Haus Sorgenfrei
Haus Sorgenfrei ist ein architektonisch bedeutsamer ehemaliger Herrensitz mit einem schlossartigen Herrenhaus auf dem Augustusweg 48 in der Oberlößnitz, heute Radebeul. Das Anwesen besteht aus einem Haupthaus und weiteren Gebäuden in einer Park- beziehungsweise Gartenanlage. Es wurde für den Dresdner Bankier und Freiherrn Christian Friedrich von Gregory nach Plänen des Dresdner Architekten Johann August Giesel im Dresdner Zopfstil errichtet, einem spätbarocken Baustil im Übergang vom Rokoko zum Klassizismus. Der Name „Sorgenfrei“ ist eine Reminiszenz an das Potsdamer Schloss Sanssouci (frz. sans souci = ohne Sorge).[1]
Nach der restauratorisch aufwendigen Instandsetzung während der 1990er Jahre wird das Anwesen heute als Landhotel Villa Sorgenfrei genutzt, im ehemaligen Gartensaal befindet sich das prämierte Restaurant Atelier Sanssouci.
Beschreibung
BearbeitenDer etwa 7.000 m² große, denkmalgeschützte[2] Gebäudekomplex besteht aus einem zweigeschossigen Herrenhaus mit U-förmigem Grundriss, rechts davon aus dem zweigeschossigen Gartensaal und links davon dem eingeschossigen Gärtnerhaus. Hinter dem Gärtnerhaus steht die etwas größere eingeschossige Remise mit Stallungen (auch als Presshaus angesprochen), hinter dem Saalbau steht ein weiteres, etwas kleineres eingeschossiges Nebengebäude. Eine Allee führt durch die Einfriedung mit Toranlage zu dem Herrenhaus, neben der sich rechts vor dem Gartensaal der untere Lustgarten befindet. Hinter der Gebäudegruppe ist der obere Lustgarten. Das Anwesen wurde bereits von dem Kunsthistoriker Gurlitt 1904 in seiner Fundamentalinventarisation ausführlich dargestellt wie auch in der Dehio-Schnellinventarisation von 1905. Auch zu DDR-Zeiten war das Ensemble denkmalgeschützt: 1973 als „Haus Sorgenfrei mit Gartenplastik“ in der höchsten Wertgruppe I, 1979 in einem noch größeren Ensemble zusammen mit den westlich benachbarten ehemaligen Weingütern Haus Steinbach und Bennoschlößchen.
Der „ehemalige[…] Land- und Sommersitz einer bürgerlichen Familie[… ist] neben Schloss Hoflößnitz stattlichster Landsitz der Oberlößnitz, [das] Gesamtensemble [ist] baugeschichtlich, ortsgeschichtlich, gartenhistorisch, künstlerisch und landschaftsgestaltend bedeutend, [das] Hauptgebäude [ist ein] bedeutendes Bauwerk des Zopfstils, des Übergangs vom Rokoko zum Frühklassizismus, wissenschaftlich von Belang“.[2]
Herrenhaus
BearbeitenDas zweigeschossige Herrenhaus mit Walmdach hat mittig einen Dachaufbau mit einem überkuppelten Glockenturm mit Knauf und Wetterfahne. Am Aufbau befinden sich Festons, Vasenbekrönungen und eine Inschrift „SORGENFREI“. Darüber befindet sich eine Uhr, die durch Füllhörner geschmückt ist. Die Wetterfahne zeigt den Gregoryschen Greifen. Das komplett geputzte Gebäude hat ein massives Erdgeschoss und ein Obergeschoss aus Fachwerk. Der hölzerne Turm ist mit Blech verkleidet. Im Keller des Gebäudes befinden sich zwei Grundsteine mit der Inschrift „C. F. Gregory. Anno 1783“. Vor dem Gebäude steht ein geschmücktes Portal. Vor diesem wiederum befindet sich ein halbrunder Platz, auf dem die Zufahrtsallee mündet.
