Forcing

Methode in der Mengenlehre

Forcing (deutsch auch Erzwingung oder Erzwingungsmethode) ist in der Mengenlehre eine Technik zur Konstruktion von Modellen, die hauptsächlich verwendet wird, um relative Konsistenzbeweise zu führen. Sie wurde zuerst 1963 von Paul Cohen entwickelt und verwendet, um die Unabhängigkeit des Auswahlaxioms und der Kontinuumshypothese zu beweisen. Diese Leistung ist 1966 durch die Verleihung der Fields-Medaille gewürdigt worden. Die Forcing-Methode ist von verschiedenen Mathematikern vielfach weiterentwickelt worden.

Grundidee

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Die Grundidee der Forcing-Methode besteht darin, einem gegebenen Modell der Mengenlehre (dem Grundmodell  ) eine bestimmte Menge   derart hinzuzufügen, dass wieder ein Modell von ZFC entsteht (die generische Erweiterung  ). Die Konstruktion verläuft so, dass   in dem Grundmodell approximiert werden kann; dies ermöglicht, Eigenschaften von  , wie z. B. die Ungültigkeit der Kontinuumshypothese, durch eine in dem Grundmodell   definierbare Sprache auszudrücken und so nachzuweisen.

Beschreibung

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Im Folgenden sei   ein abzählbares, transitives Modell von ZFC. Für die Rechtfertigung dieser Annahme siehe unten unter Forcing und relative Konsistenzbeweise.

Bedingungsmengen und generische Filter

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Unter einer Bedingungsmenge versteht man ein in   definiertes Tripel  , wobei   eine Quasiordnung auf   ist, die   als größtes Element besitzt. Die Elemente von   heißen Bedingungen. Eine Bedingung   ist stärker als eine Bedingung  , falls  . In der Anwendung sind die meisten Bedingungsmengen antisymmetrisch, also Halbordnungen. Für die Theorie muss dies allerdings nicht gefordert werden.

Eine Menge   heißt dicht, falls

 

falls also für jede Bedingung eine stärkere Bedingung in   existiert, bzw.   konfinal in   liegt. Ein Filter   heißt generisch, falls er jede dichte Teilmenge aus   trifft, falls also   für alle dichten   gilt.

Aus dem Lemma von Rasiowa-Sikorski folgt, dass für jedes   ein generischer Filter   existiert, der   enthält. Für alle interessanten Bedingungsmengen liegt   nicht in  .

Mit transfiniter Rekursion wird nun die Klasse   aller  -Namen in   definiert:

 

Demnach gehört die leere Menge   zu  , denn die rechte Bedingung ist für   trivialerweise erfüllt. Weiter gehören alle   mit   zu den Namen, denn wegen   und   (M ist transitiv!) ist   und der zweite Teil der Bedingung gilt, weil wir ja bereits wissen (Rekursion!), dass   usw.

Die Gesamtheit der Namen bildet für   eine echte Klasse.

Die generische Erweiterung

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Auf   definiert man die zweistellige Relation   durch:

 

Da diese Definition den Filter   verwendet, ist sie im Allgemeinen nicht in   durchführbar. Sei nun   rekursiv definiert durch

 

Die generische Erweiterung   wird definiert als das Bild von   unter  . Das Modell   ist also der Mostowski-Kollaps von  .

Die Forcing-Relation

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Für eine Formel   und   definiert man nun

  (lies: „  erzwingt   für  “),

falls für alle  -generischen   mit   gilt:

 

Die Definition von   verwendet den Filter  , der im Allgemeinen nicht in   liegt. Es zeigt sich jedoch (Definierbarkeitslemma), dass sich eine äquivalente Definition von   in   durchführen lässt:

  ist eine definierbare Klasse in  

Weitere Eigenschaften von   sind:

  • Gilt   und ist  , so auch   (Erweiterungslemma).
  •   (Wahrheitslemma).

Mittels dieser Relation lassen sich also alle Eigenschaften von   als Eigenschaften von   auffassen. Nun kann man zeigen, dass   für jede Bedingungsmenge   und jeden  -generischen Filter   ein Modell von ZFC ist. Während grundlegende Axiome wie das Paarmengenaxiom, das Vereinigungsmengenaxiom oder die Existenz der leeren Menge direkt nachzuprüfen sind, benötigt man für die stärkeren Axiome wie das Ersetzungsschema, das Aussonderungsschema oder das Potenzmengenaxiom die Forcing-Relation.

Will man beispielsweise eine Menge   nach   aussondern, so ist

 

ein Name für die gesuchte Menge. Darüber hinaus gilt für das Modell  :

  •   ist transitiv;
  •  ;
  •  ;
  •   enthält keine neuen Ordinalzahlen:  ;
  •   ist das kleinste transitive Modell mit   und  .

Antikettenbedingung

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Eine Schwierigkeit besteht bei der Betrachtung von Kardinalzahlen in  : Jede Kardinalzahl in  , die in   liegt, ist auch dort eine Kardinalzahl. Die Umkehrung gilt allerdings im Allgemeinen nicht. Dies hat zur Folge, dass in   überabzählbare Mengen in   abzählbar werden können. Wählt man allerdings die Bedingungsmenge   so, dass jede Antikette von   in   abzählbar ist („abzählbare Antiketten-Bedingung“, oft auch c.c.c. genannt nach der englischen Bezeichnung countable chain condition) so ist für jeden  -generischen Filter   jede Kardinalzahl   auch Kardinalzahl im Sinne von  .

