Unter Doppelkönigtum fasst man die gleichzeitige legitime Regentschaft zweier Könige auf – und grenzt gegenüber dem Begriff Gegenkönig ab, der einen Insult gegen die Thronfolge darstellt.

Im antiken Sparta der klassischen und nachklassischen Zeit (bis 2. Jahrhundert v. Chr.) gab es ein Doppelkönigtum, dessen zwei Könige sich aus den Familien der Agiaden und Eurypontiden rekrutierten. Die Könige waren „lebenslange Feldherrn“, sie vertraten die spartanische Polis nach außen und waren oberste Priester. Als militärische Führer standen die Könige unter der Aufsicht der bzw. im Gegensatz zu den Ephoren. Die Könige hatten sich vor der Volksversammlung (Apella) zu verantworten.

Quellenlage

Bearbeiten

Wie in vielen antiken Themenbereichen ist auch bezüglich des Königtums in Sparta die Quellenlage dünn gestreut und ganz allgemein Wissen über die Könige vor 600 v. Chr. nur spärlich vorhanden. Herodot liefert einige Informationen, die vor allem die Aufgaben und Privilegien der Könige beschreiben. Jedoch entspricht seine Schilderung – neueren Forschungen nach zu urteilen – in mancher Hinsicht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Zur geschichtlichen Entwicklung des Königtums kann auf Thukydides verwiesen werden, welcher die zur Entstehungszeit seines Werkes Der Peloponnesische Krieg lebenden Könige und deren Regierungen mit einfließen lässt. Weitere Quellen finden sich bei Xenophon (Lakedaimonion politeia) und Plutarch (vitae parallelae).

Die Könige im Verfassungssystem

Bearbeiten

Verfassungssystem

Bearbeiten

Lykurg gibt in der Eunomia eine bestimmte Herrschaftsfolge vor, wonach (in dieser Reihenfolge) die Könige (basileis), Geronten und Bürger herrschen sollten. Diese Ordnungsvorstellung war auch in der Großen Rhetra zu finden, welche unter anderem das Königtum absicherte. Das spartanische Verfassungssystem sah im Wesentlichen das Ineinanderwirken verschiedener Organe vor. Neben den Königen und der Gerusia gab es fünf Ephoren, die die Beschlüsse der Könige zwar kontrollierten, jedoch deren Macht und Vorrangstellung akzeptierten. Das Verhältnis zwischen Königen und Ephorat war stets von Unstimmigkeiten geprägt. Ein monatlicher Schwur sollte die Könige darauf verpflichten, ihre Herrschaft nach den Gesetzen auszurichten, während die Ephoren im Gegenzug schworen, das Königtum zu bewahren. Die Könige waren gleichzeitig Mitglieder der Gerusia. Konnten sie bei Versammlungen nicht anwesend sein, wurden ihre Stimmen auf Verwandte innerhalb dieses Rates übertragen. Die Gerusia kontrollierte die Könige und stellte den höchsten Gerichtshof dar, vor welchem jene angeklagt werden konnten.

Den Königen unterstand vor allem das Heer, über welches sie als Feldherren die Befehlsgewalt innehatten. Ihre griechische Bezeichnung lautete basileus. Dieses Wort hatte in archaischer Zeit noch nicht die Bedeutung „Monarch“, sondern kennzeichnete führende Männer bzw. Beamte in einer Polis. Es wird daher in der Forschung vielfach dafür plädiert, auch für das klassische Sparta besser nicht von einem Königtum zu sprechen, da diese in anderen Kontexten durchaus mögliche Übersetzung in diesem Fall letztlich in die Irre führe: Die beiden spartanischen basileis seien vielmehr nur primi inter pares und erbliche Oberbefehlshaber der Armee gewesen.[1]

Doppelkönigtum

Bearbeiten

Wichtigstes Merkmal der Basileia Spartas war das so genannte Doppelkönigtum. Dessen Sinn lag unter anderem darin, die Macht der basileis zu beschränken. Die beiden Geschlechter der Agiaden und Eurypontiden stellten jeweils einen König, welche zusammen in Form einer Doppelherrschaft auf Lebenszeit regieren konnten, wobei die Agiaden das höhere Ansehen genossen. Die beiden Könige waren theoretisch gleichrangig und besaßen den gleichen Machtspielraum. In der Praxis jedoch wechselten die Machtverhältnisse oft und wurden nicht selten auf die jeweiligen Nachkommen übertragen. Stets hatte einer der Könige die alleinige Gewalt, der andere konnte immer nur versuchen, Ausgleich zu schaffen. Eine Heirat zwischen den beiden Königshäusern, welche einen eventuellen Ausgleich geschaffen hätte, war nicht erlaubt, da der Wunsch der Spartiaten nach zwei Königshäusern bestand.