Festsaalgebäude (Gartensaal)
BearbeitenDas geputzte, zweigeschossige Festsaalgebäude hat etwa die gleiche Traufhöhe wie das Haupthaus. Der sich darin befindliche Gartensaal nimmt die ganze Länge ein und reicht über beide Geschosse. Die Fassade zum unteren Garten besteht fast nur aus hohen Fenstern mit einer Fenstertür in der Mitte nebst Platz für die geöffneten Klappläden. Das 1789 datierte Gebäude hat ein Walmdach mit hohen Gauben mit Stichbogenschluss. Im Vorbau auf der Rückseite befindet sich die Treppe zum Ober- und zum Dachgeschoss.
Gärtnerhaus
BearbeitenDas von 1787 datierende Gärtnerhaus links vom Haupthaus hat ein Walmdach mit Gauben, vor dem Gebäude befinden sich ein Beischlag und eine Terrasse.
Remise (Presshaus), Hintergebäude
BearbeitenDie hinter dem Gärtnerhaus gelegene, verputzte Remise wird auch als Kutscherhaus bzw. Presshaus angesprochen. Sie datiert auf 1788 und hat zwei hohe, korbbogige Tore.
-
Gartensaal mit vorgelagertem, unteren Barockgarten
-
Gärtnerhaus
-
Gärtnerhaus Rückseite
-
Remise
-
Hintergebäude hinter dem Gartensaal
Gartenanlagen
BearbeitenVorne vor dem Gartensaal befindet sich eine Gartenveranda, von der aus eine Treppe in die französische Gartenanlage des unteren Lustgartens führt, in welchem sich ein Brunnen mit Sphinx, umgeben von altem Baumbestand, befindet.
Der obere Garten hinter dem Gebäude steigt auf Terrassen an, in der Mitte wird eine Treppenanlage durch vasengekrönte Postamente geführt. Das gesamte Grundstück gilt als Werk der Landschafts- und Gartengestaltung.[3] Es geht im Westen unmittelbar über in die denkmalgeschützten Außenanlagen von Haus Steinbach, im Osten in den ebensolchen Garten von Haus Schädler.
-
Barocke Gartenanlage vor dem Gartensaal, mit Sphinx als Wasserspiel
-
Wasserspiel mit Sphinx
-
Brunnenbecken auf der Rückseite des Herrenhauses
-
Aufgang zum oberen Park
-
Park-Wasserbecken mit Seeungeheuer
Geschichte
BearbeitenBereits im frühen 18. Jahrhundert befand sich an dieser Stelle, am Fuß des Hausbergs, ein Weingut, das 1770 durch Erbschaft seiner Frau in den Besitz des aus Berlin stammenden Kaufmanns Albert Friedrich Gregory (1728–1776) kam. Dieser erweiterte das Anwesen noch im Jahr seines Todes 1776 durch den Kauf des benachbarten Spinshirnschen Weinbergs. Sein später zum Freiherrn geadelter Sohn, der Dresdner Bankier Christian Friedrich von Gregory, ließ auf dem Majoratsbesitz seiner Familie in den Jahren 1783 bis 1789 unter Verwendung von Teilen des Vorgängergebäudes das Ensemble im Dresdner Zopfstil errichten. In den Folgejahren errichtete Gregory auf dem Oberberg einen Drachentempel, der im Geist der Romantik nach dem Beispiel der Chinoiserien auf Schloss Pillnitz entstand. Dieser Tempel, den der Oberlößnitzer Maler Herbert König um 1866 im Bild festhielt, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts wegen Neubebauung der Flächen verkauft und abgetragen.
Gregory schuf mit dem Erwerb der benachbarten Weinbergsbesitzung, die zur Villa Wach gehörte, sowie weiterer Weinberge 1790/1791 den mit etwa 10 Hektar lange Zeit größten zusammengehörigen Weinbergsbesitz der Oberlößnitz. 1798 erwarb er auch noch Schloss Wackerbarth in der Niederlößnitz,[4] 1799 den dort benachbarten Weinberg Fliegenwedel.[5] Die beiden letzteren gingen 1808 an August Josef Ludwig von Wackerbarth.
