Erich Schairer

deutscher Journalist und Publizist

Erich Schairer (* 21. Oktober 1887 in Hemmingen bei Stuttgart; † 3. August 1956 in Schorndorf) war ein deutscher Journalist und Publizist.

Erich Schairer als Jugendlicher
Erich Schairer mit seiner Schwester Thusnelde und seinen Eltern, um 1900
Erich Schairer als Student in Tübingen im Jahr 1906. Fux Schairer [TRv]! s/l (seinem lieben) Bauer [TRv]! z fr Erg. (zur freundlichen Erinnerung) S.S. 1906.“

Schairer war der Sohn des Gymnasiallehrers Georg Adam Schairer (1860–1927) und der Lehrerin Emilie Schairer, geb. Herrigel (1850–1927). Der Vater war im Nebenberuf Herausgeber einer landwirtschaftlichen Beilage der Eßlinger Zeitung, die Mutter fungierte im selben Blatt als „Briefkastentante“. Wohl aus diesem Grund konnte ihr neunjähriger Sohn einen Schulaufsatz in der Zeitung veröffentlichen.[1]

Erich Schairer besuchte zunächst die Elementarschule und das Gymnasium in Esslingen am Neckar, ab 1903 als Internatsschüler das Seminar Blaubeuren, dann als Student der Philosophie und Theologie das Stift in Tübingen. Während seines Studiums wurde Schairer 1905 Mitglied der Tübinger Königsgesellschaft Roigel. Von 1909 an war er Vikar in Untertürkheim, Altensteig, Öhringen, Schwaikheim und Sulzbach an der Murr. In seiner Zeit als Theologe lernte er den Theologen und Philosophen Christoph Schrempf kennen, der Schairer zum Entschluss brachte, seine theologische Laufbahn innerhalb der württembergischen Landeskirche 1911 freiwillig zu beenden.

Zu Beginn des Jahres 1912 wurde Schairer Privatsekretär bei Wilhelm Ohr in München. Danach kam er als Redakteur zum Reutlinger Generalanzeiger, bevor er – als Nachfolger von Theodor Heuss – Privatsekretär Friedrich Naumanns (1912–1914) wurde. Nebenbei promovierte er 1913 über Friedrich Christian Daniel Schubart als politischer Journalist. Nach der Zeit bei Naumann war Schairer im Oktober 1914 kurzzeitig Redakteur bei der Neuen Hamburger Zeitung, bevor er Privatsekretär von Ernst Jäckh in Berlin wurde, für dessen Deutsch-Türkische Vereinigung er auch bis 1917 die Geschäfte führte.

Im Jahr 1918 wurde Schairer – als Nachfolger von Jäckh und Heuss – Chefredakteur der bürgerlich-liberalen Heilbronner Neckar-Zeitung. Nach einem Streit mit dem Verleger Viktor Kraemer um eine zensierte Glosse Schairers[2] gründete er im Januar 1920 seine eigene Wochenzeitung, die linkssozialistische Heilbronner Sonntags-Zeitung, die unabhängig und anzeigenfrei war. Sein Credo lautete: „kämpft gegen Kirchentum, Kapitalismus, Krieg und Gewaltherrschaft, für Geistesfreiheit, Gemeinwirtschaft, Gerechtigkeit und Frieden.“ Das Blatt entwickelte sich zu einem der „bedeutendsten Wochenblätter in Deutschland“.[2] 1922 trat Schairer nach einem Streit mit der Aktivitas aus dem Roigel aus. Der Grund hierfür war die wiederholte Kritik Schairers an reaktionären Tendenzen in der deutschen Studentenschaft gewesen.[3]

Schairer verlegte die Redaktion und damit das Erscheinen der Sonntags-Zeitung im Juli 1925 von der Heilbronner Lerchenstraße 31 nach Stuttgart in die Lange Straße 18. Mit seiner Familie zog er in den Esslinger Stadtteil Sulzgries. 1931 trat er zeitweilig von der Herausgabe der Zeitung zurück und verdingte sich als freier Schriftsteller, übernahm 1932 jedoch wieder die Herausgeberschaft.

