Exuperantius

mit Felix und Regula der dritte Zürcher Schutzpatron, ein Heiliger und Märtyrer der Römisch-katholischen Kirche

Exuperantius (* unbekannt; † nach 302 in Zürich; auch Exsuperantius, Exuperius, Exsuperius, im Volksmund Häxebränz genannt)[2] ist mit Felix und Regula der dritte Zürcher Schutzpatron, ein Heiliger und Märtyrer der römisch-katholischen Kirche.

Exuperantius, reformierte Kirche in Elgg
Fresco der drei Stadtheiligen in der reformierten Kirche in Pfäffikon
Die heute übliche Siegelform geht zurück auf das seit 1348 verwendete sogenannte Sekretsiegel des Rates von Zürich. Umschrift: SECRETVM CIVIVM THVRICENSIVM.[1]
Die ältesten Stadtsiegel Zürichs, beide aus dem Jahr 1225. Auf dem einen Siegel sind drei, auf dem anderen nur zwei Schutzheilige dargestellt.
Martyrium von Exuperantius, Felix und Regula, Moderne Reliefs in der katholischen Kirche Felix und Regula in Zürich-Hard (1950).

Der Gedenktag dieser drei Märtyrer ist der 11. September.[3] Alle drei Heiligen gehören zur Gruppe der Cephalophoren („Kopfträger“).

Exuperantius fehlt in der frühmittelalterlichen Legende von Felix und Regula. Seine Verehrung als dritter Schutzpatron wird ab dem 13. Jahrhundert fassbar.

Exuperantius soll der Diener von Felix und Regula gewesen sein, wie sie ein Angehöriger der legendären Thebäischen Legion, und während der Christenverfolgungen in der Amtszeit von Kaiser Diokletian als Märtyrer getötet worden sein. Nach seinem Märtyrertod soll Exuperantius, Felix und Regula vorausgehend, seinen Kopf 40 Ellen das Ufer der Limmat hinaufgetragen, sich niedergekniet und schließlich zur Ruhe gelegt haben. An diesem Ort sollen die drei Stadtheiligen bestattet und im 9. Jahrhundert das ihnen geweihte Grossmünster der Stadt Zürich erbaut worden sein.[4]

Über dem Hinrichtungsstein auf einer kleinen Insel in der Limmat, Ort ihres Martyriums und der Enthauptungen, wurde die Wasserkirche errichtet. Das Umfeld der mittelalterlichen Grabstelle und des vermeintlichen Hinrichtungssteins in der Krypta der Wasserkirche datiert ins 11. Jahrhundert.[5]

Historische Deutung

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Die schriftliche Überlieferung der Legende von Felix und Regula beginnt am Ende des 8. Jahrhunderts (Codex 225, Stiftsbibliothek St. Gallen).[6] Diese frühkarolingische Überlieferung nennt mehrere «Gefährten» der beiden Heiligen, ohne explizite Erwähnung eines Dieners. Die erste urkundliche Erwähnung des Exuperantius datiert auf den 21. Januar 1257, als die Wasserkirche anlässlich ihrer Inkorporation in das Grossmünsterstift als Martyriumsstätte von Felix, Regula und Exuperantius erwähnt wird.[7]

Johannes Stumpf in seiner Schweizer Chronik von 1547/48 behauptet, Exuperantius sei seit dem 13. Jahrhundert eine im Volk beliebte Heiligenfigur gewesen. Das für Glaubensfragen in Zürich massgebliche Grossmünster soll sich aber gegen diesen unrechtmässigen Heiligen verwahrt haben, bis ihm 1264 ein Bürger seine Ländereien unter der Bedingung vermachte, dass Exuperantius von nun an auch in die Liturgie aufgenommen werde.[8]

In der Legende von Felix und Regula werden die beiden Heiligen von Decius gefragt, ob sie nicht etwa Gefährten der im Wallis hingerichteten Mauritius, Exuperius, Victor und Candidus seien. Exuperius und Exuperantius sind zwei Varianten desselben Namens, und es wurde vermutet, dass Exuperantius im Ursprung mit dem Exuperius von Agaunum identisch sei, dessen Martyrium damit einfach aus dem Wallis nach Zürich verlegt worden wäre.[9]

