Als Einsatzgruppen-Meldungen werden Berichte und Meldungen der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD bezeichnet, die von deren Kommandeuren zwischen 1941 und 1943 aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion an das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) abgegeben wurden. Im RSHA wurden die Meldungen redigiert und in regelmäßigen Abständen als Berichte innerhalb des RSHA und an hohe Amtsträger in NSDAP, Wehrmacht und Reichsregierung weitergegeben. Die Einsatzgruppen-Meldungen wurden zur juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen genutzt und bilden heute noch eine wichtige Quelle zur Erforschung von Holocaust und Kriegsverbrechen in der besetzten Sowjetunion.

Der sogenannte „Jäger-Bericht“ vom 1. Dezember 1941, S. 1 von 9.

Zuordnung

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Mit dem Begriff „Einsatzgruppen-Meldungen“ werden folgende Berichtsreihen und Dokumente bezeichnet:[1]

  • Ereignismeldungen UdSSR, von denen 195 zwischen Juni 1941 und April 1942 erfolgten. Bis auf eine Meldung blieben alle erhalten.[2]
  • Tätigkeits- und Lageberichte der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR, die im gleichen Zeitraum wie die Ereignismeldungen UdSSR abgegeben wurden, aber in längeren Zeitabständen. Diese Berichte haben eher summarischen Charakter und behandeln oft die gleichen Taten wie die Ereignismeldungen.[2]
  • Meldungen aus den besetzten Ostgebieten, welche die Ereignismeldungen UdSSR als regelmäßige Berichte ablösten. Diese Meldungen beinhalten im Vergleich zu den Ereignismeldungen UdSSR weniger direkte Aussagen zum Mord an den Juden, dafür mehr Details zur Partisanenbekämpfung.[2]
 
Anhang zum zweiten Bericht von Stahlecker an Heydrich vom 31. Januar 1942.

Diese Berichte wurden im Zeitraum von Juni 1941 bis Mai 1943 von den Stäben der Einsatzgruppen per Funk und Kurier nach Berlin an das RSHA gemeldet. Sie enthielten detaillierte Angaben zu den Zahlen ermordeter Juden und anderer Sowjetbürger, zu Tatorten und beteiligten Einheiten. Die Berichte unterlagen der Geheimhaltung, die meisten trugen den Vermerk „Geheime Reichssache“.[1] Sie wurden in zweistelliger Anzahl kopiert und dann in nummerierten Exemplaren weitergegeben. Der Verteiler umfasste Empfänger in Dienststellen des RSHA sowie in hohen Ämtern in NSDAP, Reichsregierung und Militär.[5] Selbst in den Einsatzgruppen war die Zahl der Personen mit Zugang zu diesen Berichten und deren Übertragung begrenzt, so hatten in der Einsatzgruppe D nur drei Offiziere und ein Funker Zugang zu den eigenen Meldungen.[6]

Fund und Überlieferung (nach 1945)

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Zerstörtes Gestapo-Hauptquartier (Juni 1949), Fundort der Einsatzgruppen-Meldungen

Die amerikanische Einheit 6889th BDC (Berlin Document Center) stellte in Berlin ab 1945 auf Befehl von General Lucius D. Clay Akten der Reichs- und NS-Behörden sicher. Hauptaufgabe war die Versorgung der Viermächteverwaltung mit benötigten administrativen Unterlagen. Der Fokus auf die Dokumentation und Verfolgung von NS-Verbrechen entwickelte sich erst sukzessive mit der Abgabe von Verwaltungsunterlagen an bizonale und dann deutsche Behörden. Die 6889th BDC bildete damit den Ursprung des Berlin Document Center.[7] Am 3. September 1945 stellte die 6889th BDC im vierten Stockwerk des Hauptquartiers der Gestapo in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße (heute Topographie des Terrors) zwei Tonnen an Unterlagen sicher. Die Unterlagen enthielten unter anderem 578 Aktenordner aus Beständen des RSHA und der Gestapo. In zwölf der Aktenordner (Nr. E316 und E325–E335) befand sich ein fast kompletter Satz der Ereignismeldungen UdSSR und der Meldungen aus den besetzten Ostgebieten.[1]

Diese Einsatzgruppen-Meldungen befanden sich von da an zwar im Besitz der Amerikaner, doch entdeckt wurden sie erst ein gutes Jahr später: Ende 1945 befanden sich an verschiedenen Orten der Document-Center-Einheiten in der amerikanischen Zone mehr als 1600 Tonnen Unterlagen, nach Schätzung von Benjamin Ferencz hatte allein das Berliner BDC acht bis neun Millionen sichergestellte Dokumente in Verwahrung. Die Sichtung der Akten schritt nur langsam voran. Daher waren dieser Teil der Einsatzgruppen-Meldungen der Anklage im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess noch nicht bekannt und dort kein Beweismittel.[8] Einige andere Einsatzgruppen-Meldungen waren von den Sowjets erbeutet worden und wurden schon im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher verwendet.[9]