Allgemeiner gilt: Ist   in   eine reguläre Kardinalzahl und hat jede Antikette in   kleinere Mächtigkeit als   („P erfüllt die  -Antiketten-Bedingung“), so ist jede Kardinalzahl   in   auch Kardinalzahl in  .

Forcing und relative Konsistenzbeweise

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Um die Widerspruchsfreiheit einer mathematischen Theorie   zu zeigen, genügt es nach dem Gödelschen Vollständigkeitssatz, ein Modell anzugeben, das alle Aussagen aus   erfüllt (dies entspricht dem Modell  ). Da nach dem zweiten Gödelschen Unvollständigkeitssatz die Existenz eines solchen Modells für „starke“ Theorien   (d. h. insbesondere für  ) nicht bewiesen werden kann, muss man sich auf relative Konsistenzbeweise beschränken, sprich, die Existenz eines Modells für ZFC zusätzlich voraussetzen (dies entspricht dem Modell  ). Aufgrund der Sätze von Löwenheim-Skolem und Mostowski ist es keine Einschränkung, dieses Modell als abzählbar und transitiv anzunehmen.

Dieses Verfahren liefert allerdings nur einen relativen Konsistenzbeweis innerhalb von ZFC selbst (das heißt, die Formel   ist in ZFC beweisbar). Für einen streng finitistischen Beweis, der in der Angabe eines Verfahrens besteht, das den Beweis eines Widerspruchs von   konkret in einen solchen von   umwandelt, muss man weiter ausholen: Sei ein Widerspruchsbeweis von   gegeben. Nach dem Kompaktheitssatz gibt es bereits eine endliche, widersprüchliche Teiltheorie  . Da für den Beweis, dass   pro Axiom nur endlich viele Axiome verwendet werden, lässt sich nun eine Theorie   finden, sodass gilt:

  • Ist   ein abzählbares, transitives Modell von  , so gilt für ein  -generisches  :  
  •  ,   ist aber immer noch endlich.

Nach dem Reflexionsprinzip gibt es ein (wieder ohne Einschränkung abzählbares, transitives) Modell   mit  . Es gilt also in der generischen Erweiterung  . Da ZFC beweist, dass   ein Modell besitzt,   aber widersprüchlich ist, ist ZFC selbst widersprüchlich.

Da es auf die konkret verwendeten Teilsysteme   bzw.   nicht ankommt, hat es sich in der Praxis durchgesetzt, von   als einem Modell von ganz ZFC zu sprechen, wie wir es hier auch getan haben.

Anwendung: Unbeweisbarkeit der Kontinuumshypothese

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Die Kontinuumshypothese besagt, dass die Mächtigkeit der Potenzmenge der Menge der natürlichen Zahlen gleich derjenigen der ersten überabzählbaren Kardinalzahl ist. Diese Aussage ist in ZFC weder widerlegbar noch beweisbar. Ersteres hatte Kurt Gödel bereits 1939 bewiesen (siehe Konstruierbarkeitsaxiom), Letzteres hat Paul Cohen 1963 mit Hilfe der dazu von ihm entwickelten Forcing-Methode gezeigt. Es folgt eine Skizze des Beweises:

Die Potenzmenge der Menge   der natürlichen Zahlen entspricht umkehrbar eindeutig der Menge der 0-1-Folgen, also der Menge   der Funktionen von   in die Menge  , die in der Mengenlehre als   bezeichnet wird. Ihre Mächtigkeit wird ebenfalls mit   bezeichnet. Die kleinste überabzählbare Kardinalzahl wird mit   bezeichnet, die nächstgrößere mit  . Die Kontinuumshypothese besagt dann  , ihre Verneinung  .

Für den Beweis sei das Grundmodell   ein abzählbares, transitives Modell von ZFC, in dem die Kontinuumshypothese gilt. Ziel ist es, eine generische Erweiterung zu konstruieren, in der   gilt. Die Idee ist, dem Grundmodell  -viele paarweise verschiedene 0-1-Folgen hinzuzufügen, sodass die Mächtigkeit von   in der generischen Erweiterung mindestens   beträgt. Oder anders ausgedrückt: Man braucht eine injektive Funktion von   nach  , die diese  -vielen 0-1-Folgen „nummeriert“. Aufgrund von   entspricht diese einer Funktion von   nach  .

Man definiert deshalb in   als Bedingungsmenge   die Menge der „endlichen Approximationen“ an so eine Funktion, das heißt die Menge aller partiellen Funktionen von   nach   mit endlichem Definitionsbereich:

 

Diese Menge ist geordnet durch die Obermengen-Beziehung  , es gilt also genau dann  , wenn   durch   fortgesetzt wird.

Ist dann   ein  -generischer Filter, so betrachtet man  . Wegen   ist auch   und aus der Generizität von   folgt:

  •   ist eine totale Funktion  
  • Die Komponentenfunktionen   sind paarweise verschiedene Funktionen von   nach  

In   gilt damit die Abschätzung

 

Mit Hilfe des Delta-Lemmas zeigt man schließlich, dass   die abzählbare Antikettenbedingung erfüllt und daher   in   als zweite überabzählbare Kardinalzahl erhalten bleibt. Die Kontinuumshypothese ist im Modell   somit verletzt.

Man hat damit gezeigt: Wenn ZFC widerspruchsfrei ist, dann kann die Kontinuumshypothese nicht in ZFC bewiesen werden.

Weitergehende Methoden

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Literatur

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