Echinothrix
Echinothrix ist eine Gattung von Seeigeln aus der Familie der Diademseeigel (Diadematidae). Die Gattung wurde erstmals 1853 von dem deutschen Naturforscher und Wissenschaftler Wilhelm Peters beschrieben.[2]
Echinothrix | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Echinothrix | ||||||||||||
Peters, 1853[1][2] |
Die Gattung enthält zwei Arten, E. diadema und E. calamaris.[1]
Beschreibung
BearbeitenDie Mitglieder der Gattung Echinothrix sind von regelmäßiger Gestalt: Die Schale (Testa) ist mehr oder weniger kugelförmig und wird von Stacheln (Radiolen) geschützt. Das Ganze folgt einer fünfstrahligen (pentaradialen) zentralen Symmetrie: die Schale verbindet den Mund (Peristom), der sich in der Mitte der unteren (d. h. oralen) Seite befindet, mit dem Anus (Periprokt), der sich am oberer Pol (aboralen Apex) befindet.
Die beiden zu dieser Gattung gehörenden Arten zeichnen sich durch eine runde Schale (Test) und hohle Stacheln (Radiolen) aus, wobei die primären Stacheln relativ lang und die sekundären kürzer und dünner sind, aber zum optimalen Schutz der Seeigel mit Giftdrüsen versehen sind. Beide dieser Arten kommen in der indo-pazifischen Region vor und leben auf Korallenriffen.
Die beiden Arten können voneinander dadurch unterschieden werden, dass E. diadema vollständig schwarze Stacheln hat, während die Stacheln von E. calamaris, gestreift sind.
Skelettmerkmale
BearbeitenDie Schale hat eine apikale runde Scheibe („monozyklisch“) mit einem breiten Periprokt (Afterfeld). Die Ambulakren (die fünf weitgehend gleichen Teile ihrer fünfstrahligen Symmetrie) sind gerade und haben unkonjugierte Porenpaare. Die Ambulakralplatten sind dreizählig und tragen ein großes Primärtuberkel (Höcker) und vier oder mehr Sekundärtuberkel. Das Peristom (Mundfeld) ist breit und trägt große, abgerundete Mundkerben.[3]
Die Unterscheidung der beiden Arten erfolgt auf Skelettebene hauptsächlich durch die Tatsache, dass die Ambulakren von E. calamaris erhaben sind, jedoch ist dieses Merkmal variabel und kann irreführend sein, da die hellen Varianten von E. calamaris kleiner sind und weniger Erhebungen haben als die dunklen.[4] Die Schale (Testa) von E. calamaris ist zudem aboral abgeflachter.
Ökologie und Verbreitung
BearbeitenBeide Arten der Gattung kommen in den tropischen Regionen des indopazifischen Beckens vor und leben tagsüber meist versteckt in Felsritzen. Man kann sie daran unterscheiden, dass E. diadema schwarze Stacheln (Radiolen) hat, die in der Sonne bläulich schimmern können, während E. calamaris stärker differenzierte Stacheln hat, wobei die primären groß, röhrenförmig und manchmal nicht spitz sind, meist gestreift oder auch ganz weiß oder ganz schwarz; die sekundären Stacheln sind sehr dünn, braun-schwarz gestreift; außerdem hat diese Art hat auch eine viel größere und auffälligere, oft gesprenkelte Analpapille. Vom E. calamaris gibt es auch eine schwarze Version, die viel schwieriger zu identifizieren; die Schale (Testa) ist bei dieser rötlich, die Analpapille ist auch ausgeprägter und die Stacheln schimmern grün.[5]
Ein im Jahr 2019 von Ip et al. veröffentlichte Studie legt die Möglichkeit einer dritten Art mit Fundort Big Sister's Island (Pulau Subar Laut), Singapur, nahe (vorläufige Bezeichnung E. sp. IP0516).[6] Im Jahr 2021 veröffentlichten von Coppard et al. eine genetische Studie an dieser Gattung, die eine große genetische Homogenität bei E. diadema ergab: diese Spezies sollte danach vor etwa 16,8 Millionen Jahren vom Rest der Gattung divergiert haben. Bei E. calamaris legen diese Untersuchungen eine Zusammensetzung aus drei Untergruppen nahe: eine endemische im Roten Meer und vor Arabien, eine ausschließlich im Pazifik und eine indopazifische; allerdings scheinen die Variationen im Aussehen nicht mit diesen genetischen Gruppen zu korrelieren.[5]
Beide Arten sind zudem in der Lage, sich zu hybridisieren, was die Identifizierung weiter erschwert.[5]
Vergesellschaftungen und Symbiosen
BearbeitenViele Jungfische der Familie Apogonidae (Kardinalbarsche) verstecken sich gerne zum Schutz in den Stacheln von E. calamaris.[7] Auf Hawaii beherbergt E. calamaris häufig eine symbiotische Krabbe, Echinoecus pentagonus.[8] E. diadema beherbergt kommensale Arten wie die Felsen- und Partnergarnele Stegopontonia commensalis (Palaemonidae).
