schöpfung die Dreifaltigkeit nicht in der Weise erkennen, wie wir mit Sicherheit Gott als ihre Erstursache erkennen. Die vernunftlosen Geschöpfe können zwar als Spuren Gottes auf Gott als ihren Schöpfer weisen, sind aber wegen ihrer Vernunftlosigkeit kein Bild der Trinität. Erst die vernünftigen Wesen sind Bild Gottes. In der Vernunft findet Augustinus Analogien für die Trinität, z. B. in dem Ternar memoria, intellectus, voluntas: Die Vernunft bringt in ihrem Vollzug das innere Wort hervor, in dem sie sich selbst erkennt; in der Liebe wendet sie sich diesem Wort zu. „Und so besteht nun in einer gewissen Weise ein Bild der Dreieinigkeit: der Geist selbst, seine Kenntnis, die sein Sprößling und sein Wort von ihm selbst ist, und die Liebe als Drittes, und alle diese drei sind eins und eine Substanz" (De trin. IX, 12, 18; BKV, II, 14, 66). Dieses Bild aber vollendet sich, wenn Erkennen und Lieben sich auf Gott richten. „Das nämlich ist das Vollmaß unserer Freude, die höchste, die es gibt, Gott, die Dreifaltigkeit, genießen, nach deren Bild wir geschaffen sind" (De trin. I, 8, 18). Diese fruitio ist nur anfangshaft in dieser Welt, in ihrer Fülle aber erst im Jenseits möglich (Otto Langer: Christliche Mystik im Mittelalter, 2004, S. 103-104)--Muesse (Diskussion) 20:48, 8. Jul. 2015 (CEST)
- Ja. Langer schreibt, wie hier von dir zitiert: Struktur der Seele als imago der Dreifaltigkeit - Struktur der Seele, nicht Struktur des abditum oder Struktur des Seelengrunds! Das ist der kleine, feine, fundamentale Unterschied. Hier geht es um den Artikel Seelengrund. Der Seelengrund hat keine Struktur.
- Noch zum Hintergrund: Den Artikel Abditum mentis habe nicht ich angelegt. Das hat Benutzer:Ca$e 2009 getan (als stub). Ich hätte ihn wohl eher nicht angelegt, es ist kein persönliches Steckenpferd von mir. Aber da er nun schon existiert und es sehr, sehr gute Gründe für seine separate Existenz gibt, habe ich ihn komplett überarbeitet und in die KLA geführt. Ich hoffe, ich habe verdeutlichen können, dass es nicht um eine persönliche Marotte von mir geht. Übrigens wird im Artikel Abditum mentis u.a. die abditum-Rezeption Dietrichs von Freiberg behandelt. Dietrich identifiziert das abditum nicht mit dem Seelengrund, sondern mit dem intellectus agens. Seine Position wird im Artikel Abditum mentis behandelt, wo sie hingehört. Würden die beiden Artikel zusammengelegt, so müßte das alles raus, denn zum Thema Seelengrund gehört es nicht, wohl aber zum Thema abditum. Auch das zeigt, wie berechtigt ein separater Artikel abditum ist. Zusammenlegung wäre ein Riesenfehler. Nwabueze 01:16, 9. Jul. 2015 (CEST)
- Ich bin gerade zeitlich sehr gebunden, nur zufällig ob der Benachrichtungsfunktion wegen obiger Erwähnung hier, und konnte eure obige Diskussion auch nur sehr kurz überfliegen. Wenn ich es recht verstehe, geht es womöglich zunächst mal nur um die Formulierung (i) "auf einzelne Dinge bezogenes" - wenn man hier z.B. schriebe (ii) "auch auf einzelne Dinge sich beziehendes" o.ä. (das jetzt nur sehr ad hoc), dann wäre (im Sinne von Muesse?) gewährleistet, dass es z.B. auch um (die substantielle Instanz für) Selbstbezug / -vollzug des Geistes in Realisierung der Prozesse von Erkennen, Erinnern, Lieben gehen kann, die Augustinus ja als ternarische "Spur" göttlicher Trinität versteht, während andererseits immer noch deutlich wäre (im Sinne von Nwabueze?), dass (ii) so nicht mit Eckhart kompatibel wäre. Habe ich das in aller mir leider gerade gebotenen Eile womöglich zutreffend gesehen?