1920 verkaufte Oberst v. Gregory das Anwesen an seinen Neffen, den Radebeuler Architekten Alfred Tischer, der 1933 auf dem südlichen (Augustusweg 46) und dem östlichen Nachbargrundstück (Eduard-Bilz-Straße 54) jeweils ein Einfamilienhaus errichtete. 1940 verkaufte Tischer das Anwesen von Haus Sorgenfrei weiter, da die Behebung der im Laufe der Jahrzehnte entstandenen Bauschäden seine Mittel überstieg. 1943/44 war das Anwesen im Besitz des Leipziger Juristen Ernst Schubert.[6] Paul Ahnert, Vater von Gussy Hippold-Ahnert, betrieb dort im Gartenhaus eine Miederwarenwerkstatt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Anwesen in die Verwaltung der Stadt Radebeul, die das Haupthaus in mehrere Einzelwohnungen aufteilte. In diesen lebten unter anderem das Malerehepaar Erhard Hippold und Gussy Hippold-Ahnert, die im Gartensaal zur Sicherung ihrer Existenz die väterliche Miederwarenwerkstatt weiterbetrieben, sowie der Ornithologe Rudolf Pätzold. Robert Thren lebte mit seiner Frau im Gärtnerhaus.[7] Anfang der 1970er Jahre übernahm die städtische Gebäudewirtschaft das Anwesen und führte erste Sicherungs- und Werterhaltungsmaßnahmen durch.
Nach der Reprivatisierung Anfang der 1990er Jahre erfolgte die Sanierung des Ensembles von 1994 bis 1999 in Anlehnung an das historische Vorbild; sie stellte eine mit den üblichen Kategorien der denkmalpflegerischen Sanierung nicht vergleichbare Leistung dar. Die damalige Bauherrschaft, die Familie Hanson, erhielt dafür im Jahr 2000 den Radebeuler Bauherrenpreis in der Kategorie Sonderpreis für die Sanierung eines kulturhistorisch wertvollen Ensembles sowie den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege. Nach der Zwangsversteigerung 2004 kam das Anwesen in neue Hände, die in der Folgezeit wechselten.
-
Der „Drachentempel“ auf einem Gemälde von Herbert König, um 1866
-
Der Drachentempel 1901 (Bildmitte)
-
Haus Sorgenfrei, 1909. Rechts der Gartensaal mit Barockgarten, links das Gärtnerhaus. (Rechts oben: der Mäuseturm, darunter Schloss Lössnitz)
-
Haus Sorgenfrei, 1929
Heutige Nutzung
BearbeitenIm Herrenhaus befindet sich ein kleines Hotel und im Gartenhaus ein Restaurant. Im Mai 2015 wurde die Anlage von Stefan Hermann übernommen, der in Dresden mit einem Michelin-Stern und 17 Punkten im Gault-Millau ausgezeichneter Patron und Küchenchef im 2019 wegen Pachtablauf geschlossenen bean & beluga war.[8] Das Hotel Villa Sorgenfrei bekommt im Gault-Millau seit 2011 die Einstufung Erstklassig. Das Restaurant Atelier Sanssouci wird im Gault-Millau seit 2016 mit Zwei Kochmützen eingestuft, 2017/2020 mit 16 Punkten.[9] Im Februar 2019 wurde sein Restaurant Atelier Sanssouci unter Küchenchef Marcel Kube ebenfalls mit einem Michelinstern ausgezeichnet.
Der Park ist für Besucher geöffnet.
Literatur
Bearbeiten- Frank Andert (Red.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. Hrsg.: Stadtarchiv Radebeul. 2., leicht geänderte Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9.
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd. 1: Mitteldeutschland. Wasmuth, Berlin 1905, S. 230. (Oberlössnitz. Haus Sorgenfrei.).
- Barbara Bechter, Wiebke Fastenrath u. a. (Bearb.): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen I, Regierungsbezirk Dresden. Deutscher Kunstverlag, München 1996, ISBN 3-422-03043-3, S. 737–738.
