Rechtsbeweis

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Ist immer ein tatsächlicher Sachverhalt Anknüpfungspunkt, oder kann es auch ein rechtlicher sein (etwa Eigentum o.ä.)?

Nein. Eine tatsächliche Vermutung besteht dann, wenn ein Erfahrungssatz besteht, der von einem Indiz auf einen tatbestandsmässig vorausgesetzten Sachverhalt schliessen lässt (und die Stärke der Überzeugung des Gerichts das vom Gesetz vorausgesetzte Beweismass, also volle Überzeugung, überwiegende Wahrscheinlichkeit o.dgl., erreicht). Es gibt zwar Literaturmeinungen, die von einem solchen "Rechtsbeweis" sprechen, das ist aber von der Logik her zweifelhaft. Es sollte immer einen Zwischenschritt über die tatbestandsmässigen Voraussetzungen geben.--RolloM 12:26, 13. Aug 2006 (CEST)

Präzisierender Erklärungsansatz für die tatsächliche Vermutung

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Hier ein etwas abweichender Erklärungsansatz, mit der Bitte um Kommentare. Er weicht in folgenden Punkten von der aktuellen Version ab:

  • es geht nicht um eine Beweiserleichterung, sondern nur um einen indirekten Beweis, bei dem das Beweismass aber nicht reduziert wird.
  • eine tatsächliche Vermutung ist zwingender Bestandteil jedes indirekten Beweises (d.h. Indizienbeweises), der ohne Beweismassreduktion erfolgt. Die Aussage, wonach die TV durch die Rspr. entwickelt worden sei, ist demnach falsch.
  • erfolgt eine Beweismassreduktion, so handelt es sich um einen Anscheinsbeweis (vgl. meine Bemerkungen da). Tatsächliche Vermutung und Anscheinsbeweis sind daher auseinanderzuhalten.

Leider ist der aktuelle Artikel nicht mit Quellenangaben versehen.

Definition

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Tatsächliche Vermutungen begründen Schlussfolgerungen von bewiesenen (Indizien) auf nicht bewiesene Tatsachen, die das Gericht aufgrund von Erfahrungssätzen zieht (also im Rahmen eines mittelbaren Beweises). Die Beweiswürdigung erfolgt damit gestützt auf eine blosse Hypothese über den Sachverhalt.

Beweiswürdigung und Beweisführungslast

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Ob von einer tatsächlichen Vermutung ausgegangen werden kann oder nicht, ist eine Frage der richterlichen Beweiswürdigung. Eine tatsächliche Vermutung liegt dann vor, wenn Indiz und Erfahrungssatz zusammen die volle Überzeugung des Gerichts vom zu beweisenden Sachverhalt zu begründen vermögen.

Wird das Vorliegen einer tatsächlichen Vermutung bejaht, so führt dies zu einer Umkehr der Beweisführungslast; am Beweisgegner liegt es dann, die Überzeugung des Gerichts wieder zu erschüttern, indem er weitere Beweismittel vorlegt.

Beweismass

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Es fragt sich, ob allein in der Berücksichtigung einer tatsächlichen Vermutung bereits eine Reduktion des Beweismasses liegt. Dies schlösse ihre Anwendung aus, wenn das Regelbeweismass der vollen Überzeugung des Gerichts gefordert ist.

Falls die einem mittelbaren Beweis zugrunde liegenden Erfahrungssätze bestritten und nicht gerichtsnotorisch sind, müssen auch sie bewiesen werden, denn der mittelbare Beweis kann nur gelingen, wenn beide ihm zugrundeliegenden Prämissen – Indiz und Erfahrungssatz – überzeugend nachgewiesen sind.

Ein mittelbarer Beweis kann damit an verschiedenen Hürden scheitern: Es ist erstens möglich, dass ein Indiz selbst nicht mit Sicherheit nachgewiesen ist (etwa eine nur beschränkt glaubhafte Zeugenaussage). Zweitens könnte der Nachweis des Erfahrungssatzes nicht überzeugen, und drittens ist es (bei statistischen Erfahrungssätzen) möglich, dass die durch den Erfahrungssatz ausgedrückte Wahrscheinlichkeit selbst zu gering ist, als dass dieser die Überzeugung des Gerichts begründen könnte.

