Eine exakte (oder vollständige) Differentialgleichung ist eine gewöhnliche Differentialgleichung der Form

,

bei der es eine stetig differenzierbare Funktion gibt, so dass gilt

  und   .

Eine solche Funktion heißt dann Potentialfunktion des Vektorfelds .

Einführung

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Die Differentialgleichung   wird durch die Trennung der Variablen gerne in der Darstellung

 

angegeben. Der Vorteil dieser Darstellung liegt darin begründet, dass die linke Seite der Differentialgleichung – also   – als Bestandteil eines totalen Differentials aufgefasst werden kann, mit

 .

Hierbei übernimmt die Funktion   die Bedeutung eines Skalarpotentials mit der Bedingung   sowie  . Demnach muss es ein Vektorfeld geben, welches aus dem Gradienten des Skalarpotentials gebildet werden kann, also

 .

Sind   und   stetig partiell differenzierbar und ist der Definitionsbereich von   und   ein einfach zusammenhängendes Gebiet  , so gibt es genau dann ein Skalarpotential  , wenn die sogenannte Integrabilitätsbedingung

 

erfüllt ist. Denn für die zweifach stetig partiell differenzierbare Funktion   gilt nach dem Satz von Schwarz:

 .

Die Integrabilitätsbedingung kann auch so interpretiert werden, dass die Rotation des Vektorfeldes   auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet verschwinden muss: Wenn das der Fall ist, dann existiert ein Skalarpotential  .

Wird andererseits die rechte Seite der Differentialgleichung   mit dem totalen Differential der Funktion   verknüpft, so ergibt sich eine Pfaffsche Form in der Darstellung   und nach einer beidseitigen Integration der Gleichung folgt

 .

Somit wird anschaulich, dass es eine Konstante   geben muss, die für alle   die Funktion   erfüllt. Die Lösung   ist daher die Anfangsbedingung der Differentialgleichung und stellt eine Äquipotentiallinie dar.

  wird im Zusammenhang mit der exakten Differentialgleichung auch als Erstes Integral bezeichnet.

Definition

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In einem einfach zusammenhängenden Gebiet   ist eine exakte Differentialgleichung gegeben durch

 

wenn folgende Voraussetzungen gelten:

  • Die Funktionen   sind stetig partiell differenzierbar.
  • Die Integrabilitätsbedingung   ist erfüllt.
  • Es existiert ein zweifach stetig partiell differenzierbares Skalarpotential  , so dass   sowie   gilt.
  • Es ist ein Anfangswert   vorgegeben.

Lösungsmethode

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Um die exakte Differentialgleichung zu lösen, ist es erforderlich, das Skalarpotential   wie folgt zu ermitteln:

  • Integrabilitätsbedingung: Die Differentialgleichung ist exakt, wenn die Integrabilitätsbedingung
 
erfüllt ist. Falls dies nicht der Fall ist, kann die Differentialgleichung eventuell mittels eines integrierenden Faktors gelöst werden.
  • Erstes Integral: Wenn eine exakte Differentialgleichung vorliegt, wird mittels Integration aus der Beziehung
 
das Skalarpotential zu
 
bestimmt. Dabei ist   eine von   unabhängige Integrationskonstante, die jedoch bzgl.   variabel ist. Insofern ist das Skalarpotential bis auf eine unbekannte Funktion   bestimmt. Um nun die noch unbekannte Funktion   zu ermitteln, wird die Integrabilitätsbedingung in der Integraldarstellung genutzt. Durch Integration von
 
erhält man
 
wobei die rechte Seite der Gleichung   liefert. Nach Umformen folgt
 
Durch nochmalige Integration ergibt sich
 
und somit lautet eine Lösung des gesuchten Skalarpotentials
 
Die Stammfunktion   wird auch als Erstes Integral der exakten Differentialgleichung bezeichnet.
  • Anfangsbedingung: Bei allen zuvor durchgeführten Integrationen blieb die Integrationskonstante unberücksichtigt, da diese aus dem Anfangswert berechnet wird. Da neben der exakten Differentialgleichung für die Lösung ein Anfangswert nötig ist, kann nun mit   das Skalarpotential   ermittelt werden.
  • Ohne Anfangswert: Ist der Anfangswert   nicht bekannt, so ergibt die Differentialgleichung   die Lösung  . Diese Anfangsbedingung liefert dann, eingesetzt in das Erste Integral, die gewünschte Lösung der exakten Differentialgleichung
 