Literatur

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  • Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. 4: United States of America vs. Otto Ohlendorf, et al. (Case 9: „Einsatzgruppen Case“). US Government Printing Office, District of Columbia 1950. (Band 4 der 15-bändigen „Green Series“ über die Nürnberger Nachfolgeprozesse. Der Band enthält u. a. Anklage, Urteil und Auszüge aus den Prozessunterlagen.)
  • Die Prozessunterlagen befinden sich in der National Archives and Records Administration (NARA); die für den Prozess relevanten Bestandsnummern (Record Group) sind 94, 153, 238, 260, 319, 338 und 446. Wesentliche Prozessunterlagen wurden in Form von drei Mikrofilm-Reihen veröffentlicht:
    • Records of the United States Nuernberg War Crimes Trials, United States of America v. Otto Ohlendorf et al. (Case 9). NARA, Washington 1973. (National Archives Microfilm Publication M895, 38 Rollen, Inhaltsverzeichnis und Findbuch vom Bearbeiter John Mendelsohn, Washington 1978.)
  • Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial, 1945–1958: Atrocity, Law, and History. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-45608-1. (Rezension auf H-Soz-u-Kult.)
  • Ronald Headland: Messages of murder: a Study of the Reports of the Einsatzgruppen of the Security Police and the Security Service, 1941–1943. 2. Auflage. Fairleigh Dickinson University Press, Rutherford (NJ) 2000, ISBN 0-8386-3418-4.
  • Peter Klein (Hrsg.): Die Einsatztruppen in der besetzten Sowjetunion 1941/42. Edition Hentrich, Berlin 1997, ISBN 3-89468-200-0. (Band 6 der Publikationen der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz.)

Einzelnachweise

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  1. a b c Ronald Headland: Messages of Murder, 2. Auflage. Fairleigh Dickinson University Press, Rutherford (NJ) 2000, S. 12–15.
  2. a b c Ronald Headland: Messages of Murder, 2. Auflage. Fairleigh Dickinson University Press, Rutherford (NJ) 2000, S. 13.
  3. Walter Stahlecker: Einsatzgruppe A – Gesamtbericht zum 15. Oktober 1941. (PDF abgerufen in Library of Congress) In: Vol. XXXVII, S. 677 ff. Trial of the Major War Criminals before The International Military Tribunal, Nuremberg, 14 November – 1 October 1946, 1949, abgerufen am 19. Mai 2020.(Exzerpt (Memento vom 17. Juni 2007 im Internet Archive) auf Englisch auf der Website der University of the West of England in Bristol.)
    Zweiter Bericht von Franz Stahlecker über die Aktionen der Einsatzgruppe A für die Zeit vom 16. Oktober 1941 bis 31. Januar 1942, als Dok. 2273-PS abgedruckt in IMT: Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher... fotomech. Nachdruck München 1989, Bd. 30, ISBN 3-7735-2523-0, S. 77.
  4. Karl Jäger Führer des Einsatzkommandos 3, an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD vom 1. Dezember 1941, über die im Bereich des EK 3 bis zum 1. Dezember 1941 „durchgeführten Exekutionen“, (Jäger-Bericht (Memento des Originals vom 19. Februar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.holocaust-history.org als Scan und als Transkription.)
  5. Ronald Headland: Messages of Murder, 2. Auflage. Fairleigh Dickinson University Press, Rutherford (NJ) 2000, S. 46–47.
  6. Laut Aussage von Heinz Schubert hatten in der Einsatzgruppe D nur deren Kommandeur Otto Ohlendorf, dessen Stellvertreter Seibert und der Funker Fritsch Zugang zu den eigenen Einsatzgruppen-Funkmeldungen. Schubert selber, Adjutant von Ohlendorf, erhielt die Meldungen zur Ablage, wobei die Zahl der Opfer in den Berichten ausgelassen wurde. Diese Zahlen wurden vor dem Kurierversand von Ohlendorf oder Seibert handschriftlich eingefügt.
    Records of the United States Nuremberg War Crimes Trials, Vol. 4. US Government Printing Office, District of Columbia 1950, S. 98 Verhör Schubert.
  7. Astrid M. Eckert: Kampf um die Akten: die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg. Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-08554-8, S. 68–69.
  8. Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial. Cambridge 2009, S. 75–79.
  9. IMT: Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher..., fotomech. Nachdruck München 1989, Bd. XX, S. 228 / Bd. XXXIII, S. 287–296.