Viele Fische der Familien Apogonidae (Kardinalbarsche) und Centriscidae (Schnepfenfische) halten sich aber auch zum Schutz lediglich in der Nähe von E. diadema auf, ebenso die Putzer- und Marmorgarnele Saron marmoratus (Hippolytidae).
Systematik
BearbeitenDie Gattung Echinothrix wurde 1853 von dem deutschen Naturforscher Peters im Jahr 1853 erstbeschrieben. Die Innere Systematik (Artenliste) der Gattung ist nach dem World Register of Marine Species (WoRMS) und der Taxonomie des National Center for Biotechnology Information (NCBI) mit Stand 20. Oktober 2924 wie folgt:[1][9][2][10]
Bild | Name | Wissenschaftlicher Name | Verbreitung |
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Kalmar-Diademseeigel | Echinothrix calamaris (Pallas, 1774)[11] |
Indopazifischer Raum, von der Ostküste Afrikas bis Französisch-Polynesien, einschließlich Hawaii und dem Roten Meer | |
Schwarzer Diademseeigel | Echinothrix diadema (Linnaeus, 1758) |
Indopazifische Korallenriffe, vom Roten Meer bis Hawaii |
Detaillierte Innere Systematik
BearbeitenSystematik der Gattung (Stand 25. Oktober 2024):
Gattung Echinothrix Peters, 1853[1][9][2][10] [Echinotrix, Schreibfehler]. Synonyme:
- Diadema (Echinothrix) Peters, 1853 · unaccepted (accepted at genus rank)
- Garelia Gray, 1855 · unaccepted (objective junior synonym)
- Savignya Desor, 1855 · unaccepted (subjective junior synonym)
- Echinothrix calamaris (Pallas, 1774)[11] – Typusart. Synonyme:
- Echinothrix aequalis (Gray, 1855);
- Echinothrix annellata Peters, 1853;
- Echinothrix aperta A. Agassiz, 1863;
- Echinothrix clavata (Gray, 1855);
- Echinothrix desori (L. Agassiz in L. Agassiz & Desor, 1846) [Echinothrix desorii (L. Agassiz in L. Agassiz & Desor, 1846)];
- Echinothrix scutata A. Agassiz, 1863.
- Echinothrix diadema (Linnaeus, 1758). Synonyme:
- Echinothrix cincta (A. Agassiz, 1863);
- Echinothrix petersii Bölsche, 1865;
- Echinothrix spinosissima (Lamarck, 1816) [Echinothrix spinosissimum (Lamarck, 1816)];
- Echinothrix subularis (Lamarck, 1816);
- Echinothrix turcarum Peters, 1853.