  • Mit Anfangswert: Ist ein Anfangswert   vorgegeben, so muss die Gleichung   erfüllt sein. Dieser Anfangswert liefert dann, eingesetzt in das Erste Integral, die gewünschte Lösung der exakten Differentialgleichung
 
  • einfach zusammenhängendes Gebiet: Schlussendlich ist zu prüfen, ob die Lösung ein einfach zusammenhängendes Gebiet abdeckt. Falls dies nicht der Fall ist, muss geprüft werden, ob durch geeignete Restriktionen die Lösung auf ein einfach zusammenhängendes Gebiet reduziert werden kann.
Beispiel
 
Lemniskate von Gerono: Lösungsmenge von  

Es soll die exakte Differentialgleichung der Lemniskate von Gerono berechnet werden. Es wird also die Differentialgleichung

 

mit dem Anfangswert   betrachtet. Demnach ist

 

und die Integrabilitätsbedingung ergibt

 .

Die Differentialgleichung ist also exakt und das Erste Integral kann sofort bestimmt werden. Dazu wird zunächst   berechnet

 

Somit ist   und das zweite Integral verschwindet, da der Integrand nicht von   abhängig ist. Die Integrationskonstanten werden, wie zuvor ausgeführt, nicht berücksichtigt. Unter dieser Voraussetzung lässt sich das Erste Integral bestimmen zu

 

Mit   und dem Anfangswert   ergibt sich als Lösung der impliziten Kurve

 .

Integrierende Faktoren

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Für eine gewöhnliche Differentialgleichung der Form  , welche die Integrabilitätsbedingung   nicht erfüllt, gibt es (unter gewissen Regularitätsbedingungen) stets eine nullstellenfreie stetig differenzierbare Funktion   derart, dass

 

eine exakte Differentialgleichung wird. In diesem Fall wird   als integrierender Faktor oder eulerscher Multiplikator bezeichnet. Da   nach Definition niemals Null wird, hat die exakte Differentialgleichung dieselben Lösungen wie vor der Multiplikation mit   Dabei ist   genau dann ein integrierender Faktor, wenn die Integrabilitätsbedingung in der Darstellung

 

erfüllt wird.

Es ist normalerweise schwierig, diese partielle Differentialgleichung allgemein zu lösen. Da man aber nur eine spezielle Lösung   benötigt, wird man versuchen, mit speziellen Ansätzen für   eine Lösung zu finden. Solche Ansätze könnten beispielsweise lauten:

 .

Für eine exakte Differentialform mit Potential   ist jede nullstellenfreie Funktion F( ) des Potentials ein integrierender Faktor. Wenn man für eine nicht-exakte Differentialform einen integrierenden Faktor   gefunden hat, und damit ein Potential, dann ist auch F( )  ebenfalls ein integrierender Faktor.

Integrierender Faktor µ(x) und µ(y)

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Ein einfaches Beispiel für einen integrierenden Faktor   ist dann gegeben, wenn dieser nur von einer Variablen   oder   abhängt.[1]

Zunächst wird der Fall betrachtet, bei dem der integrierende Faktor nur von   abhängig ist und infolge dessen   ist. Unter dieser Voraussetzung ergibt die Integrabilitätsbedingung

 

im Zusammenhang mit der Produktregel folgende Darstellung

 

und nach Umformen folgt

 

was sich auch schreiben lässt als

 

Die Kettenregel für die logarithmische Ableitung liefert schließlich

 

Beidseitige Integration dieser Gleichung ergibt unter Auslassung der Integrationskonstanten

 

oder

 

Demnach ist der integrierende Faktor   nur von   abhängig, wenn folgender Ausdruck nur eine Funktion von   ist:

 

Auf die gleiche Weise lässt sich zeigen, dass der integrierende Faktor   nur von   abhängt, wenn

 

nur eine  -Abhängigkeit hat und der integrierende Faktor lautet dann

 
Beispiel

Ausgehend von der Differentialgleichung

 

mit

 

und

 

wird erkennbar, dass die Integrabilitätsbedingung nicht erfüllt ist. Da   nur von   abhängt, ist es sinnvoll den integrierenden Faktor so zu wählen, dass   nur von   abhängig ist und somit

 

Also lautet der integrierende Faktor

 

Integrierender Faktor μ(x+y)

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Hängt   von   ab, so lautet der integrierende Faktor

 
Beweis

Es ist

 

und auf die gleiche Weise ergibt sich

 

Wird nun die Integrabilitätsbedingung in die Darstellung   gebracht, so folgt

 
 

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Vieweg+Teubner 2009 (6. Auflage), Seite 100–102, ISBN 978-3-8348-0705-2