Vermögen Indiz und Erfahrungssatz das Gericht im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung indessen zu überzeugen, so ist gegen ihre Berücksichtigung nichts einzuwenden, denn in der Tatsache, dass das Gericht eine blosse Hypothese über den Sachverhalt zulässt, liegt allein noch keine Reduktion des Beweismasses.

Akzeptiert das Gericht Indiz und Erfahrungssatz als für den Beweis ausreichend, obwohl es nicht voll vom zu beweisenden Sachverhalt überzeugt ist, liegt eine Reduktion des Beweismasses und damit ein Anscheinsbeweis vor.

Widerlegung der tatsächlichen Vermutung

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Die der Beweiswürdigung zu Grunde liegende Hypothese wird durch Tatsachen, die einen anderen Geschehensablauf als wahrscheinlich erscheinen lassen, bereits erschüttert. Die Widerlegung einer tatsächlichen Vermutung erfordert also nicht den Beweis des Gegenteils, sondern nur ein Erschüttern der Sachverhaltshypothese. Anders ist dies indessen bei der gesetzlichen Vermutung.

Literatur

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Die Literaturauswahl ist derzeit noch etwas Schweiz-lastig und bedarf der Aktualisierung.

  • Klett Kathrin, Richterliche Prüfungspflicht und Beweiserleichterung, AJP 11/2001, 1293 ff.
  • Kummer Max, in: Liver Peter/Meier-Hayoz Artur/Merz Hans/Jäggi Peter/Huber Hans/Friedrich Hans-Peter/Kummer Max, Berner Kommentar zum Zivilgesetzbuch, Einleitung, Art. 1 - 10 ZGB, Bern 1962, N 317 f., 362, 368 zu Art. 8 ZGB
  • Meier Isaak, Das Beweismass – ein aktuelles Problem des schweizerischen Zivilprozessrechts, BJM 2/1989, 57 ff., 65
  • Prütting Hans, Gegenwartsprobleme der Beweislast, Eine Untersuchung moderner Beweislasttheorien und ihrer Anwendung insbesondere im Arbeitsrecht, München 1983, 23 ff.
  • Rosenberg Leo/Schwab Karl Heinz/Gottwald Peter, Zivilprozessrecht, 15. A. München 1993, 660 ff.
  • Vogel Oscar/Spühler Karl, Grundriss des Zivilprozessrechts, und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 7. A. Bern 2001, 10 N 50

--RolloM 12:26, 13. Aug 2006 (CEST)

Literatur

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Hallo,

Wer hilft mit weiteren Literaturhinweisen?

--RolloM 16:07, 15. Dez. 2006 (CET)Beantworten


Tatsächliche Vermutung zu Anscheinsbeweis verschieben!

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Der in der Schweiz gebräuchliche Begriff der tatsächlichen Vermutung sollte nicht erläutert werden, wo es um widerlegliche und unwiderlegliche Vermutungen ihren Platz haben, sondern beim Anscheinsbeweis, dem er wohl funktional am besten entspricht. Dann klärt sich auch die merkwürdige Schweizlastigkeit der Literatur sehr schnell. BKD 20:36, 27. Jul. 2007 (CEST)Beantworten