- Der Aufteilung in 2 gesonderte Artikel stimme ich zu. Dass auch dieser Artikel exzellent sein wird, nehme ich mal als ziemilch gewiss an, aber ich stimme eigentlich immer erst ab, sobald ich zumindest querlesen konnte. ca$e 08:41, 9. Jul. 2015 (CEST)
- Der Seelengrund hat keine Struktur und das abditum mentis hat auch keine Struktur, insbesondere dürfen beide nicht mit der Seele gleichgesetzt werden. Das ist dann aber eine Gemeinsamkeit und kein Unterschied. Dietrich von Freiberg gehört wohl eher in den Artikel Intellectus agens und intellectus possibilis, wo er bislang mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt ist. Sein Konzept ist ideengeschichtlich zu Eckhart und Tauler inkommensurabel. Das Gemeinsame ist nur noch die Worthülse abditum mentis. Bei diesem ideengeschichtlichen Durcheinander der Konzepte, die im Artikel abditum mentis behandelt werden, bleibt nur zu hoffen, dass sich nicht ein ahnungsloser Gymnasiast in dieses Abditum der Wikipedia verirrt, denn wer sich hier verirrt bleibt wohl verwirrt. Ideengeschichtlich höchst unterschiedliche Konzepte wegen einer gemeinsamen Worthülse unter einem Dach zu behandeln ist möglich, aber entbehrlich. Das Historische Wörterbuch der Philosophie vermeidet dies und hat trotz seiner extremen Ausführlichkeit (12 Bände ohne den Registerband) kein eigenständiges Lemma zu abditum mentis. Das meiste davon gehört eben in den Artikel Seelengrund und verursacht damit eine vermeidbare Redundanz. An diesem Befund beißt die Maus keinen Faden ab. Danke an Nwabueze und Ca$e für das interessante Gespräch, mit dem wir in der Tat den KALP-Rahmen etwas überdehnt haben.--Muesse (Diskussion) 10:28, 9. Jul. 2015 (CEST)
- Als Autor ist man immer von Betriebsblindheit bedroht. Ich glaube aber zuversichtlich, dass der Artikel Abditum mentis kein so entsetzlich verwirrendes Durcheinander ist, wie du es jetzt beschreibst (immerhin ist er glatt durch die KLA gekommen, auch mit deinem Pro-Votum). Ein wenig anstrengen muss man sich bei der Lektüre schon, das dürfte aber bei Philosophieartikeln ganz normal sein.
- Ja, man kann es so sehen, wie du es schilderst: dass also höchst unterschiedliche Konzepte nur wegen einer gemeinsamen Worthülse unter einem Dach behandelt werden. Wenn ich recht verstehe, kritisierst du das. Ich sehe aber nicht, was die Alternative sein sollte (das ist eine Meta-Diskussion, die anderswo fortzusetzen wäre). Es ist keine Besonderheit von Abditum bzw. Seelengrund, sondern ganz normal in Artikeln über Begriffe, die eine jahrhunderte- oder jahrtausendealte Geschichte haben, in deren Verlauf sie gewöhnlich tiefgreifende Metamorphosen durchgemacht haben. Standardsituation also: Zuerst gibt es einen klaren Inhalt, dann wird dieser im Lauf von Jahrhunderten verwässert/verfälscht/verzerrt/entleert, bis nur noch die Worthülse übrigbleibt, und dann füllt sich die Hülse mit einem neuen, völlig andersartigen Inhalt. Also was tun? Den betreffenden Lemmata die Existenzberechtigung absprechen, weil ein Durcheinander vorliege, das man dem Leser nicht zumuten dürfe? Typische Beispiele: Idee, Platonische Liebe, und auch Seelengrund. Soll die aufklärerische Verwendung des Ausdrucks Seelengrund im Artikel Seelengrund nicht behandelt werden, weil sie mit dem eckhartschen Begriff nichts zu tun hat und dieser Gegensatz einen lesenden Gymasiasten verwirren könnte? Plädierst du für einen separaten Artikel Seelengrund (Aufklärung)? Ich meine, ein Gymnasiast sollte in der Lage sein zu verstehen, dass es so etwas wie tiefgreifenden Bedeutungswandel gibt. Noch krasser: Platonische Liebe. Dort hat der moderne Begriff mit dem Platons rein gar nichts mehr zu tun, da ist wirklich nichts als eine Worthülse geblieben und der Gegensatz ist geradezu grotesk. Konsequenz daraus? Ein Artikel Platonische Liebe (antikes Konzept) und einer Platonische Liebe (moderner umgangssprachlicher Begriff)? Anderes Beispiel: Eckharts Gerechtigkeitsbegriff hat mit heutigen gängigen Gerechtigkeitskonzepten überhaupt nichts zu tun und der Platons günstigstenfalls ziemlich wenig. Auch so ein Fall von "Worthülse". Was tun? Den Artikel Gerechtigkeit in seine Bestandteile zerlegen, weil eine Worthülse kein Lemma sein dürfe?
