Forschungsamt

deutscher historischer Nachrichtendienst
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Das Forschungsamt (FA) des Reichsluftfahrtministeriums war ein Nachrichtendienst im Dritten Reich, der nur dem Namen nach dem Reichsluftfahrtministerium unterstand.

Es wurde am 10. April 1933 von Hermann Göring gegründet und verfolgte das Ziel der verdeckten Informationsbeschaffung durch technische Aufklärung, Telefonüberwachung, Kontrolle des Funk-, Rundfunk- und Nachrichtenverkehrs, Überwachung des Telegramm-, Fernschreib- und Briefverkehrs sowie Dechiffrierung verschlüsselter Meldungen. Die Dienstaufsicht oblag dem Preußischen Staatsministerium unter Staatssekretär Paul Körner.[1] Finanziert wurde es anfangs aus Mitteln des Preußischen Staatsministeriums.

Entstehung

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Das Amt entstand im Zusammenhang der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. Mit der „Machtergreifung“ kam es am 28. Februar 1933 zur Aufhebung des Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnisses. Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat: Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt.[2] Der Artikel 117 behandelte u. a. das Briefgeheimnis. Er lautete:

„Das Briefgeheimnis sowie das Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis sind unverletzlich. Ausnahmen können nur durch Reichsgesetz zugelassen werden. Siehe hierzu die §§ 99 bis 101 der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 253) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Januar 1924 (RGBl. I. S. 15)“

Artikel 117[3]

Durch § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I. S. 83) in Verbindung mit Artikel 48 Abs. 2 Satz 2 wurde der Artikel 117 „bis auf weiteres“ außer Kraft gesetzt.

Aufgaben

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Die Aufgaben gehen zum Teil aus den Vernehmungen während des Nürnberger Prozesses zur Blomberg-Fritsch-Krise hervor:

„Ich bitte das Hohe Gericht, auch meine Schwierigkeit in Rücksicht stellen zu wollen; auch ich spreche nicht gerne über diese Dinge. Ich muß hinzufügen, daß Göring der einzige Chef des Forschungsamts war. Das ist jene Institution, die alle Telephonüberwachungen im Dritten Reiche übernahm. Dieses Forschungsamt begnügte sich nicht, wie es hier geschildert worden ist, nur mit telephonischem Abhören und Decodieren, es hatte auch seinen eigenen Nachrichtendienst bis herunter zu eigenen Beamten, die Erkundigungen einziehen konnten, so daß es durchaus möglich war, auch über den Marschall von Blomberg vertrauliche Erkundigungen einzuziehen. Als Helldorff Göring die Akte übergeben hatte, sah Göring sich gezwungen, diese Akte Hitler zu geben. Hitler erlitt einen Nervenzusammenbruch und entschloß sich, den Marschall Blomberg sofort zu entlassen. Wie Hitler es später auch den Generalen in öffentlicher Sitzung gesagt hat, war sein erster Gedanke, zum Nachfolger Blombergs den Generaloberst von Fritsch zu ernennen. In dem Augenblick, als er diesen Entschluß aussprach, erinnerten ihn Göring und Himmler, daß dieses nicht möglich sei, da Fritsch durch eine Akte aus dem Jahre 1935 aufs schwerste kriminell belastet sei.“

Hans Bernd Gisevius: 25. April 1946 Vormittag[4]

Eine entsprechende Bezeichnung für das Forschungsamt der Luftwaffe suggerierend, fragte Otto Stahmer, der Verteidiger von Göring im Nürnberger Prozess: Hing damit im Zusammenhang das Forschungsamt der Luftwaffe?

„Nein, das Forschungsamt der Luftwaffe war etwas absolut anderes, hatte mit Forschung einerseits und mit der Luftwaffe andererseits nicht das geringste zu tun. Der Ausdruck war eine Art Camouflage, denn, als wir an die Macht kamen, war ein ziemliches Durcheinander in dem technischen Teil der Überwachung wichtiger Nachrichten. Ich habe deshalb zunächst das Forschungsamt gegründet, das heißt eine Stelle, wo alle technischen Einrichtungen zur Überwachung des Funkbetriebes, der Telegraphie, der Telephonie und aller sonstigen technischen Einrichtungen möglich war. Da ich damals nur Reichsluftfahrtminister war, konnte ich diese Apparatur nur bei mir unterbringen und wählte diesen Camouflage-Ausdruck. Der Apparat diente dazu, vor allen Dingen die auswärtigen Missionen, die wichtigen Persönlichkeiten, die mit dem Ausland telephonierten, telegraphierten und funkten, wie das überall und in allen Staaten üblich ist, zu überwachen, zu dechiffrieren und den einzelnen Ressorts dann die Auswertung zuzustellen. Das Amt hatte keinen Agentendienst, keinen Nachrichtendienst, sondern war eine rein technische Stelle, erfaßte Funkspruch, erfaßte Telephongespräche, wo es befohlen war zu überwachen, erfaßte die Telegramme und gab die Auswertung an die interessierten Stellen.

