Einheitsliste in der DDR

Kandidaten auf dem Stimmzettel für die Wahlen zu den Volksvertretungen der DDR

Als Einheitsliste in der DDR wurden die auf dem Stimmzettel für die Wahlen zu den Volksvertretungen der DDR (Volkskammer, Land- bzw. Bezirkstage, Kreistage und Gemeindevertretungen) aufgeführten Kandidaten (Wahlliste) bezeichnet.

Stimmzettel (Einheitsliste) für die Wahlen zur Volkskammer, zum Sächsischen Landtag und zur Stadtverordnetenversammlung Leipzig am 15. Oktober 1950

Die Listen wurden nach dem einer sozialistischen Demokratie entsprechenden Proporzsystem auf Vorschlag des Demokratischen Blocks von der Wahlkommission der Nationalen Front aufgestellt.[1] Sie enthielt die wählbaren Kandidaten, die den im Demokratischen Block vereinigten Blockparteien und Massenorganisationen, die nach den DDR-Verfassungen allein zur Einreichung von Wahlvorschlägen berechtigt waren, angehörten. Die Wahlhandlung bestand darin, die Liste in die Wahlurne einzuwerfen, ohne dass eine Auswahl unter den aufgeführten Bewerbern oder verschiedenen Parteien durch Ankreuzen oder auf andere Weise vorgesehen war.

Die Wahlberechtigten hatten zwar nach den Wahlgesetzen der DDR das Recht, auf dem Stimmzettel durch Streichung von Personen Veränderungen vorzunehmen. Dies wurde jedoch bei der Auszählung nur dann als ungültige Stimme gewertet, wenn alle Kandidaten einzeln oder durch ein Kreuz quer über den gesamten Stimmzettel gestrichen worden waren.[2]

Der auf Beschlüssen der SED beruhende „Wahlaufruf“ der Nationalen Front war jeweils das gemeinsame Wahlprogramm der Kandidaten. Die SED stellte formal nur ein Viertel der Abgeordneten, während auf die übrigen vier Parteien zusammen knapp die Hälfte der Sitze entfielen. Da aber unter den Abgeordneten der Massenorganisationen viele auch Mitglied der SED waren, konnten die anderen Parteien keine Mehrheiten organisieren. Die seit 1950 herrschenden Machtverhältnisse konnten durch diesen Abstimmungsmodus nicht mehr verändert werden.[3]

Die Einheitsliste erhielt zusammen mit den der SED angehörenden Vertretern der Massenorganisationen stets über 99 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 98 %.[4]

Die ideologische Vorstellung von einer Identität der Interessen der Bevölkerung und der Regierung machte es zwingend notwendig, dass das Wahlvolk dem Kurs der Regierung vollständig zustimmte.[5][6]

Freie Wahlen mit wechselnden Mehrheiten waren deshalb im politischen System der DDR nicht vorgesehen.

Literatur

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  • Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1955. ISBN 3-462-01463- 3.
  • Hans M. Kloth: Vom „Zettel falten“ zum freien Wählen: Die Demokratisierung der DDR 1989/90 und die „Wahlfrage“. Ch. Links Verlag, 2000. ISBN 978-3861532125.
  • Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. München, 5. überarbeitete Aufl. 2007. ISBN 978-3-406-47550-4.
  • Eckhard Jesse: Das „Parteiensystem“ der DDR. In: Oskar Niedermayer: Handbuch Parteienforschung. Springer, 2013, S. 711–737.
  • Hermann Weber: Die DDR 1945–1990. De Gruyter Oldenbourg, 5. Aufl. München, 2012.
  • Hedwig Richter: Die DDR. Stuttgart, 2009. ISBN 978-3-8252-3252-8.
  • Matthias Judt (Hrsg.): DDR-Geschichte in Dokumenten. Berichte, Beschlüsse, interne Materialien und Alltagszeugnisse. Ch. Links Verlag, 2013. ISBN 978-3-86284-273-5.

Einzelnachweise

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  1. Klaus Schubert, Martina Klein: Einheitsliste. In: Das Politlexikon, 7. Aufl. Bonn, 2020. Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 1. Juli 2024.
  2. Geheime Anweisung des Politbüros der SED zur Gültigkeit der Stimmzettel bei den Kommunalwahlen. 15. Juni 1957. In: Matthias Judt (Hrsg.): DDR-Geschichte in Dokumenten: Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse. Ch. Links Verlag, 2. Aufl. 1998, S. 67. google.books.
  3. Andreas Malycha: Geschichte der DDR: Der Ausbau des neuen Systems (1949 bis 1961). bpb, 30. Oktober 2011.
  4. Jan Karai: Wahltermine und amtliche Ergebnisse der Volkskammerwahlen. Volkskammerwahlen zwischen 1950 - 1986. Abgerufen am 25. Mai 2024.
  5. Hans M. Kloth: Vom „Zettel falten“ zum freien Wählen: Die Demokratisierung der DDR 1989/90 und die „Wahlfrage“. Ch. Links Verlag, 2000, S. 19.
  6. Blockparteien und Einheitslisten – Wahlen in der DDR. MDR, 22. September 2017.