- Wenn sich ein Begriff im Verlauf von Jahrhunderten oder Jahrtausenden so wandelt, dass nur die Hülse bleibt, dann ist eben gerade dies die Begriffsgeschichte, die unter dem betreffenden Lemma darzustellen ist. Das ist dann eben die Rezeptionsgeschichte dieses Begriffs und als solche Thema des Artikels. In diesen Fällen ist die Hülse die einzige Klammer, die den Artikel zusammenhält, und diese Klammer ist identisch mit dem Lemma, und das ist in Ordnung. Ich halte es nicht für abwegig, einem Gymnasiasten die Urteilskraft zuzutrauen, die er benötigt, um solche einfachen und grundlegenden Sachverhalte wie historischen Bedeutungswandel von Begriffen zu begreifen.
- Zum Redundanzvorwurf: Ja, es gibt Redundanz. Auch zwischen Meister Eckhart und Seelengrund besteht Redundanz, da sein Seelengrundkonzept in beiden Artikeln ausführlich behandelt wird und werden muss. Ebenso gibt es Redundanz zwischen Idee und Ideenlehre (die bei einem stärkeren Ausbau von Idee noch stärker hervortreten müsste), usw. Konsequenz daraus? Die Artikel zusammenlegen? Jeweils einem von beiden (bzw. dem von der Redundanz betroffenen Abschnitt) die Existenzberechtigung absprechen, um die Redundanz zu beheben? Ich bin für Eliminierung jeder vermeidbaren Redundanz zwischen verschiedenen Artikeln und volles Akzeptieren jeder unvermeidlichen. Nwabueze 02:00, 11. Jul. 2015 (CEST)
- In der Sache werden wir das Problem nicht lösen, dass Eckhart und Tauler den Seelengrund mit dem abditum mentis unter mehrfacher expliziter Bezugnahme auf Augustinus gleichsetzten, dieser aber den Begriff seinerseits nur völlig beiläufig in Vorüberlegungen zur trinitarisch fundierten Schau und nicht als elaboriertes Konzept verwendet hatte, was vielfältige Deutungsmöglichkeiten offen lässt. Es scheint mir aber augustinisch gedacht nur konsequent, im abditum mentis die dem aktuellen Bewussthaben vorausliegenden Spuren der Trinität zu verorten, welche dann in der Selbstreflexivität des Geistes erst emporgehoben und ans Licht gebracht werden. Insoweit sei nochmals abschließend Langer zitiert: In den Büchern 9-15 seiner Schrift über die Trinität begründet Augustinus die Möglichkeit der visio dei mit der Struktur der Seele als imago der Dreifaltigkeit. [...] Alle Kreaturen weisen als Geschöpfe des dreifaltigen Gottes Spuren der Trinität auf. Trotzdem können wir aus der sichtbaren Schöpfung die Dreifaltigkeit nicht in der Weise erkennen, wie wir mit Sicherheit Gott als ihre Erstursache erkennen. Die vernunftlosen Geschöpfe können zwar als Spuren Gottes auf Gott als ihren Schöpfer weisen, sind aber wegen ihrer Vernunftlosigkeit kein Bild der Trinität. Erst die vernünftigen Wesen sind Bild Gottes. In der Vernunft findet Augustinus Analogien für die Trinität, z. B. in dem Ternar memoria, intellectus, voluntas: Die Vernunft bringt in ihrem Vollzug das innere Wort hervor, in dem sie sich selbst erkennt; in der Liebe wendet sie sich diesem Wort zu. „Und so besteht nun in einer gewissen Weise ein Bild der Dreieinigkeit: der Geist selbst, seine Kenntnis, die sein Sprößling und sein