Königslisten

Bearbeiten

Glaubwürdige Königslisten gab es erst etwa seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. Jene davor sind nicht selten von antiken Geschichtsschreibern nach Belieben zusammengestellt und an unbekannten Stellen in der Genealogie notdürftig zusammengehalten worden. So entsteht der Anschein, dass es etwa bis ins Jahr 600 stets direkt vom König abstammende Nachfolger, seine Söhne, gab, während nach dieser Zeit nicht mehr unbedingt ein eigener Sohn als legitimer Nachfolger auftrat.

Aufgaben und Privilegien der Könige

Bearbeiten

Die Könige besaßen zwei wesentliche Aufgaben: die Heeresführung und die Erkundung des göttlichen Willens.

Führung des Heeres

Bearbeiten

Seit 505 v. Chr. stand bei Kriegszügen nur noch ein zuvor vom Volk gewählter König dem Heer vor. Seit den Perserkriegen wurde er gelegentlich von zwei Ephoren begleitet, welche seine Entscheidungen kontrollierten, jedoch während des Kriegszuges nicht eingreifen durften. Danach war es den Ephoren erlaubt, den König anzuklagen, falls sie ein Fehlverhalten bemerkt zu haben glaubten. Der Reichtum der Könige kam daher, dass sie zusätzlich zum reichen Besitz ihrer Familie und zu dem jeweiligen König zur Verfügung stehenden Landbesitz im Periökengebiet, einen bevorzugten Anteil an der Beute ihrer Feldzüge nehmen durften.

Erkundung des göttlichen Willens

Bearbeiten

Als Nachfahren der Herakleiden verwalteten die Könige bestimmte Priesterämter (Zeus Lakedaimonios und Zeus Uranios) und hatten Pythier (Boten), durch die sie mit dem delphischen Orakel in Verbindung standen und die die Orakelsprüche aufbewahrten. Weitere Privilegien waren die Rechtsprechung (so konnten sie reiche Erbtöchter verheiraten und Adoptionen hatten in ihrer Anwesenheit zu geschehen) und die Zuständigkeit für die Durchführung öffentlicher Opfer. Sie waren als einzige im Kindesalter von der Agoge ausgenommen. Darüber hinaus erhielten sie besondere Abgaben von Opfergegenständen und einen Ehrenplatz beim Gemeinschaftsmahl. Wenn ein König sich näherte, mussten sich alle Anwesenden (bis auf die Ephoren) erheben. Starb der König, so wurde sein Leichnam, wenn er sich zuvor auf dem Kriegsfeld befunden hatte, in Honig konserviert nach Sparta überführt, ein Privileg, welches nur den Königen zustand. Die Spartiaten sowie die Heloten und einige Periöken waren verpflichtet, an der Beerdigung teilzunehmen, und während der folgenden allgemeinen Trauer, die zehn Tage andauerte, stand das offizielle Leben still. Die toten Könige schließlich wurden heroisiert.

Herausragende Könige

Bearbeiten

Heiliges Römisches Reich

Bearbeiten

In Abgrenzung zum Gegenkönigtum wird in der historischen Forschung in der deutschen Geschichte des (späten) Mittelalters ein Doppelkönigtum dann konstatiert, wenn zwei Könige aus einer zwiespältigen Wahl (der Kurfürsten) hervorgingen. Insgesamt gab es vier solcher Wahlentscheidungen, die kein in der Praxis eindeutiges Ergebnis lieferten.

Deutscher Thronstreit 1197: Philipp von Schwaben und Otto IV.

Bearbeiten

Nach dem Tod Heinrichs VI. 1197 führte der Deutsche Thronstreit zu einer Doppelwahl. Am 8. März 1198 wählten die der staufischen Partei anhängenden Kurfürsten Philipp von Schwaben, einen Bruder Heinrichs VI., zum König, am 9. Juni 1198 kürte die welfische Gegenpartei Otto von Braunschweig als Otto IV. zum Herrscher. De facto gab es nun bis zur Ermordung Philipps aufgrund einer vom Thronstreit unabhängigen Privatfehde im Jahre 1208 zwei gewählte Könige im Reich.

