Divicin (2,6-Diamino-4,5-dihydroxypyrimidin) ist ein u. a. in Ackerbohnen und Saat-Platterbsen natürlich vorkommendes Alkaloid. Divicin ist giftig für Personen, die einen erblich bedingten Mangel an dem Enzym Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD-Mangel) aufweisen. Es kann in Betroffenen eine hämolytische Anämie verursachen, den so genannten Favismus. Divicin ist das Aglykon von Vicin. Ein häufiges Derivat ist die Diacetatform (2,6-Diamino-1,6-dihydro-4,5-pyrimidindion).[3]

Strukturformel
Strukturformel von Divicin
Allgemeines
Name Divicin
Andere Namen

2,6-Diamino-5-hydroxy-4(1H)-pyrimidinon (IUPAC)

Summenformel C4H6N4O2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 32267-39-3
PubChem 135469282
ChemSpider 2971290
Wikidata Q5283993
Eigenschaften
Molare Masse 142,12 g·mol−1
Schmelzpunkt

300 °C (Zersetzung)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Vorkommen

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Blühende Ackerbohne

Divicin kommt in Ackerbohnen und in Saat-Platterbsen vor. Ackerbohnen sind insbesondere im Mittelmeer- und arabischen Raum als Delikatesse verbreitet, gewinnen aber insbesondere als Basis von Fleischersatzprodukten in Deutschland zunehmend an Verbreitung.[4]

Die Vicin-Konzentration von Ackerbohnen beträgt durchschnittlich 5 mg/g Trockengewicht. Divicin kann durch in den Bohnen aktive Glucosidasen aus dem enthaltenen Vicin entstehen. Saat-Platterbsen werden in dürre- und hungeranfälligen Regionen Asiens und Ostafrikas häufig als "Versicherungspflanze" für den menschlichen Verzehr und als Viehfutter angebaut wird, wenn andere Pflanzen nicht gedeihen, obwohl ihre Gesundheitsrisiken bekannt sind. Divicin ist zumindest teilweise für die Giftwirkung dieser Hülsenfrucht verantwortlich.

Synthese

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In Pflanzen entsteht reduziertes Divicin durch Hydrolyse des β-Glucosids Vicin.[5]

Divicin kann wie folgt in einem vereinfachten dreistufigen Verfahren im Labor synthetisiert werden:

  1. Die Benzylgruppe von 2-Amino-5-(benzyloxy)-4(3H)-pyrimidinon[S 1] wird durch saure Hydrolyse entfernt, wobei 2-Amino-4,5-dihydroxypyrimidin[S 2] entsteht.
  2. Dieses Zwischenprodukt wird mit salpetriger Säure behandelt, um das schwer lösliche orangefarbene Produkt 2-Amino-6-nitrosopyrimidin-4,5-diol auszufällen.
  3. Das gefällte Nitrosopyrimidin wird anschließend mit Natriumdithionit reduziert, um Divicin zu erhalten.[6]

Chemische Eigenschaften

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Alkalische Lösungen von 2,6-Dichlorphenolindophenol, Phosphomolybdat oder Phosphowolframat werden von Divicin stark reduziert. Bei der Reaktion mit einer ammoniakalischen Eisenchloridlösung wird eine intensiv blaue Farbe hervorgerufen, was als Nachweis einer enolischen Hydroxygruppe dient.

Divicin ist bei Anwesenheit von Sauerstoff sehr instabil, und die Oxidation erfolgt am schnellsten bei pH-Werten über 7. Die Halbwertszeit von Divicin beträgt bei Raumtemperatur in neutraler Lösung etwa eine halbe Stunde. Die Verbindung wird durch Kochen zerstört und der Abbau unter normalen Bedingungen durch die Anwesenheit von Schwermetallionen, insbesondere Cu2+, beschleunigt[7].

Physiologische Wirkung beim Menschen

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Divicin ist der hämotoxische Bestandteil von Ackerbohnen (Favabohnen) und Auslöser von Favismus bei Menschen die an Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel (G6PD-Mangel) leiden. Aufgrund der Erkrankung wird nach Aufnahme von Divicin, z. B. durch Verzehr von Ackerbohnen eine hämolytische Reaktion ausgelöst, die tödlich enden kann. Dieser Mangel, eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Krankheit, ist der weltweit am häufigsten auftretende Enzymmangel. Besonders häufig tritt sie bei Menschen afrikanischer, asiatischer, mediterraner und nahöstlicher Abstammung auf. Zu den Symptomen des Favismus gehören Hämolyse, anhaltende Gelbsucht, Kernikterus und in extremen Fällen sogar akutes Nierenversagen.[8]