Bereits das erste bekannte Stadtsiegel von 1225, das nur fragmentarisch erhalten ist, stellt drei Heiligenfiguren dar. Ein zweites, besser belegtes Siegel, das ebenfalls 1225 verwendet wurde, zeigt nur Felix und Regula. Auch weitere drei Stadtsiegel, die im 13. und frühen 14. Jahrhundert verwendet wurden, zeigten nur die zwei Stadtpatrone. Erst mit der Einführung des sechsten Siegels 1347/8, also bereits nach der Zunftrevolution von 1336, wurde Exuperantius wieder eingeführt. Spätere Siegel lehnten sich stets an das Vorbild von 1348 an.[10]

Das Schwanken zwischen zwei und drei Stadtheiligen im Zürich des 13. und 14. Jh. wurde dahingehend gedeutet, dass Exuperantius ein bürgerlich-volkstümlicher Heiliger war, der von der kirchlichen Elite als unhistorisch abgelehnt wurde. Damit spiegelt die Durchsetzung der Verehrung des Exuperantius, laut Stumpf ab 1264, und seine Wiederaufnahme in das Stadtsiegel nach der Zunftrevolution Bruns, die politische Rivalität zunächst des Grossmünsterstifts gegen das Fraumünsterstift, und dann der bürgerlichen Mittelschicht gegen die kirchliche Elite.[11] Den Schädelreliquien von Felix und Regula, die im Stiftsschatz des Grossmünsters aufbewahrt wurden, wurde vermutlich auch im 13. Jahrhundert eine Schädelreliquie des Exuperantius zugesellt. Bei der Räumung des Stiftsschatzes während der Reformation, am 2. Oktober 1525, werden vier kostbare Schädelreliquiare erwähnt, die dem Rat übergeben wurden: S. Felix houpt bild obenusshin silberin. S. Reglen haupt. S. Exuperantzen haupt. S. Placidus haupt.[12] Die Schädelreliquien von Felix und Regula wurden laut einer erst im 17. Jh. aufgezeichneten Überlieferung nach Andermatt gerettet. Die dort erhaltenen Reliquien wurden 1988 wissenschaftlich untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass der Regula-Schädel aus Fragmenten zweier Individuen aus der Römerzeit zusammengesetzt ist, während der Felix-Schädel mittelalterlich ist, er stammt von einem Mann, der im 11. oder 12. Jh. verstarb und danach etwa hundert Jahre lang beerdigt war, und damit etwa im 13. Jh. exhumiert wurde; es handelt sich bei diesem Schädel vermutlich um den seit dem 13. Jh. als Reliquie des Exuperantius verehrten Schädel.[13]


Die volksetymologische Umdeutung des Namens Exuperantius als Häxebränz (wohl angelehnt an Bränz «Weinbrand») im Zürcher Dialekt ist im Schweizerischen Idiotikon (1903) verzeichnet (ohne Datierung).[14]