- Echinothrix sp. IP0516 (NCBI, provisorische Bezeichnung: Ip et al., 2019)[6]
Seeigelsterben
BearbeitenAb Dezember 2022 wurden zunächst im Golf von Aqaba (GOA), dann im gesamten Roten Meer und schließlich auch im westlichen Indischen Ozean (WIO) Massensterben von E. calamaris und Diadema setosum beobachtet, die mancherorts (wie im Golf von Aqaba) zu einem Rückgang der Population bis 100 % führten. Als Verursacher wurden auch hier parasitische Wimpertierchen aus der Verwandtschaft von Philaster apodigitiformis ausgemacht.[12] Da die Seeigel das Algenwachstum (wesentlich besser als algenfressende Fische) in Grenzen halten, ist dieser Verlust von starker ökologischer Bedeutung, da die Korallen in den Korallenriffen absterben, wenn sie von Algen überwuchert werden.[12][13][14]
Erkrankungen von Wirbeltieren und Wirbellosen durch Infektion mit Wimpertierchen der Scuticociliatia werden allgemein als Scuticociliose[15] (englisch scuticociliatosis) bezeichnet. Wie 2024 offenbar wurde, besteht auf eine Anfälligkeit der ganzen Diademseeigel-Familie für Scuticociliose, weshalb Roth et al. (2024) vorschlugen, allgemein den Begriff „Diadematidae-Scuticociliose“ (DSc) zu verwenden, um das gesamte Ausmaß dieses Phänomens zu erfassen.[12]
Bildergalerie
Bearbeiten-
Ein junges Echinothrix-Exemplar von Réunion
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Beide Arten der Gattung Echinothrix in Mayotte: E. calamaris (dunkle Abart) & E. diadema, beide recht jung
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Ein Exemplar des schwarzen Subtyps von E. calamaris, Réunion
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E. calamaris, Exemplar mit großen weißen Stacheln, Réunion
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E. calamaris, Lembeh-Strait, Sulawesi
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E. diadema, Réunion
Weblinks
Bearbeiten- ITIS: Echinothrix Peters, 1853.
- Animal Diversity Web (ADW): Echinothrix (animaldiversity.org).
Literatur
Bearbeiten- Simon Edward Coppard, Andrew C. Campbell: Taxonomic significance of test morphology in the echinoid genera Diadema Gray, 1825 and Echinothrix Peters, 1853 (Echinodermata). In: Zoosystema, Band 28, Nr. 1, März 2006, S. 93–112; ResearchGate:279892057, SemanticScholar:56294500, PDF (englisch).
- Simon Edward Coppard, Andrew C. Campbell: Taxonomic significance of spine morphology in the echinoid genera Diadema and Echinothrix. In: Invertebrate Biology. Band 123, Nr. 4, 11. Mai 2004, ISSN 1077-8306, S. 357–371, doi:10.1111/j.1744-7410.2004.tb00168.x (englisch).
- Simon Edward Coppard, Holly Jessop, Harilaos A. Lessios: Phylogeography, colouration, and cryptic speciation across the Indo-Pacific in the sea urchin genus Echinothrix. In: Scientific Reports. Band 11, Nr. 1, 2021, ISSN 2045-2322, S. 16568, doi:10.1038/s41598-021-95872-0 (englisch).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d WoRMS: Echinothrix Peters, 1853 (Genus).
- ↑ a b c d Wilhelm Peters: Naturwissenschaftliche Reise nach Mossambique, auf Befehl seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. in den Jahren 1842 bis 1848 ausgeführt. 1853.
- ↑ NHM: Echinothrix Peters, 1853, p. 484. Memento im Webarchiv (wikiwix.com); Memento im Webarchiv (archive.org) vom 3. Januar 2014; Memento im Webarchiv (archive.ph) vom 7. Februat 2014 (englisch).
- ↑ Simon Edward Coppard, Andrew C. Campbell: Taxonomic significance of test morphology in the echinoid genera Diadema Gray, 1825 and Echinothrix Peters, 1853 (Echinodermata). In: Zoosystema, Band 28, Nr. 1, März 2006, S. 93–112; ResearchGate:279892057, SemanticScholar:56294500, PDF (englisch).
- ↑ a b c Simon E. Coppard, Holly Jessop, Harilaos A. Lessios: Phylogeography, colouration, and cryptic speciation across the Indo-Pacific in the sea urchin genus Echinothrix. In: Scientific Reports! Band 11, Nr. 1, 18. August 2021, ISSN 2045-2322, S. 16568; doi:10.1038/s41598-021-95872-0 (englisch).
- ↑ a b Yin Cheong Aden Ip, Ywee Chieh Tay, Su Xuan Gan, Hui Ping Ang, Karenne Tun, Loke Ming Chou, Danwei Huang, Rudolf Meier: From marine park to future genomic observatory? Enhancing marine biodiversity assessments using a biocode approach. In: Biodiversity Data Journal, Band 7, Dezember 2019, S. e46833; doi:10.3897/BDJ.7.e46833, PMC 6917626 (freier Volltext), PMID 31866739 (englisch).
- ↑ Sylvain Le Bris, Vincent Maran: OURSIN À DOUBLES PIQUANTS – Echinothrix calamaris (Pallas, 1774). Auf: Données d'Observations pour la Reconnaissance et l'Identification de la faune et la flore Subaquatiques (DORIS) vom 27. Nove!nber 2010 (französisch).