In diesem Zusammenhang kann ich betonen, daß ich auch viel über die Meldungen des Herrn Messersmith,[5] die hier eine Rolle spielten, gelesen habe. Er war zeitweise der Hauptlieferant für derartige Meldungen.“

Hermann Göring am 14. März 1946 Vormittag[6]

Gliederung

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Gegliedert war das Amt in die Abteilungen:

  • Abt. I: Verwaltung
  • Abt. II: Personal
  • Abt. III: Erfassungsansatz
  • Abt. IV: Entzifferung, Leitung: Georg Schröder
    • Als kryptanalytische Hilfsmittel wurden Tabelliermaschinen eingesetzt. Diese standen im Gebäude der ehemaligen Zentrale der im Juli 1931 in Konkurs gegangenen Danatbank in der Behrenstraße zwischen Wilhelmstraße und Friedrichstraße.
  • Abt. V: Auswertung, Leitung: Walther Seifert
  • Abt. VI: Technisches Amt
  • Abt. XII: wissenschaftliche Auswertung

Überwachungen

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Abhörprotokolle wurden auf braunem Papier geschrieben und deswegen „Braune Blätter“ oder umgangssprachlich auch „Braune Vögel“ genannt.[7]

Besetzung Norwegens

Die Entscheidung zur Besetzung Norwegens vom 2. April 1940 basiert auf einer vom Forschungsamt dechiffrierten Nachricht eines finnischen Diplomaten, die von Paris nach Helsinki gefunkt wurde. Die Nachricht der finnischen Botschaft behauptete, dass Winston Churchill der scheidenden französischen Regierung bei einem Treffen mitgeteilt hätte, dass britische Expeditionstruppen auf dem Weg nach Norwegen seien.

Abwehroffizier beim Papst

Während des Zweiten Weltkrieges leitete die Gruppe „Luft“ der Abwehr-Abteilung 1, der Abwehrstelle (AST) des Wehrkreises VII in München der spätere CSU-Vorsitzende Josef Müller. Einer seiner Mitarbeiter war Wilhelm Schmidhuber. Schmidhuber hatte im Mai 1940 dem Papst-Vertrauten Robert Leiber jenen Zettel hineingereicht, auf dem das Datum des Beginns der deutschen Westoffensive (10. Mai 1940) stand. Der belgische Gesandte bei Pius XII. Adriano Nieuwenhuys telegrafierte das an seine Regierung, weshalb Göring wusste, dass ein deutscher Verräter am 29. April 1940 aus Berlin kam. Am 8. März 1940 warnte Leopold II. Maurice Gamelin, dass die Wehrmacht den Hauptschlag durch die Ardennen führen und so die alliierten Truppen einschließen würde.[8]

Telefonüberwachung und Funküberwachung

Die Überwachung wurde durch das Postministerium geschaltet. In Berlin konnten 500 Telefonanschlüsse abgehört werden. Regionale A: Stellen: Köln, Nürnberg, Hamburg, 1935 München. Die B-Stellen waren im Eigentum der Reichspost. Eutin beendete im Juli 1945 die Funküberwachung, Prien am Chiemsee wurde weiter betrieben.

Gebäude

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Der erste Sitz des Forschungsamtes befand sich im April 1933 für seine anfangs 10 Mitarbeiter im Dachgeschoss eines Gebäudes Behrenstraße 68–70 in Berlin. Hauptnutzer des Gebäudes war das Reichsluftfahrtministeriums, das später in das heutige Detlev-Rohwedder-Haus zog, welches seit 1999 vom Bundesministerium der Finanzen genutzt wird. Wenige Monate später zog das Forschungsamt aus Platzgründen in ein Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite, Behrenstraße 5. 1935 erfolgte der Umzug nach Berlin-Charlottenburg in die Schillerstraße 116–124.[9]

Personalentwicklung

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  • April 1933: 10 Mitarbeiter
  • Ende 1933: 133 Mitarbeiter
  • 1938: 3500 Mitarbeiter[10]
  • 1944: 6000 Mitarbeiter

Literatur

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  • Günther W. Gellermann: … und lauschten für Hitler. Geheime Reichssache: Die Abhörzentralen des Dritten Reiches. Bonn 1991, ISBN 3-7637-5899-2.
  • David Irving: Das Reich hört mit – Görings “Forschungsamt”: Der geheimste Nachrichtendienst des Dritten Reiches. ISBN 3-88741-135-8, 1989, PDF; 1 MB.
  • David Kahn: The Forschungsamt – Nazi Germany’s most secret Communications Intelligence Agency. Cryptologia, 2:1, S. 12–19, 1978, doi:10.1080/0161-117891852758 (englisch, Auszug aus David Kahn: Hitler’s Spies: German Military Intelligence in World War II, 1978).
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Einzelnachweise

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  1. Alfred Kube: Pour le mérite und Hakenkreuz. S. 63
  2. Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933. In: Reichsgesetzblatt, Teil I Nr. 17 vom 28. Februar 1933, S. 83 ff., Digitalisat.
  3. Die Verfassung des Deutschen Reiches. In: verfassungen.de. Abgerufen am 12. Mai 2023.
  4. Der Nürnberger Prozeß, Hauptverhandlung, 114. Tag zeno.org
  5. George Strausser Messersmith (1883–1960) 1933 Generalkonsul der USA in Berlin. Messersmith’s Nose. In: Time 15. April 1946
  6. Der Nürnberger Prozeß, Hauptverhandlung, 180. Tag zeno.org
  7. Stuhlgang in Ordnung halten. In: Der Spiegel. Nr. 8, 1989, S. 38 (online).
  8. John H. Waller, The Unseen War in Europe S. 124.
  9. Armin Fuhrer, Görings NSA. Das „Forschungsamt“ im Dritten Reich. Lau Verlag Reinbek 2019, S. 41, 45; Berliner Adressbuch 1934, Teil IV, S. 51 und 52
  10. Interrogation of Paul Körner by Eric Kaufmann, Nürnberg, No. 439D, 15 Sep. 1947, „U.S.Army, Nürnberg Trials“. Nach Robert H. Whealey: Hitler And Spain. S. 126.