1933 geriet Schairer in Konflikt mit den nationalsozialistischen Machthabern, deren Emporkommen er lange Jahre vorausgesehen und bekämpft hatte. Unter Schwierigkeiten konnte die Sonntags-Zeitung noch eine Weile weitergeführt werden, jedoch sahen sich Schairer und seine Mitarbeiter Repressionen ausgesetzt. Die Zeitung wurde im März 1933 vorübergehend verboten, das Verbot im April 1933 unter Auflagen dann jedoch wieder aufgehoben. Im August 1934 wurde er von dem Schriftsteller und Journalisten Paul Gloning (1876–1951) abgelöst, wenngleich Schairer weiterhin im bisherigen Umfang an der Zeitung mitarbeitete. Gloning gehörte der NSDAP an und war Schairer aufgezwungen worden.[4] 1936 wurde Gloning auch das Verlagsrecht übertragen.[5]

Anfang 1937 erhielt Schairer Berufs- und Schreibverbot und wurde schließlich von der nationalsozialistischen Presseorganisation zum Verkauf seiner Sonntags-Zeitung an einen nationalsozialistischen Strohmann gezwungen. So erhielt Richard Breitling aus Aalen Verlag, Verlagsrecht und das Inventar.[6] Im Herbst 1937 übersiedelte Schairer mit seiner Familie von Esslingen nach Lindau und versuchte, sich als Weinvertreter durchzuschlagen (wobei er die Kontakte zu seinen früheren Abonnenten zu nutzen wusste). Seine Frau Helene (1889–1981) betrieb im gemieteten Haus eine Pension. 1943 wurde Schairer als Reichsbahngehilfe verpflichtet.

Nach Kriegsende wurde Schairer im Januar 1946 Chefredakteur beim Schwäbischen Tagblatt in Tübingen, im September 1946 Mitherausgeber der Stuttgarter Zeitung. Besondere Verdienste erwarb sich Schairer um die Erhaltung des Cotta-Archivs[7] für die Öffentlichkeit, indem er es zunächst für die Stuttgarter Zeitung erwarb, um es später dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar zu überlassen.

Schairer trat am 1. Januar 1955 von seiner Tätigkeit als Mitherausgeber der Stuttgarter Zeitung zurück und verstarb am 3. August 1956 im Schorndorfer Kreiskrankenhaus.

  • Das Wahlrecht. Ein Überblick von E. Sch. Sonderdruck aus dem Reutlinger General-Anzeiger Nr. 90–97 des Jahrgangs 1912. Reutlingen: Oertel & Spörer o. J. [1912?]
  • Christian Friedrich Daniel Schubart als politischer Journalist. Tübingen: Mohr 1914 und Stuttgart: Privatdruck 1984 (Reprint)
  • Rathenau-Brevier. Hrsg. E. Sch. Jena: Diederichs 1918 (=Deutsche Gemeinwirtschaft. Schriftenreihe. Hg. E. Schairer, Heft 5)
  • Sozialisierung der Presse. Jena: Diederichs 1919 (=Deutsche Gemeinwirtschaft. Schriftenreihe. Hrsg. E. Schairer, Heft 12)
  • Hängen oder Köpfen? Kulturgrotesken von Adam Heller (d. i. E.Sch.). Heilbronn: Verlag der „Sonntags-Zeitung“ o. J. [um 1924]
  • Warum ich nicht Pfarrer blieb. Stuttgart: Verlag der „Sonntags-Zeitung“ o. J.
  • Mit andern Augen. Jahrbuch der „Sonntags-Zeitung“ 1920–1929. Stuttgart: Verlag der „Sonntags-Zeitung“ 1929
  • Gottlosigkeit. Stuttgart: Verlag der „Sonntags-Zeitung“ 1932
  • Fünf Minuten Deutsch. Ein sprachliches Sündenregister. Stuttgart: Turmhaus-Druckerei 1951
  • Sebastian Blau / Erich Schairer (Hrsg.), Des Leib- und Seelenarztes Dr. Owlglass Rezeptbuch. Gereimtes und Erzähltes. München: Nymphenburger Verlagshandlung 1955
  • Fünf Dutzend oder ein volles Schock Doppel-Schüttelreime nicht ohne Mühe gedichtet, mit den notwendigen Überschriften versehen, etwas geordnet und zu Fastnacht 1941 seinem Freunde Dr. Owlglass ehrerbietig und dankbar gewidmet von Erich Schairer Doktor der Philosophie und der freien Künste Magister. Illustrationen von Eberhard Schairer zum 80. Geburtstag Erich Schairers am 21. Oktober 1967. Stuttgart: Turmhaus-Druckerei 1967