Divicin reagiert mit Sauerstoff in den roten Blutkörperchen, wodurch reaktive Sauerstoffspezies wie Wasserstoffperoxid und Superoxidanionen entstehen. Diese Moleküle sind starke Oxidationsmittel für NADPH[9] und Personen mit G6PD-Mangel können NADPH nicht schnell genug regenerieren, um den Abbau von Glutathion zu verhindern. Der Mangel an Glutathion führt dazu, dass die Zellen keinen Schutz gegen den durch die Aglykone verursachten oxidativen Stress haben, was wiederum zu einer Schädigung des Hämoglobins und zur Bildung von Disulfidbindungsaggregaten (Heinz-Körpern) führt und eine hämolytische Anämie zur Folge hat.[10]

Physiologische Wirkung bei Tieren

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In-vitro-Studien an Ratten zeigten, dass eine hämotoxische Dosis von Divicin von 1,5 mM, die einer Suspension roter Blutkörperchen zugesetzt wurde, zu einem raschen Rückgang des zellulären Glutathions, zur Bildung von Echinozyten und zur Schädigung des Membranskeletts führte. Dies führte zu einem Rückgang des Hämatokrits.[11]

Einzelnachweise

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  1. Jürgen Falbe, Manfred Regitz: RÖMPP Lexikon Chemie, 10. Auflage, 1996-1999: Band 6: T - Z. Georg Thieme Verlag, 2014, ISBN 978-3-13-200061-2, S. 4853 (books.google.de).
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. Bendich, C.: A revision of the structural formulation of vicine and its pyrimidine aglucone, divicine. In: Biochim. Biophys. Acta. 12. Jahrgang, Nr. 1–2, 1953, S. 462–77, doi:10.1016/0006-3002(53)90166-8, PMID 13115456.
  4. Ackerbohne: Proteinreich, nachhaltig und unterschätzt. In: deutschlandfunknova.de. Abgerufen am 17. Juni 2022.
  5. Baker M, Bosia A: Mechanism of Action of Divicine in a Cell-free System and in Glucose-6-phosphate Dehydrogenase-deficient Red Cells. In: Toxicol. Pathol. 12. Jahrgang, Nr. 4, 1984, S. 331–336, doi:10.1177/019262338401200405, PMID 6099911.
  6. Chesterfield, J.: 194. Pyrimidines. Part XIII. Electrophilic substitution at position 6 and a synthesis of divicine (2,4-diamino-5,6-dihydroxypyrimidine). In: J. Chem. Soc. 1964, S. 1001–1005, doi:10.1039/jr9640001001.
  7. J. Mager, A. Razin, A. Herschko: Toxic constituents of plant foodstuffs. Hrsg.: I. Liener. Academic Press, New York 1969, S. 293–312.
  8. Frank, J.: Diagnosis and management of G6PD deficiency. In: Am. Fam. Physician. 72. Jahrgang, Nr. 7, 2005, S. 1277–1282, PMID 16225031.
  9. Lucio Luzzatto, Paolo Arese: Favism and Glucose-6-Phosphate Dehydrogenase Deficiency. In: New England Journal of Medicine. 378. Jahrgang, Nr. 1, 4. Januar 2018, S. 60–71, doi:10.1056/NEJMra1708111, PMID 29298156.
  10. Marjo Pulkkinen, Xiao Zhou, Anna-Maija Lampi, Vieno Piironen: Determination and stability of divicine and isouramil produced by enzymatic hydrolysis of vicine and convicine of faba bean. In: Food Chemistry. 212. Jahrgang, 1. Dezember 2016, S. 10–19, doi:10.1016/j.foodchem.2016.05.077, PMID 27374500.
  11. D. C. McMillan: Favism: Effect of Divicine on Rat Erythrocyte Sulfhydryl Status, Hexose Monophosphate Shunt Activity, Morphology, and Membrane Skeletal Proteins. In: Toxicological Sciences. 62. Jahrgang, Nr. 2, 1. August 2001, S. 353–359, doi:10.1093/toxsci/62.2.353, PMID 11452148.

Anmerkungen

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  1. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2-Amino-5-(benzyloxy)-4(3H)-pyrimidinon: CAS-Nr.: 93534-87-3, PubChem: 261915, ChemSpider: 229965, Wikidata: Q82033303.
  2. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2-Aminopyrimidin-4,5-diol: CAS-Nr.: 40769-68-4, PubChem: 262456, ChemSpider: 230478, Wikidata: Q82033625.