Füssener Totentanz

allegorische Bildfolge von der Gewalt des Todes

Der Füssener Totentanz in der St.-Anna-Kapelle des ehemaligen Benediktinerklosters St. Mang im bayerischen Füssen ist der älteste erhaltene Totentanz in Bayern und zählt heute zu den bedeutenden Monumental-Totentänzen Europas.

Die Tafeln des Totentanzes
Inneres der St.-Anna-Kapelle mit dem Totentanz

Allgemeines und Geschichte

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Der Totentanz ist eine seit dem 14. Jahrhundert aufgekommene bildliche Darstellung der Gewalt des Todes über das Menschenleben in einer Reihe von allegorischen Gruppen unter dem Bild des Tanzes. Im März 1602 beauftragte der damalige Abt des Klosters St. Mang, Matthias Schober, den Füssener Maler Jakob Hiebeler, anlässlich der Restaurierung der Annakapelle einen Totentanz zu malen. Der Künstler hat sich damals vor allem an dem Großbasler Totentanz, dem Berner Totentanz und den „Bildern des Todes“ von Hans Holbein d. J. orientiert. Die Begleitverse hielten sich weitgehend an eine der damals verbreiteten Druckfassungen des Basler Vorbilds. Füssen mit den Totentanzdarstellungen in der Annakapelle und der Friedhofskirche St. Sebastian wurde so neben Basel, Lübeck, Luzern und Wien ein zentraler Ort der Totentanz-Ikonographie.

Vorbilder

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Das Motto

„Sagt Ja Sagt Nein, Getanzt Muess sein“

Unter diesem Motto folgen im Füssener Totentanz zwanzig Stände, angeführt vom Papst und Kaiser, dem Tod, der auch vor dem Kleinkind und dem Maler selbst nicht halt macht.

Das Motiv des Tanzes drückt die Ambivalenz zwischen Lebenslust und Todesangst aus und beschreibt die Gratwanderung des Lebens. Die Stände treten in einzelnen Bildern hierarchisch geordnet, dem damaligen Gesellschaftsgefüge entsprechend, auf: Papst, Kaiser, Bischof, Fürst, Fürstin, Abt, Junker, Edelfrau, Pfarrer, Amtmann, Doktor, Kaufmann, Wucherer, Wirt, Bauer, Unhold (Hexe), Spieler, Jungfrau, Kind, Maler.

Diese Hierarchie ist jedoch durch die Umhängung im Zuge der Barockisierung des Klosters von 1701 heute gestört.

Der Künstler Jakob Hiebeler

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Letztes Bild

Im letzten Bild fordert der Tod den Maler auf: „Jacob Hiebeler laß daß mahlen stohn, Wirff bensel hin du muest darvon.“

Mit seiner Antwort signiert Hiebeler gleichsam auch sein Werk: „Ich hab gemaltt den todtten tantz, Mueß auch in spil, sonst werß nit gantz.“

Doch 1602, im Jahr der Vollendung des Totentanz-Gemäldes, musste der Künstler dem Tod noch nicht folgen. Er ist bis 1618 archivalisch nachweisbar.

Wirkungsgeschichte

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Der Füssener Totentanz hatte einen prägenden Einfluss auf eine Totentanz-Tradition, die zunächst nach Oberstdorf und später nach Breitenwang sowie ins Tiroler Lechtal und Tannheimer Tal ausstrahlte.

  • In Füssen selbst mahnt in der Friedhofskirche St. Sebastian ein emblematischer Totentanz von 1746 den Betrachter an die Allgegenwart des Todes. Dort hat der Allgäuer Maler Bartholomäus Stapf in den Gewölbeansätzen und an der Emporenbrüstung neun Todesbilder gemalt, die in Thematik und Bildgestaltung vollkommen unabhängig von dem Füssener Totentanz in der Annakapelle sind, nämlich: Tod und Mädchen, Tod mit Stundenglas, Tod mit Blumenstock, Tod mit verlöschender Kerze, Tod als Soldat, Tod mit Sense, Wanderstab und Huckelkorb, Tod mit Armbrust, Tod mit Pfeilen, Tod als Organist. In diesen Szenen wendet sich der Tod nicht an einen im Bild dargestellten Menschen, sondern unmittelbar an den Betrachter. Bemerkenswert ist, dass in dem Huckelkorb (6. Bild) Totenschädel mit Tiara, Krone, Kardinalshut, Mitra und Barett enthalten sind; gleichsam als Reminiszenz an die bei den mittelalterlichen Totentänzen übliche ständische Hierarchie.[1]

Zeitgenössische Künstler nahmen immer wieder das Thema des Füssener Totentanzes auf.