Hallo BKD
Danke für Deine Anregung! Ich habe die Sache im Rahmen meiner Diss untersucht - von da stammt auch der Text zur tatsächlichen Vermutung hautpsächlich.
Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung sind nach der im Artikel zitierten Beweismasstheorie (die wie geschrieben mehr und mehr Anhänger findet und die m.E. auch die einzige Variante ist, die logisch wirklich dicht ist) klar auseinander zu halten, die beiden entsprechen sich funktionell gerade nicht (die Begrifflichkeiten sind allerdings in der Praxis teils verwischt, vgl. den AB-Artikel, Ingress): Nach der BM-Theorie liegt eine tatsächliche Vermutung vor, wenn das Regelbeweismass zur Anwendung kommt, ein Anscheinsbeweis aber dann, wenn das Beweismass gesenkt wird (Glaubhaftmachen o.dgl.) Die Beweismasstheorie geht auf deutsche Literatur zurück und ist damit gerade keine schweizerische Eigenheit (Rommé, der die verschiedenen Theorien gut aufschlüsselt, war damals meine Hauptquelle, wenn ich mich richtig erinnere). Gerade in der Schweiz wird die Unterscheidung von Anscheinsbeweis und tatsächlicher Vermutung zudem oft nur unscharf vollzogen (oft wird hierzulande weniger dogmatisch und mehr "pragmatisch" argumentiert...).
Ich würde mich daher dringend dafür verwenden, den Teil über die tatsächliche Vermutung im Vermutungs-Artikel zu belassen, weil sonst zwei Dinge vermischt werden, die nicht vermischt werden sollten. Zudem: eine tatsächliche Vermutung ist selbstverständlich ebenfalls eine "Vermutung_(Recht)", wie sie hier im Artikel beschrieben wird. Dass der Begriff nur in der Schweiz gebräuchlich sein soll, wäre mir neu (ein kurzer Google-Search beweist auch das Gegenteil - es gibt diverse Treffer von deutschen Websites). Denkbar wäre es allerdings, dass andere Begriffe gebräuchlicher sind (Tatsachenvermutung? Evtl. weiteres?). Diesfalls würde ich vorschlagen, den entsprechenden Abschnitt umzubenennen und im Ingress kurz zu sagen, dass das Ding teils auch als tatsächliche Vermutung bezeichnet wird.
Gut wäre es allenfalls, den Abschnitt zur tatsächlichen Vermutung um weitere theoretische Ansätze zu ergänzen, wie das beim Anscheinsbeweis-Artikel schon passiert ist. Was meinst Du dazu?--RolloM 13:48, 28. Jul. 2007 (CEST)Beantworten
Nun kenn ich ja Deine Diss nicht, aber wie Du siehst, habe ich auch vorsichtig formuliert: Wenn man sich aus der deutschen Perspektive fragt, ob die Schweiz so etwas wie einen Anscheinsbeweis kennt, dann wird man zunächst schnell frustriert aufgeben, denn eine Suche nach schweizerischen Entscheidungen zum Anscheinsbeweis findet man (wenn man besser in einschlägigen Datenbanken als in Google!) sucht kaum. Dennoch kann man auch feststellen, dass mit der "tatsächlichen Vermutung" auch in der Schweiz ähnliche Ergebnisse erreicht werden. Dass die deutsche Aufteilung hier nicht sauber durchgehalten wird, mag zutreffen, dennoch finde ich, dass es - cum grano salis - eher dorthin passt als hierher. Ganz unabhängig davon habe ich auch in Deutschland nicht unbedingt den Eindruck, dass die Gerichte mit den Begriffen hier immer sehr sauber und vor allem nachvollziehbar umgehen, dabei aber doch zumindest im Ergebnis eine halbwegs akzeptable Lösung finden. Dass in der Schweiz der Begriff Anscheinsbeweis kein wirklich praktisches Vorkommen hat, bedeutet jedenfalls nicht, dass es so etwas nicht gibt. Jedenfalls bei einer funktionalen Betrachtung, die ich der Begriffsjuristischen deutlich vorziehen würde, scheint mir der Zusammenhang mit dem Anscheinsbeweis doch immerhin so stark, dass ich diese schweizerische Perspektive eher DORT als hier suchen würde. BKD 14:32, 28. Jul. 2007 (CEST)Beantworten
Hallo BKD,