- ↑ John P. Hoover: Hawaiian Sea Creatures. Mutual Publishing, Hawaii 2007, ISBN 978-1-56647-220-3 (englisch).
- ↑ a b NCBI Taxonomy Browser: Echinothrix, Details: Echinothrix Peters, 1853 (genus).
- ↑ a b Wilhelm Peters: Über die an der Küste von Mossambique beobachteten Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. In: Abhandlungen der preussischen Akademie der Wissenschaften, 1854, S. 101-119; BHL:29200414, OCLC 9639255, Epub 2010.
- ↑ a b Peter Simon Pallas: Spicilegia zoologica, quibus novae imprimis et obscurae animalium species iconibus, descriptionibus atque commentariis illustrantur cura P.S. Pallas. In: Fasciculus, Band 10, 1774, S. 1–41, 4 Tafeln; doi:10.5962/bhl.title.39832, BHL:27823183, OCLC 9589738, Epub 2010 (lateinisch).
- ↑ a b c
Lachan Roth, Gal Eviatar, Lisa-Maria Schmidt, Mai Bonomo, Tamar Feldstein-Farkash, Patrick Schubert, Maren Ziegler, Ali Al-Sawalmih, Ibrahim Souleiman Abdallah, Jean-Pascal Quod, Omri Bronstein: Mass mortality of diadematoid sea urchins in the Red Sea and Western Indian Ocean. In: Current Biology, Band 34, Nr. 12, S. 2693-2701.e4, 17. Juni 2024; doi:10.1016/j.cub.2024.04.057, Epub 23. Mai 2024 (englisch). Siehe insbes. Fig. 4.
Anm.: Die 2. bis 4. Zugriffsnummer (OP896853, OP896851 u. OP896850) beziehen sich auf die Stämme FWC2, FWC1, respektive USF152 von Hewson et al. (2023).
Dazu:- Continuing study: Tel Aviv University researchers identify the pathogen causing sea urchin mass mortalities in the Red Sea; The epidemic has spread to the Indian Ocean possess an eminent threat to coral reefs. From local epidemic to deadly global pandemic. Auf: EurekAlert! vom 23. Mai 2024.
- Mit Kadavern übersäte Strände: Parasit löst weltweites Massensterben bei Seeigeln aus. Auf: n-tv.de vom 24. Mai 2024.
- Studie: Massensterben von Seeigeln wird zu Pandemie. Auf: orf.at vom 24. Mai 2024.
- Korallenriffe: Seeigel-Sterben breitet sich aus. Auf: wissenschaft.de/natur.de vom 26. Mai 2024.
- ↑ Rotem Zirler, Lisa-Maria Schmidt, Lachan Roth, Maria Corsini-Foka, Konstantinos Kalaentzis, Gerasimos Kondylatos, Dimitris Mavrouleas, Emmanouil Bardanis, Omri Bronstein: Mass mortality of the invasive alien echinoid Diadema setosum (Echinoidea: Diadematidae) in the Mediterranean Sea. In: Royal Society Open Science, Band 10, Nr. 5, ISSN 2054-5703, Mai 2023, S. 230251; doi:10.1098/rsos.230251, PMC 10206462 (freier Volltext), PMID 37234498, ResearchGate:370984184, Epub 24. Mai 2023 (englisch). Dazu: Supplement doi:10.6084/m9.figshare.c.6653118.
- ↑ Ian Hewson, Isabella T. Ritchie, James S. Evans, Ashley Altera, Gabriel A. Delgado, Christina A. Kellogg, William C. Sharp, Matthew Souza, Mya Breitbart et al.: A scuticociliate causes mass mortality of Diadema antillarum in the Caribbean Sea. In: Science Advances, Band 9, Nr. 16, 19. April 2023; doi:10.1126/sciadv.adg3200 (englisch). Siehe insbes. Fig. 2.
- ↑ Stefanie Rossteuscher, Christian Wenker, Thomas Jermann, Thomas Wahli, Heike Schmidt-Posthaus: Chronische Scuticociliose in Fetzenfischen aus dem Basler Zoo. Auf: XI. Gemeinschaftstagung der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizer Sektion der European Association of Fish Pathologists (EAFP-Tagung), Murten, 11.–13. Oktober 2006, S. 182–188; 2006 murten.pdf Gesunde Fische überall (PDF).