Doppelwahl 1256/57 und Interregnum bis 1273: Alfons X. und Richard von Cornwall

Bearbeiten

1256 starb der frühere Gegenkönig Friedrichs II., Wilhelm von Holland, der seit 1254 auch allgemein anerkannt wurde. Verwandte der Doppelkönige von 1198 setzten nun den Streit der Familien fort, wobei es diesmal allerdings eher um die Sicherstellung ausländischer Interessen in einem völlig geschwächten Reich ging. Nachdem einige Städte kurz nach Wilhelms Tod bereits Alfons X. von Kastilien, einen Enkel Philipps von Schwaben, zum König ausriefen, kam es zu Spannungen mit dem englischen König Heinrich III., die 1257 zu einer Doppelwahl zwischen Alfons und Richard von Cornwall, einem jüngeren Bruder des englischen Königs und Vetter Ottos IV., führten. Der König von Böhmen gab beiden Parteien seine Stimme, so dass nun beide Kandidaten mit je 4 Stimmen gewählt waren. Da allerdings Alfons nie Reichsboden betrat und auch Richard nur sporadisch seinen Thronanspruch vor Ort vertrat, war die Folge dieser Doppelwahl eine Epoche praktisch ohne ausgeübte Königsmacht. Diese ging als Königslose Zeit oder Interregnum in die Geschichte ein und endete erst mit dem Tod Richards 1272, der Wahl Rudolfs I. von Habsburg 1273 zum König und dem anschließenden Rücktritt Alfons’ X.

Doppelwahl 1314–1322, Trausnitzer Sühne, Doppelkönigtum bis 1330: Ludwig IV. und Friedrich der Schöne

Bearbeiten

Im Jahr 1314 war es zur Doppelwahl der Kurfürsten gekommen, als der Wittelsbacher Ludwig der Bayer (1314–1347) und der Habsburger Friedrich der Schöne (1314–1330) deutsche Könige wurden. Nach dem Sieg Ludwigs in der Schlacht bei Mühldorf (September 1322) und der Gefangennahme Friedrichs einigten sich die beiden Kontrahenten in der Trausnitzer Sühne und zwei Münchener Verträgen (März bzw. September 1325) auf eine gemeinsame Herrschaft des Wittelsbachers und des Habsburgers. Dieses Doppelkönigtum im eigentlichen Sinn, nämlich als gemeinsame Regierung, war somit eine Konsequenz aus dem Wahlprinzip im römisch-deutschen Reich und die Folge einer besonderen politischen Lage. Es funktionierte insofern reibungslos, als dass sich Ludwig zwischen 1327 und 1329 in Italien aufhielt und Friedrich schon im Januar 1330 starb, blieb aber politisch weitgehend wirkungslos.

Doppelwahl 1410/11: Sigismund von Luxemburg und Jobst von Mähren

Bearbeiten

Die vierte Doppelwahl folgte dem Tod König Ruprechts 1410. Als Kandidaten ließen sich die Vettern Jobst von Mähren und Sigismund, Letzterer ein jüngerer Bruder des früheren römischen Königs Wenzel, aufstellen. Am 1. Oktober 1410 wählte das Kurfürstenkollegium mit vier gegen drei Stimmen Jobst von Mähren zum König. Die vierte Stimme hatte hierzu Wenzel beigesteuert, der als König von Böhmen ebenfalls Kurfürst war. Sigismunds Partei erkannte diese Wahl nicht an, doch ehe es zu weiteren Streitigkeiten kommen konnte, verstarb Jobst plötzlich am 18. Januar 1411, und Sigismund wurde unbestrittener König des Reiches.

Königreich Bayern

Bearbeiten

Nach dem Tod von König Ludwig II im Jahr 1886 stand dessen Bruder Otto als nächster König von Bayern in der Thronfolge. Da Otto I unter schweren psychischen Problemen litt, wurden die Amtsgeschäfte von seinem Onkel, Prinzregent Luitpold, geführt. Als dieser 1912 verstarb, wurde das Amt des Prinzregenten von Luitpolds Sohn Ludwig übernommen.

Durch eine Änderung der bayerischen Verfassung, wurde die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen, im Fall einer lange andauernden Krankheit des Königs die Regentschaft zu beenden und den nächsten Wittelsbacher in der Thronfolge zum König zu ernennen. Die Initiative zu dieser Verfassungsänderung ging dabei – entgegen weitläufiger Meinung – nicht von Prinzregent Ludwig aus, sondern von seinen Ministern. Nachdem der Staatsrat und die beiden Parlamentskammern zugestimmt hatten, trat das Gesetz zur Regentschaftsbeendigung am 4. November 1913 in Kraft. Am 5. November 1913 wurde Ludwig III. zum König von Bayern ausgerufen.

Da Titel und Würden König Ottos jedoch nicht angetastet wurden, gab es knapp drei Jahre lang, bis zum Tode Ottos am 11. Oktober 1916, de jure zwei Könige in Bayern.

Literatur

Bearbeiten
  • Jörg Rogge: Die deutschen Könige im Mittelalter. Wahl und Krönung (= Geschichte kompakt. Mittelalter.). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-15132-1, S. 36–44, 61 ff, 76 ff.
  • Raimund Schulz: Athen und Sparta (= Geschichte kompakt. Antike.). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-15493-2, S. 58–59.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Vgl. etwa Martin Dreher: Athen und Sparta. München 2001, S. 44.