Literatur

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  • Reinhard Appel: Erinnerungen an Erich Schairer. In: Stuttgarter Zeitung, 21. Oktober 1967
  • Otto Borst: Eine Kraft für sich. Zu einer Monographie über Erich Schairer. In: Stuttgarter Zeitung, 19./20. Dezember 1981
  • Manfred Bosch (Hrsg.): Mit der Setzmaschine in die Opposition. Auswahl aus Erich Schairers Sonntags-Zeitung 1920–1933. 1989
  • Manfred Bosch, Agathe Kunze (Hrsg.): Bin Journalist, nichts weiter. Ein Leben in Briefen. Silberburg-Verlag, Tübingen 2002
  • Manfred Bosch: Erich Schairer (1887–1956) – als Journalist „tapfer mit Feder und Geist“. In: Angela Borgstedt u. a. (Hrsg.): Mut bewiesen. Widerstandsbiographien aus dem Südwesten, Stuttgart 2017 (Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs; 46), S. 389–398 ISBN 978-3-945414-37-8.
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band II: Künstler. Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6813-5, S. 599–600.
  • Hans Ulrich Eberle (Hrsg.): Erich Schairer 1887-1956. Leben und Welt des Publizisten. Dokumentation zur Ausstellung in der Stadtbücherei Heilbronn 2.-31. Oktober 1987, Heilbronn 1988 (Digitalisat)
  • Kurt KoszykSchairer, Erich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 546 f. (Digitalisat).
  • Agathe Kunze: Erich Schairer zum Gedächtnis. Aus seinen Schriften – Würdigungen – Erinnerungen. Stuttgart 1967
  • Ulrich Maier: Demokratie braucht kritischen Journalismus. Erich Schairers Sonntags-Zeitung. In: Schwäbische Heimat. Bd. 74 (2023), Heft 1, S. 65–69.
  • Ludwig Rohner: Dissident aus Schwaben. In: Die Zeit, 25. März 1983.
  • Will Schaber: Der Gratgänger. Welt und Werk Erich Schairers (1887–1956), München 1981. (Digitalisat)
  • Will Schaber: Erich Schairer. Ders.: Sonntagszeitung. Beides in: H. Donat, K. Holl: Die Friedensbewegung. 1983, S. 332 f. u. 361 ff.
  • Richard Schmid: Aufgepaßt, ohne Stelzen. Leben und Werk Erich Schairers. In: Stuttgarter Zeitung, 19. Mai 1982. (Digitalisat bei YUMPU)
  • Andrea Weil: Der öffentlichen Meinung entgegentreten. Erich Schairers publizistische Opposition gegen die Nationalsozialisten 1930–1937. Lit-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-8258-0863-1.
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Einzelnachweise

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  1. Will Schaber: Der Gratgänger. Welt und Werk Erich Schairers (1887–1956), München 1981, S. 17
  2. a b Uwe Jacobi: Heilbronner Pressegeschichte. In: Gerhard Schwinghammer (Hrsg.): Heilbronn und Hans Franke. Publizist, Dichter und Kritiker 1893–1964. Verlag Heilbronner Stimme, Heilbronn 1989, ISBN 3-921923-06-9 (Heilbronner Stimme / Buchreihe, 3), S. 22 – S. 26, dazu S. 24.
  3. vgl. z. B. "Mit Mütze und Schläger" Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 21. Mai 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.erich-schairer.de
  4. Bernd Sösemann: Journalistischer Kampf gegen den Nationalsozialismus im deutschen Untergrund und französischen Exil. In: Bernd Sösemann (Hrsg.): Fritz Eberhard. Rückblicke auf Biographie und Werk, Stuttgart 2001, S. 132.
  5. Zeitschrift für Deutschlands Druckgewerbe, 1936, S. 629.
  6. Datenbank HEUSS Stadtarchiv Heilbronn
  7. Cotta-Archiv Marbach