Wort von ihm selbst ist, und die Liebe als Drittes, und alle diese drei sind eins und eine Substanz" (De trin. IX, 12, 18; BKV, II, 14, 66). Dieses Bild aber vollendet sich, wenn Erkennen und Lieben sich auf Gott richten. „Das nämlich ist das Vollmaß unserer Freude, die höchste, die es gibt, Gott, die Dreifaltigkeit, genießen, nach deren Bild wir geschaffen sind" (De trin. I, 8, 18). Diese fruitio ist nur anfangshaft in dieser Welt, in ihrer Fülle aber erst im Jenseits möglich (Otto Langer: Christliche Mystik im Mittelalter, 2004, S. 103-104)--Muesse (Diskussion) 20:48, 8. Jul. 2015 (CEST)
- Erstens: Vermute ich richtig, dass sich Deine Winkler-Zitate nicht auf Äußerungen Eckharts zum Seelengrund und auf dessen Verhältnis zu Augustinus beziehen? Sie gehören in einen anderen Kontext? Zweitens: Augustinus vergleicht die göttliche Trinität mit Eigenschaften des menschlichen Geistes, und er fasst die trinitarische Selbstkonstitution in Begriffen der Selbstreflexivität des Bewusstseins. Wo bleibt da noch Raum für gegenständliches Denken, wenn der menschliche Geist dies nachvollzieht (Abbild des göttlichen Geistes, ja der Trinität selbst)? Es ist dies analog zum platonischen Aufstieg zum Einen eine zweite Transzendenz, bei welcher die erste Transzendenz apriorischen Wissens - analog der platonischen Ideenlehre - überschritten wird. In der Selbstreflexivität des Geistes (inneres Erinnern (interior memoria) des Geistes selbst, durch das er sich seiner erinnert; innere Einsicht (intelligentia interior), durch die er sich einsieht; inneren Willen (voluntas interior), durch den er sich liebt) verschwindet auch bei Augustinus jedes gegenständliche Denken. Wo ist in der trinitarisch fundierten Schau noch ein Inhalt, der aus notitiae bestünde? Wenn der reine Geist in einen polierten Spiegel schaut, was sieht er da? Das eben ist die interessante Wendung, von der Speer spricht - und die Du in beiden Artikeln vollständig ignorierst. Und genau daran knüpfen Eckhart und Tauler an; Tauler sogar ganz explizit, wie oben von mir nachgewiesen. All dies fehlt in beiden Artikeln.--Muesse (Diskussion) 09:12, 8. Jul. 2015 (CEST)
Ganz klar exzellent. Sehr gut strukturiert und auch flüssig zu lesen, allerdings nicht in einem Ruck. Das dürfte jedoch der Komplexität des Themas inklusive der chronologisch fortschreitenden Umdeutung des Begriffs geschuldet sein und ist nicht dem Artikel bzw. dem Autoren anzulasten. Mir sind keine Widersprüche oder langatmige Passagen aufgefallen. Ob der neueste Forschungsstand abgebildet ist, kann ich als Laie nicht beurteilen. Insgesamt wirkt der Artikel jedoch sehr ausgewogen und vermittelt mir das Gefühl, dass der Autor genau weiß, worüber er schreibt. Vielen Dank für die hervorragende Arbeit! ExzellentKnurrikowski (Diskussion) 14:25, 20. Jul. 2015 (CEST)
- Wieder absolute Qualitätsarbeit!-- ExzellentMischa (Diskussion) 12:16, 21. Jul. 2015 (CEST)
Der Artikel erhielt mit 5x Exzellent in dieser Version eine Auszeichnung als Exzellent. Herzlichen Glückwunsch! Chewbacca2205 (D) 19:09, 23. Jul. 2015 (CEST)