Eintopfsonntag

Propagandaaktion der NS-Regierung

Als Eintopfsonntag wurde in Deutschland ab dem 1. Oktober 1933 eine Propagandaaktion durch das NS-Regime als ein Zeichen der Solidarisierung mit der Volksgemeinschaft eingeführt. Zudem konnte dadurch die sogenannte Fettlücke, die nur durch devisenträchtige Importe ausgeglichen werden konnte, zumindest marginal reduziert werden.

Öffentliches Eintopfessen zu Gunsten des Winterhilfswerks in Worms 1938 (Deutsches Bundesarchiv)

Durchführung

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Allgemein

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Quittung über die Eintopfspende 1933

Von Oktober bis März sollte einmal im Monat in allen deutschen Haushalten nur Eintopf gegessen werden. Die Differenz zwischen den Kosten für das sonst übliche Sonntagsessen und dem für Eintopf nötigen Aufwand, „von oben“ generell mit 50 Pfennig veranschlagt, wurde von den von Tür zu Tür gehenden Blockwarten der NSDAP kassiert und kam dem kurz zuvor gegründeten Winterhilfswerk zugute. Die Einsparungen waren angeblich oft größer als 50 Pfennig, wie z. B. bei einem Rezept eines 4-Personen-Eintopfgerichts für 1,18 RM aus dem Jahr 1933.[1]

In den Zeitungen wurden wiederholt Eintopfrezepte als Vorschläge veröffentlicht; es erschien auch ein Eintopf-Kochbuch von Erna Horn. Unter anderem Adolf Hitler und Joseph Goebbels benutzten das öffentliche Eintopfessen als Propagandamittel.

„Der Eintopfsonntag soll nicht nur materiell [durch die Spende], sondern auch ideell dem Gedanken der Volksgemeinschaft dienen. Es genügt nicht, daß jemand zwar eine Eintopfspende gibt, aber seine gewohnte Sonntagsmahlzeit verzehrt. Das ganze deutsche Volk soll bei diesem Eintopfsonntag bewußt opfern, […] um bedürftigen Volksgenossen zu helfen.“[2]

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bezeichnung „Eintopfsonntag“ abgeschafft. Stattdessen wurde der Begriff „Opfersonntag“ eingeführt, der allein dem Winterhilfswerk vorbehalten war.[3]

 
Taschenkalender Zeitweiser 1941

Im „Skagerrak-Kalender 1941“ (Redaktionsschluss im Verlauf des Jahres 1940) sind die Opfersonntage noch als „Eintopfsonntag“ eingetragen – und zwar am jeweils zweiten Sonntag der Monate Januar bis März und Oktober bis Dezember.

Beispiel Hamburg

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In Hamburg spendeten zum Beispiel am 4. Februar 1934 rund 65 Prozent aller Haushalte (nämlich 231.616 von 354.500), was eine Summe von 104.200 Reichsmark ergab.[4] Durch die Eintopfsonntage wurden auf diese Weise im Winter 1935/36 über 31 Millionen Reichsmark zusammengetragen;[5] diese Summe entsprach in der Höhe etwa dem Ertrag, der durch die (parallelen) Straßensammlungen des Winterhilfswerks erzielt wurde.[6] Man sprach vom „deutschen Sozialismus der Tat“.

Beispiel Kassel

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Die Kasseler Post schrieb 1934 im Oktober: „Im Namen des Winterhilfswerks des deutschen Volkes 1934/35 sind folgende Sonntage als Eintopfgerichtsonntage bestimmt worden: 14. Oktober, 18. November, 16. Dezember, 13. Januar ’35, 17. Februar, 17. März. Für den 14. Oktober sind lediglich folgende drei Eintopfgerichte zugelassen: 1. Löffelerbsen mit Einlage; 2. Nudelsuppe mit Rindfleisch; 3. Gemüsetopf mit Fleischeinlage (zusammengekocht). Zu Löffelerbsen ‚Einlage‘ entweder Wurst, Schweineohr oder Pökelfleisch. Für die folgenden Eintopfsonntage werden entsprechende Gerichte jeweils festgelegt. Sämtliche Gaststättenbetriebe sind eingeteilt in drei Klassen, welche die Gerichte zu 0,70 RM, 1 RM bzw. 2 RM verabreichen. Die Gäste erhalten für den an das Winterhilfswerk abgeführten Betrag eine Quittung aus einem numerierten Quittungsblock.“[7]

Deutungen

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Norbert Frei stellt heraus, dass die „regelmäßigen Einfachessen“ zwar auch die volkswirtschaftlichen Ressourcen etwas schonten, weitaus wichtiger sei jedoch ihr „sozialpsychologischer Zweck“ für das Regime gewesen: Der Eintopfsonntag war ein „Paradestück nationalsozialistischer ‚Volkserziehung‘“ und suggerierte eine kollektive Opferbereitschaft. Die Botschaft lautete: Die Volksgemeinschaft existiert und alle machen mit.[8]

Literatur

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  • Stichwort Eintopfsonntag. In: Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Walter de Gruyter, Berlin 1998, S. 173f.
  • Daniela Rüther, Hitlers "Eintopfsonntag". Eine Legende. Duncker & Humblot, Berlin 2021, ISBN 978-3-428-18056-1.
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Einzelnachweise

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  1. Hans-Jörg Wohlfromm, Gisela Wohlfromm: „Und morgen gibt es Hitlerwetter!“ Alltägliches und Kurioses aus dem Dritten Reich. Anaconda Verlag, Köln 2017, S. 31.
  2. Meyers Lexikon. 1937, S. 528.
  3. Herwart Vorländer: Die NSV. Darstellung und Dokumentation einer nationalsozialistischen Organisation. Boppard am Rhein 1988, ISBN 3-7646-1874-4, S. 396.
  4. Peter Zolling: Zwischen Integration und Segregation – Sozialpolitik im „Dritten Reich“ am Beispiel der NSV in Hamburg. (Diss.) Frankfurt/M. 1986, ISBN 3-8204-8530-9, S. 180.
  5. LeMo: Eintopfsonntag.
  6. Winterhilfswerk des Deutschen Volkes 1937/38: Rechenschaftsbericht . Hrsg. vom Reichsbeauftragten für das WHW.
  7. HNA Regiowiki: Die Volksgemeinschaft ißt Erbseneintopf (Memento vom 11. Mai 2021 im Internet Archive)
  8. Norbert Frei: Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945. München 2013, ISBN 978-3-406-64449-8, S. 112.