  • Einen musikalischen Füssener Totentanz komponierte Stephan Cosacchi (1903–1986) als Teil des Magnus-Oratoriums, das 1950 in Füssen uraufgeführt wurde. Als Forscher des Makabertanzes verband Cosacchi die Idee des Füssener Totentanzes mit dem Motiv des nächtlichen Geistertanzes am Lechfall.
  • Der Wiener Kunstprofessor Herwig Zens (1943–2019) setzte sich mit dem Füssener Totentanz in Form von expressiven Tuschezeichnungen, Radierungen und Gemälden auseinander. Als 20-teiligen Gemäldezyklus schuf er 1998 eine Paraphrase zum Hiebeler-Totentanz.
  • Klaus Hack (geb. 1966) greift bei seinen Arbeiten zum Füssener Totentanz diesen nicht in inhaltlich-darstellerischer Weise auf. Die harte Konfrontation von Leben und Tod drückt sich auf formaler Ebene im Schwarz und Weiß des Holzschnittes aus. Leben und Tod stehen zueinander wie Bild und Abbild, wie die Skulptur der Drucktrommel zur bedruckten Leinwand.

Literatur

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  • Reinhold Böhm: Der Füssener Totentanz und das Fortwirken der Totentanzidee im Ostallgäuer und Außerferner Raum. 4. verbesserte Auflage, Füssen 2005. ISBN 3-928461-00-1.
  • Hans Georg Wehrens: Der Totentanz im alemannischen Sprachraum. "Muos ich doch dran – und weis nit wan". Schnell & Steiner, Regensburg 2012, S. 173ff. ISBN 978-3-7954-2563-0.
  • Rolf Paul Dreier: Der Totentanz – ein Motiv der kirchlichen Kunst als Projektionsfläche für profane Botschaften (1425–1650), Leiden 2010, ISBN 978-90-90-25111-0 (inklusiv CD-Rom: Verzeichnis der Totentänze, auch auf www.totentanz.nl). Zum Totentanz von Füssen speziell Seiten 179–216.
  • Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur (Hrsg.): Tanz der Toten – Todestanz. Der monumentale Totentanz im deutschsprachigen Raum. Dettelbach 1998. ISBN 3-89754-128-9.
  • Museum der Stadt Füssen (Hrsg.): 400 Jahre Füssener Totentanz. Füssen 2002. (Leporello)
  • Thomas Riedmiller: Füssener Totentanz : Gesichertes und Hypothesen zur Entstehung und Überlieferungsgeschichte. In: L'ART MACABRE 5 ; Jahrbuch der Europäische Totentanz-Vereinigung. Düsseldorf 2004.
  • Thomas Riedmiller im Auftrag der Stadt Füssen: Füssener Totentanz. Kempten 2014.
  • Ausstellungskatalog: Museum der Stadt Füssen (Hrsg.): Zens. Füssener Totentanz. Füssen 1998.
  • Ausstellungskatalog: Gerhard Marcks Haus / Bielefelder Kunstverein (Hrsg.): Totentanz. Skulpturen und Drucke von Klaus Hack. Bremen 2001. ISBN 3-924412-38-3.
  • Ausstellungskatalog: Museum der Stadt Füssen: Klaus Hack. Füssener Totentanz. Füssen 1999.
  • Herbert Döring: Die Bedeutung des Füssener Totentanzes von Jakob Hiebeler (1602) aus theologischer und gegenwärtiger Sicht. In: Rund um den Säuling. Historischer Verein „Säuling e. V.“, Füssen 2018, S. 21–31 (saeuling.de [PDF; 719 kB]).
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Commons: Füssener Totentanz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Hans Georg Wehrens: Der Totentanz im alemannischen Sprachraum. "Muos ich doch dran – und weis nit wan". Schnell & Steiner, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7954-2563-0. S. 242f.

Koordinaten: 47° 33′ 59,7″ N, 10° 41′ 58,2″ O