Siehe auch

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Literatur

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  • Hansueli F. Etter, Urs Baur, Jürg Hanser, Jürg E. Schneider: Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula. Legenden, Reliquien, Geschichte und ihre Botschaft im Licht moderner Forschung. Büro für Archäologie der Stadt Zürich, Zürich 1988, ISBN 3-905243-01-6.
  • K. Werner Glaettli: Zürcher Sagen. 2., vermehrte Auflage. Rohr, Zürich 1970.
  • Iso Müller: Die frühkarolingische Passio der Zürcher Heiligen. In: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte. Bd. 65, 1971, ISSN 0044-3484, S. 132–187, online.
  • Cécile Ramer: Felix, Regula und Exuperantius. Ikonographie der Stifts- und Stadtheiligen Zürichs. Antiquarische Gesellschaft, Zürich 1973 (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. 47, ZDB-ID 280134-6 = Neujahrsblatt. 137). (Zugleich: Diss. Univ. Zürich, 1972: Die Zürcher Stadtheiligen Felix, Regula und Exuperantius in Legende und Kunst.)
  • Cécile Ramer: Die Zürcher Stadtheiligen Felix, Regula und Exuperantius in Legende und Kunst. (9.–17. Jahrhundert). o. N., Zürich 1972 (Teildruck, Zürich, Univ, Diss., 1972).
  • Paul W. Roth: Soldatenheilige. Verlag Styria, Graz Wien Köln, 1993, ISBN 3-222-12185-0.
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Commons: Exuperantius (Zurich) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Staatskanzlei des Kantons Zürich: Zur Geschichte des Staatssiegels
  2. Geschichte von Exuperantius, Felix und Regula in den FAQ des Stadtarchivs der Stadt Zürich (Memento des Originals vom 17. Mai 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stadt-zuerich.ch
  3. vgl. Ökumenisches Heiligenlexikon
  4. Zitat aus dem Buch Heimatkunde der Stadt Zürich (Seite 7), Karl der Grosse und der Hirsch: «Als Kaiser Karl, da er noch König war, einst von der Stadt Köln aus auf die Jagd geritten war, stiess er auf einen grossen, schönen Hirsch … Also jagte er ihm nach, von Köln bis nach Zürich … ob dem Schloss Turicum [die ehemalige Pfalzburg auf dem Lindenhof am linken Limmatufer] jenseits des Wassers, fiel der Hirsch auf die Knie. Desgleichen taten auch die Hunde und wollten nicht weiter laufen. Dieses Wunder berichteten die Jäger dem König, der eilends herbeiritt, um es zu sehen. Als die Pferde herzukamen, fielen sie auch auf die Knie. Da verstand der König wohl, dass Gott ihm den Hirsch gesandt, weil er hier ein Wunder wirken wollte. Karl stieg von seinem Pferde und bat Gott, er möge ihm seinen Willen offenbaren. Alsobald erschienen zwei Einsiedler, welche in der Gegend wohnten. Sie sagten, dass da drei Heilige begraben lägen, die vormals um des christlichen Glaubens willen gemartert worden wären. Da nahm der Kaiser in Stadt und Schloss Turicum, die ja gleich dabei lagen, Wohnung. Er berief alle Priester des Landes und berichtete ihnen das grosse Wunder, das ihm begegnet war. Er liess graben und die Märtyrer suchen. Nachdem sie gefunden waren, wurden sie zu hohen Ehren erhoben und heilig gesprochen. Über den Gräbern der Heiligen baute Karl der Grosse etliche Jahre später die Felix- und Regulakirche [Grossmünster].»
  5. Grabungsbericht (Wasserkirche) vom 7. Dezember 2004, Amt für Städtebau, Archäologie, Dölf Wild
  6. R. Luginbühl (Hrsg.): Heinrich Brennwald, Schweizerchronik im Anschluss zur Schweizergeschichte, S. 613
  7. Heidi Leuppi, Der Liber ordinarius des Konrad von Mure: die Gottesdienstordnung am Grossmünster in Zürich (1995), S. 153.
  8. Stadtarchiv Zürich: Fragen und Antworten@1@2Vorlage:Toter Link/www.stadt-zuerich.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  9. Ernst Friedrich Gelpke, Kirchengeschichte der Schweiz (1856), S. 208.
  10. Die Siegel der Stadt Zürich und der Landstädte. In: Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 9 (1853/6).
  11. Joan A. Holladay: The Competition for Saints in Medieval Zurich. In: Gesta 43.1 (2004), 41–59.
  12. Lukas Wallimann, Reformation und Gegenreformation – Bildnisse wechseln die Seite (2013), 9f.
  13. Lukas Wallimann, Reformation und Gegenreformation – Bildnisse wechseln die Seite (2013), 9–12.
  14. Vgl. Schweizerisches Idiotikon, Band V, Spalte 765, s. v. Branz, Artikel Häxenbränz (gedruckt 1903) (Digitalisat).