- Cornelius Gurlitt: Oberlössnitz. Sorgenfrei. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 26. Heft: Die Kunstdenkmäler von Dresdens Umgebung, Theil 2: Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt. C. C. Meinhold, Dresden 1904, S. 149 ff.
- Volker Helas (Bearb.): Stadt Radebeul. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Große Kreisstadt Radebeul (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen). Sax-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3.
- Theodor Mögling: Das Neueste im Gebiete der Land- und Forstwirthschaft, so wie deren technischen Nebenfächer; oder gedrängter, systematisch geordneter Auszug aus den Protokollen der Versammlungen deutscher Land- und Forstwirthe vom Jahre 1837–1844. Carl Mäcken’s Verlag, Reutlingen 1846, S. 701–704.
- Gert Morzinek: Historische Streifzüge mit Gert Morzinek. Die gesammelten Werke aus 5 Jahren "StadtSpiegel". premium Verlag, Großenhain 2007.
- Peter Peschel: Haus Sorgenfrei – Weingut und Sommersitz einer bürgerlichen Familie. In: Kulturlandschaft Lößnitz-Radebeul. Dresdner Hefte 54. Dresden 1998, S. 45–53.
Literarische Texte
Bearbeiten- Heinz Czechowski: Radebeul, Oberlößnitz, Augustusweg 48: Haus Sorgenfrei (1973). In: Ders.: Der Garten meines Vaters. Grupello, Düsseldorf 2003, S. 58–75.
Weblinks
Bearbeiten- Internetseite der Villa Sorgenfrei
- Radebeuler Bauherrenpreis 2000. In: Radebeuler Bauherrenpreis. verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul, abgerufen am 23. Mai 2010.
- Bilder zu Haus Sorgenfrei bei der Deutschen Fotothek
- Hotel Villa Sorgenfrei. Besprechung im Gault-Millau (Erstklassig seit 2011).
- Restaurant Atelier Sanssouci. Besprechung im Gault-Millau (Zwei Kochmützen seit 2016).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Frank Andert (Red.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. Hrsg.: Stadtarchiv Radebeul. 2., leicht geänderte Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9, S. 80–81.
- ↑ a b Eintrag in der Denkmaldatenbank des Landes Sachsen zur Denkmal-ID 08950174 (PDF, inklusive Kartenausschnitt). Abgerufen am 5. April 2021.
- ↑ Volker Helas (Bearb.): Stadt Radebeul. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Große Kreisstadt Radebeul (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen). Sax-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3, S. 65 f. sowie beiliegende Karte.
- ↑ Georg Wulff; et al. (Red.): Winzerhäuser in Radebeul. In: verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul (Hrsg.): Beiträge zur Stadtkultur der Stadt Radebeul. Radebeul 2003 (Online-Inhaltsverzeichnis).
- ↑ Matthias Donath, Jörg Blobelt (Fotos): Sächsisches Weinland. Historische Weingüter und Weinberghäuser im Elbtal. Hrsg.: edition Sächsische Zeitung. 1. Auflage. Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland, Dresden 2010, ISBN 978-3-941595-09-5, S. 132–134.
- ↑ Adreßbuch Dresden 1943/44, Anhang Adreßbuch für Radebeul, S. 68. ( des vom 1. Oktober 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Tobias Märksch: Der Arzneiprofessor von Haus Sorgenfrei; In memoriam Prof. Dr. Robert Thren (04.05.1909 – 26.10.1995) zum 25. Todestag. In: Vorschau & Rückblick; Monatsheft für Radebeul und Umgebung. Radebeuler Monatshefte e. V., Oktober 2020, abgerufen am 14. Oktober 2020 (mit einem Foto von Thren).
- ↑ restaurant-ranglisten.de: Neue Führungsriege in Dresdener Villa Sorgenfrei
- ↑ Restaurant-Guide 2020.
Koordinaten: 51° 6′ 31,3″ N, 13° 40′ 30,1″ O