Du hast natürlich Recht damit, dass tatsächliche und gesetzliche Vermutung funktional kaum etwas miteinander zu tun haben, TV und Anscheinsbeweis aber doch (beide sind Grundlage eines mittelbaren Beweises). Klassischerweise werden aber - zumindest hierzulande - in den juristischen Lehrbüchern unter dem Begriff Vermutung tatsächliche und gesetzliche Vermutung abgehandelt (das dürfte bei Euch gleich sein). Ich sehe zudem immer noch nicht, warum ich die tatsächliche Vermutung in der Wikipedia unter "Anscheinsbeweis" suchen sollte, geht es doch vom Begriff her um eine "Vermutung", und eine Enzyklopädie sollte wohl tendenziell anhand von Begriffen und weniger anhand von Funktionen gegliedert werden.
Wenn Dir die Abhandlung der beiden Begriffe in einem gemeinsam Artikel nicht zusagt, weil es sich funktional um völlig verschiedene Dinge handelt: Würdest Du eine Aufteilung des Artikels in zwei separate Artikel befürworten? Evtl. unter Einbezug des Artikels zum mittelbaren Beweis?
Eine Gliederung in Ober- und Unterbegriffe könnte zB wie folgt aussehen:
Gesetzliche Vermutung
/
Vermutung_(Recht) (Blosser "Verteiler", um die Leute abzufangen, die nach "Vermutung" suchen. Evtl. könnte man diese Verteilung gleich auch im Artikel "Vermutung" unterbringen. Dort steht nämlich zuerst "Rechtswissenschaft" und dann nur der einzige Unterartikel "Vermutung_(Recht)". Man könnte also "Vermutung_(Recht)" ganz löschen.)
\
Tatsächliche Vermutung
/
Mittelbarer Beweis (kurze Beschreibung des MB, dann Verweis auf TV und AB)
\
Anscheinsbeweis
Das Problem einer funktionalen Gliederung liegt mE darin, dass die verschiedenen Theorien die Begriffe gerade von der Funktion her unterschiedlich definieren. So wird ein Beweis mit reduziertem Beweismass in der Schweiz auch schon mal als "tatsächliche Vermutung" bezeichnet (wobei ich mich dann frage, wie ich den Vorgang bei einem indirekten Beweis mit vollem Beweismass bezeichnen soll...). Dem müsste man im Artikel zum mittelbaren Beweis Rechnung tragen, man könnte also nicht einfach schreiben, dass bei vollem Beweismass eine Tatsächliche Vermutung, bei reduziertem ein Anscheinsbeweis vorliegt, weil dies nur eine von verschiedenen Möglichkeiten ist, die beiden Begriffe zu verstehen. Und das dürfte etwas schwierig werden.
Eine weitere Möglichkeit könnte daher darin bestehen, einen grossen Artikel "Mittelbarer Beweis" zu erstellen, in den Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung integriert werden.
Gesetzliche Vermutung
/
Vermutung_(Recht) => Blosser "Verteiler", um die Leute abzufangen, die nach "Vermutung" suchen
\
Mittelbarer Beweis (Beschreibung des MB mit Untervarianten AB und TV)
/
Anscheinsbeweis (nur automatische Weiterleitung auf MB)
Evtl. weiterer Artikel: Tatsächliche Vermutung (nur automatische Weiterleitung auf MB)
Die Frage ist allerdings, wie ein solcher "Gross-Artikel" zum mittelbaren Beweis zu gliedern wäre. Weil die Terminologie unklar ist, düfte sich eine funktionale Gliederung verbieten. D.h. wir müssten erneut rein terminologisch gliedern. Oder anhand der verschiedenen Theorien, wie sie beim Anscheinsbeweis beschrieben sind. Dann befürchte ich aber, dass die Verständlichkeit leidet. M.E. ist die terminologische Gliederung wohl weiterhin zu bevorzugen. Und dann können wir auch gleich der Übersichtlichkeit halber zwei separate Unterartikel belassen wie in der ersten Variante.
Was noch dazu kommt, ist die Unterscheidung von Rechts- und Tatsachenvermutungen, die ebenfalls manchmal gemacht wird (die mir aber logisch noch nie eingeleuchtet hat...). Evtl. müsste man hier noch zusätzliche "Unter-Artikel" zu "Gesetzliche Vermutung" erstellen, bzw. dies dort etwas vertieft erläutern.
Hast Du noch andere Gliederungsvorschläge/Ideen?--RolloM 11:45, 31. Jul. 2007 (CEST)Beantworten